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Juden und Christen in JerusalemSpuck-Konferenz sorgt für Ärger

Dass manche Juden auf Christ*innen spucken, ist ein Phänomen in Jerusalem. Eine Veranstaltung zu diesem unschönen Thema stößt jedoch auf Kritik.

Abt der Benediktinerabtei Dormitio Nikodemus Schnabel in Jerusalem Foto: imago

Vorführeffekt“, sagt Nikodemus Schnabel. In schwarzer Mönchskutte, vor seiner Brust ein silbernes Kreuz, schaut er die Gasse vor dem Armenischen Patriarchat in der Altstadt Jerusalems hinauf und zuckt mit den Achseln. Mehrere Minuten stehen wir hier schon, doch Schnabel wird nicht angespuckt.

Dabei ist das Spucken auf Christen in der Altstadt Jerusalems längst zu einem Phänomen geworden. „Ich werde mittlerweile nicht mehr wöchentlich, sondern so gut wie täglich angespuckt“, erzählt Schnabel, der vor einigen Monaten zum Abt der Benediktinerabtei Dormitio gewählt worden ist.

In der Regel sind es nationalreligiöse Siedler, die spucken – Mitglieder der sogenannten Hilltop-Jugend. Man erkennt sie an ihrem hippiesk-religiösen Aussehen und an den gehäkelten Kippot. „Shelanu“, sagen sie dann nach dem Spucken, erzählt Schnabel, und zeigen mit dem Finger auf den Boden. Auf Deutsch heißt das: „unser“ – unser Land, meinen sie, unser Boden. Der ist in Israel nämlich nie neutral, vor allem aber nicht in Jerusalem, dieser umkämpften Stadt.

Wie Schnabel werden auch andere Gläubige regelmäßig bespuckt, die als Christen erkennbar durch die Altstadt laufen. Eine ganze Konferenz nahm sich des Spuck-Phänomens am Freitag an, organisiert unter anderem von der Open University, von Jü­d*in­nen und Chris­t*in­nen gemeinsam. Ihr Titel: „Warum spucken (einige) Juden auf Nichtjuden?“ Doch die Veranstaltung stieß auf Kritik. „Inadäquat“ sei der Titel der Konferenz, äußerte sich selbst das Außenministerium, einseitig ihre Ausrichtung.

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Der ursprünglich geplante Veranstaltungsort, das Museum Davids­turm, sagte nur wenige Tage vor Beginn ab. Eine offizielle Erklärung gab es nicht. Medienberichten zufolge soll Moshe Leon, ein Parteifreund von Regierungschef Netanjahu und Bürgermeister Jerusalems, gedroht haben, die Museumsdirektorin zu feuern, sollte die Konferenz tatsächlich dort stattfinden. Das Büro Leons dementierte dies. Dennoch verlegten die Ver­an­stal­te­r*in­nen die Versammlung ins Armenische Patriarchat, nur wenige Schritte vom Museum entfernt.

Auch schwerere Angriffe

Für Yisca Harani, eine der Ver­an­stal­te­r*in­nen der Konferenz, ist völlig klar, dass Druck von oben kam. Am Tag der Konferenz steht sie im Hof des Armenischen Patriarchats und gibt ein Interview nach dem nächsten. Ziel der Konferenz sei es, ein Problem sichtbar zu machen, das bislang ignoriert wurde, so die Expertin für das Christentum: „Wir haben das Recht, uns zu verteidigen“, fährt sie fort. „Und mit ‚uns‘ meine ich auch uns Juden, die besorgt sind, dass das Judentum gekapert und zu einer Religion des Spuckens und des Hasses wird.“ Wie viele jüdische Israelis betrachtet Harani in diesen Wochen kritisch, was die extrem rechte und religiöse Regierung, die seit Ende Dezember im Amt ist, unter anderem im Namen der jüdischen Religion macht.

Schnabel sagt, er beobachte eine Zunahme der Übergriffe auf Christinnen und Christen, seit diese Regierung im Amt ist – nicht nur in Hinblick auf die Frequenz, in der er bespuckt werde; es gehe auch um schwerere Angriffe. Seit Anfang des Jahres zählt er sieben. Zum Beispiel: die Schändungen von mehr als 30 Gräbern im Januar auf dem protestantischen Bergfriedhof Zion in Jerusalem. Im selben Monat griffen Siedler ein christliches Restaurant und dessen Kunden im armenischen Viertel an.

Immer wieder denkt Schnabel dann auch an den Anschlag auf das Priorat Tabgha am See Genezareth im Jahr 2015, dem er heute vorsteht. Jüdische Extremisten setzten das deutsche Kloster damals in Brand. Als Schnabel Stunden später ankam, sah er noch die Rauchschwaden, ein Mitbruder und eine Volontärin mussten mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert werden. „Wer vertrat die Täter vor Gericht?“, fragt Schnabel und beantwortet seine Frage selber: „Itamar Ben-Gvir, der jetzige Minister für Nationale Sicherheit.“

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Judith Poppe
Auslandsredakteurin
Jahrgang 1979, Auslandsredakteurin, zuvor von 2019 bis 2023 Korrespondentin für Israel und die palästinensischen Gebiete.
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4 Kommentare

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  • Laut Zeit liegt in Ost-Jerusalem Hass in der Luft. Radikale Siedler wollen Palestinenser aus ihren Häusern vertreiben, indem sie sich z. B. vor deren Häusern versammeln.



    Die deutsche Außenpolitik sollte diesen Hass auf anders Gläubige in Ost-Jerusalem gegenüber der israelischen Regierung thematisieren. Es wird Zeit, dass auch der Kanzler sich zu extremistischen Siedern äußert und nicht schweigt, wenn von diesen Hass und Gewalt ausgehen.

    Bereits vor mehr als zehn Jahren Jahren berichteten euronews und die deutsche Welle, dass Frauen, die sich in so genannten koscheren Bussen nicht nach hinten setzen, belästigt wurden. Ein orthodoxer Rabi sagte, dass das Nachhintensetzen im koscheren Bus für Frauen keine Schande, sondern Demut sei.



    Heute sind die ulra-orthodoxen aufgrund ihrer starken Geburtenrate in der Regierung und bedrohen die Demokratie in Israel. Sollten die Regierung Zugriff auf den Obersten Gerichtshof erhalten, könnten koschere Buslinien, die vom obersten israelischen Gericht für Unrecht erklärt wurden, legale Praxis werden.

    www.zeit.de/gesell...2Fwww.google.de%2F

    www.youtube.com/watch?v=TsnrWFqNCFU

    www.dw.com/de/gesc...emer-bus/a-5981331

    de.wikipedia.org/wiki/Mehadrin-Linien

  • Es ist dünnes Eis, doch ich will es wagen: Diese Leute sind unehrenhaft, Fanatiker und sie gehören zumindest zurecht gewiesen und auch bestraft. Doch es hat den Anschein, als würden sie von höchster Stelle geschützt. Was ist das? Es ist eine höchst gefährliche Situation, die sich offenbar steigert. Wie soll man mit solchen Menschen denn fair verhandeln, auch nur diskutieren? Intoleranz, Fanatismus hat in unserer aller (!) Welt keinen Platz und darf nicht geduldet werden. Nirgendwo, auch in Israel nicht.

  • Ausschliessender Nationalismus ist wohl immer eine zerstörerische Kraft. Der Wunsch nach einem ethnisch/religiös/was-auch-immer homogenen Staat endet vermutlich nie gut.

  • Tja. Rechtsradikale sind halt überall gleich. Und wenn die Mehrheitsgesellschaft auch noch wegschaut bzw. die Rechtsradikalen sogar direkt in der Regierung sitzen, dann werden sie halt immer dreister.