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Journalist über die Kurdenmiliz in Syrien„Die Türkei hat keine Chance“

Der Reporter Ashwin Raman hat mehrfach YPG-Einheiten im Kampf gegen den IS begleitet. Er kennt ihre Stärken im Guerillakampf.

Ashwin Rahman: „Ich nehme an, die Offensive wird eine Weile gehen, dann ziehen sie sich zurück“ Foto: dpa
Bernd Pickert
Interview von Bernd Pickert

taz: Herr Raman, jetzt läuft in Afrin die türkische Offensive gegen die kurdischen YPG-Kämpfer, mit denen Sie in den letzten Monaten häufig unterwegs waren. Kann die YPG dem standhalten?

Ashwin Raman: Es sind da ungefähr 10.000 YPG-Kämpfer unterwegs. Und obwohl die nicht die Panzermacht haben wie die Türkei und insgesamt schlechter bewaffnet sind, kennen sie das Territorium und sind sehr gute Guerilla-Kämpfer. Das ist ihr Vorteil. Das weiß die Türkei auch.

Kann die YPG auf die Unterstützung der Bevölkerung zählen?

Aus dem, was ich erlebt habe, würde ich sagen ja. Es ist ein kurdisches Gebiet. Es leben dort ungefähr 320.000 Zivilisten. Sie sind der Türkei nicht gerade wohlgesonnen. Im Endeffekt geht dieser Kampf seit 40 Jahren. Die Türkei will die Situation jetzt ausnutzen, um das kurdische Problem aus der Welt zu schaffen.

Wird die Türkei das schaffen?

Wenn du bessere Waffen hast, kannst du kurzfristige militärische Erfolge erzielen. Aber langfristig hat die Türkei keine Chance. Wenn sie sich dort festsetzen wollen würden, würde ein Guerillakampf gegen sie beginnen, den sie nicht gewinnen können. Ich nehme an, die Offensive wird eine Weile gehen, dann ziehen sie sich zurück.

Reporter Ashwin Rahman mit YPG-Kämpferinnen in Rakka Foto: Ashwin Rahman

Und dann?

Das Ping-Pong wird weitergehen. Im übrigen: Die USA wissen ganz genau, dass die YPG die einzige Kraft ist, die in Syrien erfolgreich gegen den Islamischen Staat gekämpft hat. Wegen des Zusammenspiels mit der PKK passt ihnen die YPG nicht – aber die 2.000 US-Soldaten vor Ort stehen voll hinter der YPG.

Hält sich denn die YPG an das Kriegsrecht oder begeht sie Kriegsverbrechen?

Ich habe keine Kriegsverbrechen gesehen. Aber: Auf beiden Seiten werden kaum Gefangene gemacht. Entweder bist du tot oder kommst noch weg.

Im Interview: Ashwin Raman

Der mehrfach preisgekrönte Journalist und Dokumentarfilmer war in den letzten Monaten häufig in Syrien und im Irak unterwegs. Für seinen Film „Im Kampf gegen den IS – ist das Kalifat am Ende?“ (Mittwoch nacht, 0.45 Uhr im ZDF oder hier in der Mediathek) hat er YPG-KämpferInnen unter anderem bei der Rückeroberung der Stadt Rakka begleitet.

In Deutschland ist die YPG nicht als Terrororganisation eingestuft. Fänden Sie diese Einstufung angebracht?

Nein. Die YPG sind die einzigen, die in Syrien den IS bekämpfen. Sie haben sehr viel Unterstützung von den USA bekommen, sie sind Teil der Koalition. Die ganze offizielle deutsche Ablehnung der YPG hat nur zum Ziel, den türkischen Präsidenten Erdoğan ruhigzustellen. Es ist ja auch komisch: Wenn man mit einer YPG-Fahne durch Berlin läuft, ist das verboten. Aber ich kann Ihnen die Telefonnummer der inoffiziellen YPG-Vertretung in Berlin geben – die gibt es ganz legal, und das weiß die deutsche Regierung natürlich auch.

Für ihren Film waren Sie lang mit YPG-Einheiten unterwegs. Durften Sie drehen, was Sie wollen?

Ja. Ich war der einzige Reporter, der je an die Front gelassen wurde, weil ich die Leute schon sehr lange kenne. Ich konnte alles drehen – außer Verletzte. Das wollten sie nicht, und das habe ich akzeptiert.

Korrekturhinweis: In einer früheren Version des Interviews setzte eine Frage voraus, die YPG sei in Deutschland als Terrororganisation eingestuft. Das ist falsch. Wir bitten diesen redaktionellen Fehler zu entschuldigen.

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29 Kommentare

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  • 9G
    97796 (Profil gelöscht)

    Nettes Bild von der YPG da oben. So sehen Terroristen aus, shalalalala. Lächerlich. Und Deutschland mordet mit.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    "In Deutschland ist die YPG nicht als Terrororganisation eingestuft. Fänden Sie diese Einstufung angebracht?"

     

    Heute ist wohl der Wurm drin: Das "nicht" ist zuviel. Die YPG i s t in Deutschland als Terrororganisation eingestuft.

    • 8G
      85198 (Profil gelöscht)
      @85198 (Profil gelöscht):

      „Weder die Partei der Demokratischen Union noch ihr bewaffneter Arm, die Volksverteidigungseinheiten, sind vom UN-Sicherheitsrat als terroristische Vereinigung gelistet“, heißt es in ihrer Antwort. „Sie werden zwar allgemein als regionale Gliederungen der PKK, die ihrerseits auf der Terrorliste der Europäischen Union gelistet ist, angesehen. Eine Listung der genannten Organisationen selbst besteht aber nicht.“

      https://www.welt.de/politik/ausland/article152602725/Gute-Kurden-boese-Kurden-Wer-ist-Terrorist.html

       

      Die diplomatische Formulierung kann es nicht verbergen, dass die YPG als Teil der PKK betrachtet wird und damit als Teil einer Terrororganisation. YPG-Fahnen sind verboten und wegen YPG-Fahnen auf Facebook wurden auch schon Hausdurchsuchungen bei Linken gemacht. Wenn Erdogan in den Krieg gegen die YPG zieht und Gabriel mit dem Aussenminister über die Aufrüstung von Panzern spricht, wie ist das anders zu deuten?

  • Es ist wie einst im nationalrevolutionären Befreiungskampf Vietnams!

     

    Überzeugungen lassen sich nicht durch äußeren militärischen Terror liquidieren! Wer die Köpfe auf seiner Seite hat, der hat auch den ungebrochenen revolutionären Befreiungs- und Volkskrieg auf seiner Seite!

     

    Den kämpfenden emanzipierten kurdischen Frauen gehört die Zukunft! Sie sind auch ein beispielhaftes Vorbild für alle noch heute davonlaufenden muslimischen Patriarchen, die ihre abgesicherte soziale Zukunft im westeuropäischen Wohlstands- und Konsumparadies sehen!

     

    Für eine künftige sozialrevolutionäre Demokratische Republik Kurdistan! Ein Vorbild auch für die Emanzipationsbewegung in Europa und der arabischen und nordafrikanischen Welt!

    • @Reinhold Schramm:

      Wenn sich linksextrem mit rassistischer Hetze schmückt , - dann verwischen sich die Unterschiede zu rechtsextrem, nicht wahr ? (Ist aber immer wieder zu beobachten, leider ... )

      • @Christoph :

        Es ist eine kapital-faschistische Methotik der bürgerlichen Ideologen der Kapital-, Herrschafts- und Bourgeois-Interessen, die antikapitalistische und antirassistische Linke und Aufklärung, als "rassistische Hetze" zu diffamieren! --

         

        Um auch damit von kapitalistischer Ausbeutung und Verantwortung für Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit, der eigenen imperialistischen Strategie und der geistigen Massenmanipulation, abzulenken!

         

        Also, nichts Neues, von den rechtsideologischen Zuhaltern und Rassisten der Bourgeoisie!

         

        Dazu gehört es eben auch der antikapitalistischen und antiimperialistischen Linken "rassistische Hetze" zu unterstellen! Eben, alles was der Macht und Herrschaft der Kapitalisten über die Bevölkerungen [- unabhängig von deren Herkunft, Geschlecht und Hautfarbe] nützt!

    • 4G
      42494 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Wäre auch ein Beispiel für die immer wiederkehrenden Storys über hier lebende Männer, die mit weinenden Augen beklagen, dass es keinen Familiennachzug gibt.

      Sie sind hier in Sicherheit und die Frauen und Kinder? Diese haben sie erst einmal im Kriegsgebiet zurückgelassen oder sie leben in der Türkei oder Griechenland.

      Da sind mir diese kämpfenden Frauen um einiges sympathischer und ehrlicher.

      • @42494 (Profil gelöscht):

        Vielleicht gibt es auch einfach einen Unterschied zwischen dem Krieg, der in Syrien stattfindet und dieser Situation jetzt zwischen YPG und der Türkei. Diese Leute sind kampferprobt, und auch hier werden nicht alle Männer am Kampf teilnehmen. Viele Bewohner aus der Gegend sind auch schon geflohen. Aber wie immer- vom gemütlichen Sofa aus lässt sich prima schwadronieren über heldenhafte Kämpferinnen und Kriege, die anderswo stattfinden.

        • @Ute Krakowski:

          Warum sollten nicht auch Klassenkämpfer auf einem Sofa sitzen, wenn sie mit ihren eigenen Händen und Kopf dafür gearbeitet haben? Das macht eben den Unterschied zu den Quandts, Siemens und Sptingers.

    • 4G
      42494 (Profil gelöscht)
      @Reinhold Schramm:

      Richtiger und wichtiger Kommentar.

      Ich kann Ihnen nur zustimmen!

  • Der Konflikt wird nicht militärisch entschieden werden können. Man kann ein ganzes Volk nicht besiegen. Mir tun dabei aber auch die türkischen Soldaten leid, die übel verarscht und verheizt werden.

  • „Nuri Mahmud, offizieller Sprecher der YPG, gab im Jahr 2017 gegenüber Medien an, die YPG seien eine „völlig andere Organisation als die PKK“ und habe „keine Verbindungen“ zur PKK. Die beide Gruppen würden in verschiedenen Gebieten, mit unterschiedlichen Methoden und für verschiedene Ziele operieren.“

    (Matt Blake in theguardian.com vom 20. August 2017)

    http://www.webcitation.org/6v5R7scJ5?url=https://www.theguardian.com/uk-news/2017/aug/20/our-sons-were-heroes-say-families-of-british-men-killed-fighting-isis

    • @Rainer B.:

      Und? Glauben Sie es?

      • @rero:

        Ja! Ausser Erdogans Propaganda gibt es doch gar nichts, was dagegen sprechen könnte.

      • 6G
        61321 (Profil gelöscht)
        @rero:

        the same question to Rainer from my side

        • @61321 (Profil gelöscht):

          s.o.

  • Den guten Wünschen für die YPG kann man sich nur anschließen.

  • Die Reportage ist jede Minute wert. Besonders beeindruckend natürlich die Frauen, die mutig ihr Schicksal selbst in die Hand genommen haben. Und das obwohl viele von ihnen, vor allem die Jesidinnen, schwer traumatisiert sind.

    Was für ein Kontrast zur mimiMeTo-Kampagne.

    • @jhwh:

      Frauen sollen also ballern, anstatt ihre Vergewaltiger anzuprangern? Seltsame Vorstellung.

      • @kditd:

        Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Da wird nicht angeprangert sondern angezeigt und Notwehr ist natürlich auch möglich.

        Vielleicht noch mal nachlesen. Bei #MeToo geht es eher um sexuelle Belästigung und Nötigung. Und da kann eine selbstbewusste Frau sich hervorragend zur Wehr setzen anstatt sich hinterher weinerlich unter einem Hashtag zu beklagen.

  • 4G
    42494 (Profil gelöscht)

    ich wünsche der YPG alles erdenklich Gute. mein Respekt gilt den dort kämpfenden Frauen.

    Gäbe es nur mehr Frauen, die sich so entschlossen zur Wehr setzen und helfen, ihr Land zu verteidigen.

  • Die Bundesregierung und ihr Klient Erdoğan

     

    Frage: WARUM fordert eigentlich niemand den Rücktritt der Bundesregierung,

     

    die offensichtlich einen größenwahnsinnigen Diktator aufgerüstet hat? ( ! )

  • Ich wünsche der YPG gutes Gelingen.Erdogan muss verlieren.

  • Herr Pickert, die YPG ist in Deutschland im Gegensatz zur PKK nicht als Terrororganisation eingestuft. Allerdings sind ihre Symbole seit 2017 verboten.

    • @Kunz:

      Vielleicht sollte man die türkische Fahne verbieten solange Erdogan dran ist.

  • Leider fühlt sich u.a. auch die deutsche Regierung gezwungen, dem türkischen Terrorregime so einiges zu gewähren.

    Der Korrespondent in Syrien dürfte dem Regime in Ankara ebenso ein Dorn im Auge sein, wie schon die vielen anderen verhafteten und ermordeten Kritiker.

    Es wäre daher angebracht, für seinen Schutz vor dem Regime zu sorgen.

  • Hier sind aktuelle Interviews mit Kämpferinnen der Frauenverteidigungseinheiten YPJ zu sehen und in Übersetzung zu lesen: https://anfdeutsch.com/frauen/ypj-kaempferinnen-in-efrin-kaempfen-und-siegen-1699

    Unter anderem erklärt die YPJ-Kämpferin Bahar Qamişlo:„Diese Revolution dauert seit sieben Jahren an und wir kämpfen seit sieben Jahren gegen die Feinde der Menschheit. Jetzt kämpfen wir in Dêra Zor. Wird es erforderlich, gehen wir nach Efrîn, um dort zu kämpfen. Eigentlich greift der Feind von allen Seiten an. Und wir beantworten diese Angriffe. Wir werden ihnen diese Gegend niemals überlassen. Unsere Freundinnen und Freunde leisten jetzt in Efrîn Widerstand. Sie vollbringen große Heldentaten. So, wie wir in Kobanê Widerstand geleistet und gesiegt haben, tun wir es auch in Efrîn und Dêra Zor. Damit werden wir ein freies Kurdistan, ein freies und demokratisches Syrien erkämpfen. Denn hier kämpfen viele Völker gemeinsam.“

     

    In Bezug auf den besonderen Einsatz der YPG und YPJ-Kämpfer*innen im Kampf gegen den IS gemacht wird, erklärt das Informationsbüro der Bewegung der Demokratischen Gesellschaft (TEV-DEM) am 22.01.2018 anlässlich der Luftwaffenangriffe der Türkei auf Afrin mit zahlreichen getöteten Zivilist*innen:

    „Hervorstechend ist das Schweigen der internationalen Gemeinschaft. Abgesehen von den französischen Behörden hat sich bisher keine Seite für die Menschen von Afrin und Rojava ausgesprochen und vergessen, wie Rojavas Töchter und Söhne tapfer gegen eine der brutalsten Kräfte aller Zeiten kämpften. Es war Rojava das die Welt vor dem Bösen des IS rettete, aber es ist Rojava, das von der Welt vergessen wird, während es von einem NATO-Staat, der Türkei, angegriffen wird.“

     

    Wir können zeigen, dass wir den Besatzungsversuch der Türkei verurteilen und nicht hinter der deutschen Regierung stehen, die weiter ihre Waffen-Deals mit der Türkei verfolgt. Samstag, den 27.01.2018, bundesweite Großdemonstration: 10 Uhr Ebertplatz, Köln: //navdem.com

  • Undifferenzierte, unkritische Propaganda einer Seite zweier Kriegsparteien in der TAZ. Ich würde auch gerne die ungefilterte türkische Propaganda hören, aber das wird es in deutscher Sprache mangels Sympathie wohl nicht geben.

  • Offenbar ist er ein naher Verwandter von "Chemical Ali": "They're coming to surrender or be burned in their tanks."