Jeremy Corbyn in der Labourpartei: Erst draußen, dann wieder drin
Ein parteiinterner Ausschuss hat den Ex-Vorsitzenden wieder aufgenommen. In die Parlamentsfraktion könne er aber nicht, so Labour-Chef Keir Starmer
taz | Der ehemalige Labourführer Jeremy Corbyn ist seit Dienstag wieder Mitglied der Partei. Am 29. Oktober war seine Mitgliedschaft suspendiert worden, weil er kurz nach dem vernichtenden Urteil der britischen Menschenrechtskommisions EHRC über Antisemitismus in der Labourpartei unter Corbyn sich beeilt hatte, den Antisemitismusvorwurf als übertrieben zu bezeichnen. Zur Rücknahme der Suspendierung bedurfte es einer Klarstellung auf Facebook von ihm, in der er seiner Aussage von damals direkt widersprach. Zum Ende der Suspendierung verhalf ihn dann der erst am Freitag neugewählte Parteivorstand (NEC), in dem der linke Parteiflügel eine leichte Mehrheit genießt.
Corbyn wieder drin, bevor sich Labour gründlich mit dem EHRC-Bericht auseinandersetzen konnte – dies sorgte noch am Dienstag abend für zornige Reaktionen aus jüdischen Rängen, darunter der Verband jüdischer Labour-Mitglieder JLM. Auf der anderen Seite gab es große Erleichterung unter Corbyn-Anhänger*innen, die prompt begannen, ihre Gegner wieder als „Blairites“ und „Zionisten“ zu beschimpften.
Doch beide Seiten hätten sich die Reaktionen sparen können. Kurz vor Mittwochmittag kündigte Parteiführer Keir Starmer an, dass Corbyn nicht mehr in die Labour-Parlamentsfraktion aufgenommen werde. Starmer hatte das Urteil der EHRC akzeptiert und betont, bei Antisemitismus in der Partei gelte für ihn Nulltoleranz.
„Jeremy Corybns Handeln hat unsere Arbeit, die Glaubwürdigkeit und Zuversicht und die Fähigkeit Labours zum Kampf gegen Antisemitismus wiederherzustellen, untergraben und zurückgeworfen“, so Starmer. „Unter diesen Umständen habe ich mich entschieden, die Fraktionsmitgliedschaft Jeremy Corbyns nicht wiederherzustellen. Ich werde diese Situation beständig überprüfen.“ Weiter sagte er, die Aufhebung von Corbyns Suspendierung zeige, dass die Glaubwürdigkeit der Partei in den Augen der jüdischen Gemeinschaft keineswegs wiederhergestellt sei.
Die Linke in der Partei fühlt sich düpiert
Die widersprüchlichen Entscheidungen beider Seiten – des Vorstands und Starmers – stehen im Widerspruch zu einer EHRC-Kernempfehlung an Labour, nämlich dass Anschuldigungen wegen Antisemitismus in Zukunft von einem parteiunabhängigen Gremium verhandelt werden sollten. Dieses Gremium existiert noch nicht. Derweil fühlt sich die Linke düpiert. Die Gruppe „Red Labour“ twitterte an Keir Starmer, dass seine Entscheidung rachsüchtig, spaltend und provokativ sei. „Wir haben eine Botschaft für Sir Keir: Vor Dir steht ein Kampf“, warnten sie.
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