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Jens Spahn will Masern bekämpfenBundestag beschließt Impfpflicht

Jens Spahn setzt sich durch: Viele Menschen müssen bald gegen die Masern geimpft sein. Nur die AfD war dagegen. Grüne und Linke enthielten sich.

Tut eigentlich gar nicht weh: Die Masern-Impfung ist bald für viele Menschen obligatorisch Foto: Ole Spata/dpa

Berlin taz | „Wenn ich so etwas höre, werde ich sauer“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Donnerstagmittag im Plenum des Deutschen Bundestags und bezog sich damit auf die Einstellung von Impfgegnern, eine Krankheit wie Masern müsse jeder Mensch einmal „durchmachen“. Schon zuvor hatte er im ARD-“Morgenmagazin“ Impfschutz als „eine der größten Errungenschaften der Menschheit“ bezeichnet.

Diese Errungenschaft wird demnächst für einige Menschen Pflicht: Ein entsprechender Gesetzentwurf von Spahn wurde am Donnerstag vom Bundestag in namentlicher Abstimmung mit 459 Ja-Stimmen bei 89 Gegenstimmen und 105 Enthaltungen beschlossen. Gegen das Vorhaben stimmte lediglich die AfD. Grüne und Linkspartei enthielten sich – eine Haltung, die Spahn zuvor als „kraftlos“ bezeichnet hatte. Damit gilt ab 1. März 2020 eine Impfpflicht für Kindertagesstätten, Schulen, andere Gemeinschaftseinrichtungen, bei der Tagespflege und in Flüchtlingsunterkünften.

Ziel des neuen Gesetzes ist es, die Masern in Deutschland auszurotten. Das kann erst bei einer Durchimpfungsquote von 95 Prozent erreicht werden. Nach Informationen der WHO beträgt die Quote in der Bundesrepublik jedoch nur 92 Prozent. In diesem Jahr sind in Deutschland bisher 501 Menschen an Masern erkrankt, wie aus der Online-Datenbank des Robert-Koch-Instituts hervorgeht.

Spahns Kalkül ist, diese Zahl durch verpflichtende Masern-Impfungen zu senken. Zumindest für Kinder, die mindestens ein Jahr alt sind, in Kitas und Schulen sowie für Erzieher, Lehrer, medizinisches Personal und Asylbewerber soll der Zwang gelten. Sie alle treffen in öffentlichen Einrichtungen aufeinander.

Konkret bedeutet das, dass Eltern ab kommenden März vor der Aufnahme ihrer Kinder in Kitas oder Schulen nachweisen müssen, dass diese geimpft sind. Bei Verstößen sollen Bußgelder bis zu 2.500 Euro drohen.

Für Kinder, die schon in der Kita oder in der Schule sind, müssen ihre Eltern bis zum 31. Juli 2021 nachweisen, dass sie geimpft sind oder die Masern schon hatten. Der Nachweis kann durch den Impfausweis oder das gelbe Kinderuntersuchungsheft erbracht werden – oder durch ein ärztliches Attest, wenn jemand bereits die Masern hatte.

Mit Bußgeld bestraft

Nicht geimpfte Kinder können dann von der Kita ausgeschlossen werden, von der Schule wegen der allgemeinen Schulpflicht jedoch nicht. Allerdings müssen Eltern, die ihre Schulkinder nicht impfen lassen, mit Bußgeldern von bis zu 2.500 Euro rechnen. Auch Kindertagesstätten, die nicht geimpfte Kinder betreuen, können mit einem Bußgeld bestraft werden.

Wer sich als Mitarbeiter einer Gemeinschafts- oder Gesundheitseinrichtung verweigert, darf dort keine Tätigkeiten aufnehmen. Menschen, die vor 1971 geboren wurden oder denen gesundheitliche Schäden drohen, sind von der Impfpflicht ausgenommen.

Grüne und FDP kritisierten den Gesundheitsminister am Donnerstag deutlich. Der öffentliche Gesundheitsdienst sei in den letzten Jahren „kaputtgespart“ worden, monierten sie etwa. Deshalb seien heute nicht ausreichend Bürger geimpft.

Während ein AfD-Abgeordneter während einer Kurzintervention auf „tausende Fälle von Impfschäden“ aufmerksam machte, die es angeblich gebe, hatte die Kritik von Detlev Spangenberg, Obmann der AfD-Fraktion, deutlich rassistische Untertöne. Nicht bei den Jungen gebe es einen Handlungsbedarf in Sachen Impfungen, sondern bei Erwachsenen. Hier seien besonders „die Zuwanderer“ das Problem. Druck erzeuge „nur Unmut“, sagte Spangenberg, in seiner Partei habe man den „mündigen Bürger“ vor Augen.

Gesundheitsminister Jens Spahn machte im Gegenzug deutlich, dass er einen anderen Freiheitsbegriff vertritt: „Freiheit heißt auch, dass ich nicht unnötig gefährdet werde“, sagte er im Plenarsaal.

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10 Kommentare

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  • Toll, was kommt als Nächstes, die GKV-Giftspritze für Alte, damit die Rentenkassen entlastet werden? Impfzwang und anderes kennt man aus der DDR. Mein Körper gehört mir und niemand anderem, also muß man auch selbst entscheiden dürfen, alles andere führt in den Faschismus. Wenn jemand nicht krank werden will, kann man sich jederzeit selbst impfen lassen. Dazu braucht es keinen Impfzwang. Nur für das Schaulaufen eines Herrn Spahn für die Kanzlerschaft und die Quote. Nein Danke. Man kann nur hoffen das der Bundesrat oder Karlsruhe dies wieder einkassiert, bevor die AFD noch mehr Zulauf bekommt.

    • @Christiane65:

      Ernsthaft?



      Impfpflicht führt in den Faschismus?



      Gilt das auch für Tempolimits vor Schulen?

      Ich glaube das sagt mehr über Ihren Realitätsbezug aus, als Ihnen lieb sein dürfte.

      Hier noch mal ein paar Fakten: Es gibt einen nicht vernachlässigbaren Prozentsatz an Kindern, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Damit diese nicht an der lebensbedrohlichen Krankheit Masern erkranken, ist es erforderlich, dass alle anderen Kinder in ihrer Umgebung auch nicht erkranken- also geimpft sind. Das nennt man „Herdenschutz“. Und da die eigene Freiheit bekanntlich da aufhört, wo die der anderen anfängt, ist eine Impfpflicht zur Abwehr von Gefahren von anderen sowohl angemessen als auch verhältnismäßig - wie das Tempolimit.

  • Das Ende der Freiheit wird eingeläutet. Warum denn immer in der Rechten Ferne suchen, wenn das 'Gute' doch so nahe liegt.



    und ja, ein paar Tausend Kinder aus der Ukraine oder aus Syrien etc. können die Statistik um einige Prozente verändern, da deren Impfquote nicht der unsrigen entspricht.

    Meine Gnade der frühen Geburt, danke armes Deutschland.

  • 0G
    07400 (Profil gelöscht)

    OhHa.

    Impfpflicht. Pflichten sind so toll. Vor allem wenn sie die Freiheit kosten.

    Wie wäre es mit Impflicht gegen die Ausrottung.



    Lehrermangel, Erziehermangel, Ärztmangel auf dem Land, Mangel Pflege, Mangel Alter, Mangel DSL, Mangel ÖPNV, Mangel Soziales, Mangel Arbeitsplätze und so weiter weiter so.

    Oder warum muss jeder das durchmachen?



    Marsern sind das Gesellschaftliche Thema von heute. Weil Gestern nicht geimpft wurde oder eben frei nicht geimpft wurden.

    Dieses Gesetz zeigt: Es geht nicht um Schutz. Es geht nicht um Freiheit. Oder?

    Nebelkerzen als Nebenschauspielplatz.



    Und angebliches Sicherheitsbedürfnis. Oder?

    • 0G
      07400 (Profil gelöscht)
      @07400 (Profil gelöscht):

      2015 - 2400



      2016 - 345



      2017 - 650



      2018 - 585



      2019 - 461

      Ähm. Wo ist da jetzt ein Mengenmässiges Problem? 2400 Fälle auf 461 Fälle reduziert?

      • @07400 (Profil gelöscht):

        Sie könnten auch sagen im Vergleich zu 2016 33% mehr Fälle.

        Und das wo wir die Möglichkeit hätten 0 zu haben. Nun ja vielleicht 1-2 es gibt immer Reisende.

        Sagen wir einfach mal 40.000%. Mehr Fälle als nötig.

        • @Sascha:

          Eine Reduktion auf null (wie bei den Pocken) ist bei der Masern Impfung aufgrund ihrer Eigenschaften nicht möglich. Unter den hunderten Fällen sind viele geimpft.

        • 0G
          07400 (Profil gelöscht)
          @Sascha:

          "Sagen wir"? Nein Danke.

          Bei den Klimazielen wird ja 1990 genommen, als Basis oder? Ändert nur nichts an diesem Gesetz.

  • Klar ist die AFD dagegen. Was denn sonst....Das ganze braune Pack



    hat ja nur die "Sorgen und Nöte der Normalbürger im Sinn".

    Wenn es die Zuwanderer sind, dann sollen Sie doch bitte eine ordentliche Studie vorlegen und nicht wieder rassistisch argumentieren.

    • @Henrik WM:

      Naja, dass Zuwanderer aus Ländern in denen eben nicht flächendeckend geimpft wird, häufiger keinen Impfschutz haben wird kann ich mir schon gut vorstellen.

      Nur was das mit der hier beschlossenen Impfpflicht zu tun haben soll erschließt sich mir nicht, zumal sie ja eben Asylbewerber explizit miteinschließt.