Jens Spahn und die Corona-Masken: Zu teuer, zu viele
Die Masken-Deals des Ex-Gesundheitsministers zu Beginn der Pandemie könnten den Bund 2,3 Milliarden Euro kosten. Darüber diskutierte der Bundestag.
Es ging es um ein Thema, das untrennbar mit ihm verknüpft ist: „Aufarbeitung der Corona-Masken-Beschaffung“ lautete der Titel der Aktuellen Stunde, die die Ampel-Fraktionen beantragt hatten. 2,3 Milliarden Euro könnten Maskendeals des ehemaligen Gesundheitsministers aus dem Jahr 2020 den Bund – und damit die Steuerzahler*innen – noch kosten, plus Zinsen, Gerichts- und Anwaltskosten. Das wäre noch einmal deutlich teurer als das Maut-Desaster des ehemaligen CSU-Verkehrsministers Andreas Scheuer.
Zwar betonten die Redner*innen der Ampel, dass gerade der Beginn der Pandemie „eine Zeit der Ungewissheit“ und Spahns Aufgabe als Gesundheitsminister keine leichte gewesen sei. Doch dann gingen sie unisono zum Angriff über und forderten Aufklärung. „Niemand darf sich aus der Verantwortung stehlen“, sagte etwa die SPD-Gesundheitspolitikerin Martina Stamm-Fibich. Der grüne Haushaltspolitiker Andreas Audretsch sprach von einem „der größten Steuerverschwendungsskandale in der Geschichte der Bundesrepublik“. Die Frage sei, ob es schlechtes Mangament gewesen sei – oder auch Gefälligkeit.
Spahns „Gelddruckmaschine“
Die FDP-Abgeordnete Kristine Lütke kritisierte, der ganze Vorgang grenze an „Fahrlässigkeit“. CDU-Gesundheitspotiker Tino Sorge hingegen kreidete der Ampel an, das Thema politisch zu instrumentalisieren und sprach von einem Maß von „Niederträchtigkeit und Doppelmoral“, dass sogar die AfD blass werde. Im Übrigen sei auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als damaliger Finanzminister 2020 an der Entscheidung beteiligt gewesen.
Heidi Reichinnek von der Linken wiederum warf Spahn vor, eine „Gelddruckmaschine“ geschaffen zu haben, rief die Namen „Nüßlein, Hauptmann, Löbel, Sauter“ in den Saal und sagte dann, was sie alle gemeinsam hätten: „alle Union, alle an Maskenaffären beteiligt.“
Hintergrund der Debatte sind schwelende Streitfälle um die Lieferung von Schutzmasken zu Sonderkonditionen in der Frühphase der Corona-Pandemie 2020, als Masken knapp waren und dringend benötigt wurden. Um schneller zu sein, wandte das Gesundheitsministerium unter der Leitung von Spahn ein besonderes Beschaffungsverfahren an und garantierte Lieferant*innen eine unbegrenzte Abnahme von Masken zu einem festen Kaufpreis von 4,50 Euro pro FFP2-Maske.
Lieferanten zogen vor Gericht
Vielfach verweigerte das Ministerium später die Bezahlung unter Verweis auf Qualitätsmängel und verspätete Lieferung. Lieferanten zogen vor Gericht. Laut Bundesgesundheitsministerium, das inzwischen von SPD-Politiker Karl Lauterbach geführt wird, geht es um insgesamt etwa hundert Fälle mit einem Streitwert in Höhe von insgesamt 2,3 Milliarden Euro. Ein großer Teil der Masken wurde später gar nicht benötigt.
Am Freitag hatte der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln in einem der Fälle geurteilt. Das Gericht war dabei nicht der Position des Gesundheitsministeriums gefolgt, dass die Masken bis zu einem fixen Termin hätten geliefert werden müssen und danach das ganze Geschäft ungültig sei. Das Ministerium prüft in diesem Fall, in dem es um einen Streitwert von einer Million Euro geht, nun Rechtsmittel.
Die Zeit der aktuellen Stunde ist eigentlich schon um, als Petra Pau, Vizepräsidentin des Bundestags, Spahn das Wort für eine persönliche Erklärung erteilt. „Sie können mich hier so angehen. Sie können auch so tun, als wüssten Sie nicht, wie die Lage im Frühjahr 2020 gewesen ist“, beginnt der ehemalige Gesundheitsminister und betont, dass Menschenleben auf dem Spiel gestanden hätten und Masken dringend benötigt wurden. Klinikdirektoren und Pflegekräfte hätten vehement danach verlangt.
„Wir haben Masken beschafft“, so Spahn weiter. „War es teuer? Ja. War es teilweise chaotisch? Ja. So ging es allen Ländern auf der Welt. Und ich kenne niemanden, der damals gesagt hat: Passt aber bloß auf, dass die Preise nicht zu hoch sind!“ Er räumte aber auch ein, dass er mit dem Wissen von heute manche Entscheidung anders treffen würde und das damalige Verfahren nicht empfehlenswert sei.
Am Donnerstag kommender Woche soll Spahn im Gesundheitsausschuss Rede und Antwort stehen. Da ist auf Antrag der Ampel-Fraktionen eine Sondersitzung geplant.
Transparenzhinweis: In der ersten Version des Artikels hieß es, Jens Spahn habe in der aktuellen Stunde nicht gesprochen. Das ist falsch. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs