Italiens Flüchtlingspolitik: Kurzsichtiger Egoismus
Kaum ein Land geht so hart gegen Flüchtende vor wie Italien. Doch weder begrenzt es damit die Zahl der Ankommenden noch seine eigenen Probleme.
![Eine Person wird in einem Hafen versorgt Eine Person wird in einem Hafen versorgt](https://taz.de/picture/6215498/14/32388389-1.jpeg)
Prima gli italiani!“ Italiener zuerst, ist seit Jahren der Schlachtruf der Postfaschistin Giorgia Meloni und auch ihres Koalitionspartners Matteo Salvini. Ginge es nach ihnen, würde sich Italien perfekt abschotten gegen die Elendsgestalten, die die gefährliche Überfahrt übers Mittelmeer riskieren, um nach Europa zu gelangen.
„Seeblockaden“ hatte Meloni im Wahlkampf letztes Jahr verlangt, und Salvini war mit seinem Evergreen, der Forderung nach „geschlossenen Häfen“, im Rennen. Jetzt sitzen beide gemeinsam in der Regierung und müssen sich der harten Realität stellen: der Realität, dass die Geflüchteten, ob aus Syrien, Irak, Pakistan, aus Tunesien oder den Ländern Subsahara-Afrikas, einfach weiterhin kommen.
Für Italiens Rechte ist das gegenwärtige Fluchtgeschehen ein PR-Desaster, denn ausgerechnet seit ihrem Regierungsantritt im letzten Oktober ist die Zahl der eintreffenden Menschen nach oben geschnellt. Schon diese Tatsache ist ein klares Dementi der rechten Rhetorik, wonach vor allem die in der Rettung auf dem Mittelmeer tätigen NGOs die Schuld am Zufluss trugen: Die Tätigkeit der Retter*innen nämlich hat sie mit schikanösen Auflagen stark eingeschränkt.
Doch Meloni macht ungerührt weiter. Jetzt geht es direkt gegen die Flüchtlinge selbst. Die Anerkennungsgründe sollen zusammengestrichen, die Unterbringungsbedingungen verschlechtert werden. Schon jetzt dürfen wir die Prognose wagen: Die Zahl der Migrant*innen wird dadurch nicht kleiner werden. Nur ihre Lebensbedingungen werden sich deutlich verschlechtern.
Weniger Anerkennungen bedeuten ja nicht weniger Migrant*innen im Land, sondern mehr, die irregulär in Italien leben, die auf den schwarzen Arbeitsmarkt oder mangels anderer Perspektiven gleich in die Kriminalität gedrängt werden. Ausgerechnet die Sicherheitsfanatiker der italienischen Rechten tun so einiges dafür, mit ihrer inhumanen Politik die Städte unsicherer zu machen.
Italien steht mit seiner Migrationsabwehr keineswegs allein in Europa: Die Bilder der letzten Jahre, aus Spaniens Afrika-Enklaven Ceuta und Melilla, aus dem französischen Calais, aus Kroatien oder von Polens Grenze zu Belarus belegen das. Meloni aber will von Immigration schier gar nichts wissen. Allerdings regiert sie das Land in Europa, das mangels Geburten am schnellsten vergreist, am schnellsten zu schrumpfen droht. Eine Antwort hierauf hat sie nicht. Nur eines weiß Meloni: Italiens Demografieproblem will sie „nicht mit Migranten“ lösen. Auch hier gilt schließlich „Italiener zuerst!“
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
RTL Quadrell
Klimakrise? War da was?
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Absturz der Kryptowährung $LIBRA
Argentiniens Präsident Milei lässt Kryptowährung crashen
Jugendliche in Deutschland
Rechtssein zum Dazugehören