Zivilorganisation über Push-Backs: Kroatiens Gewalt gegen Migranten

An der EU-Außengrenze in Kroatien werden Geflüchtete wiederholt illegal zurückgedrängt. Human Rights Watch prangert das in einem Bericht an.

Männer laufen am Straßenrand, die Polizei fährt neben ihnen her

Ihr Ziel ist wahrscheinlich Kroatien: eine Gruppe Migranten in Westbosnien Foto: Darko Bandic/ap

BERLIN taz | Kroatien drängt seit etwa fünf Jahren Menschen illegal und mit Gewalt über die Grenze zurück. Ein am Mittwoch vorgestellter neuer Bericht der Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) zeigt, dass die Praxis entgegen anderslautenden Versicherungen der Regierung in Zagreb weitergeht.

Auch unbegleitete Kinder und Familien mit Kleinkindern werden von der kroatischen Polizei weiter zurückgedrängt. Das geschehe „trotz offizieller Dementis und wiederholter – nicht eingehaltener – Zusagen, das Recht auf Asyl und andere Menschenrechtsnormen zu respektieren“, so HRW. „Die Grenzpolizei stiehlt oder zerstört häufig Telefone, Geld, Ausweispapiere und andere persönliche Gegenstände und setzt Kinder und Erwachsene oft einer erniedrigenden und entwürdigenden Behandlung aus.“

Die Menschen würden „regelmäßig und oft gewaltsam“ nach Bosnien und Herzegowina zurückgeschoben, ohne ihre Asylanträge oder Schutzbedürfnisse zu prüfen, gibt HRW an. Die kroatische Polizei übergebe die Menschen nicht an den regulären Grenzposten an die Behörden von Bosnien und Herzegowina. Befragte gaben gegegnüber HRW an, dass sie durch Flüsse oder Bäche waten, über Felsen klettern oder sich einen Weg durch dichte Wälder bahnen mussten, oft nachts und ohne zu wissen, wie sie die nächste Stadt erreichen könnten.

HRW befragte nach eigenen Angaben mehr als 100 Personen, darunter mehr als 20 unbegleitete Kinder und zwei Dutzend Eltern, die mit kleinen Kindern reisten, die von den oft brutalen Zurückdrängungen berichteten, teils erst im April 2023. Einige sagten, die kroatische Polizei habe sie Dutzende Male zurückgedrängt und ihre Asylanträge routinemäßig ignoriert. Andere Gruppen wie das Border Violence Monitoring Network (BVMN) oder das Geflüchtetenhilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) sind seit Jahren zu ähnlichen Ergebnissen gekommen.

EU finanziert Grenzschutz in Kroatien

Zwischen Januar 2020 und Dezember 2022 hat der Dänische Flüchtlingsrat fast 30.000 solcher Zurückweisungen – oft auch Pushbacks genannt – erfasst. Etwa 13 Prozent der im Jahr 2022 so dokumentierten Zurückschiebungen betrafen Kinder, allein oder mit ihren Familien. Afghanistan ist das häufigste Herkunftsland.

Alan Mitchell, CPT

„Pushbacks sind illegal, inakzeptabel und müssen aufhören“

„Die kroatische Regierung hat die Institutionen der Europäischen Union mit Ablenkungsmanövern und leeren Versprechungen hinters Licht geführt“, so Michael Garcia Bochenek, der Autor des HRW-Berichts. „Diese abscheulichen Menschenrechtsverletzungen – und die offizielle Heuchelei, die sie begünstigt – sollten ein Ende nehmen.“

Die EU finanziert den Grenzschutz in Kroatien mit erheblichen Summen. Ein von der EU finanzierter Grenzüberwachungsmechanismus, der 2021 eingerichtet wurde, sei „nicht unabhängig“, kritisiert HRW.

Kroatien bestreitet trotz erdrückender Beleg die Pushbacks bis heute. Eine Ausnahme war ein TV-Interview, das die kroatische Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović 2019 in der Schweiz gab. „Ich habe mich beim Innenminister, dem Polizeichef und den Polizisten vor Ort erkundigt, und sie haben mir versichert, dass sie keine übertriebene Gewalt anwenden. Natürlich ist ein bisschen Gewalt nötig, wenn sie Pushbacks durchführen“, sagte Grabar-Kitarović damals.

Deutsche Beamte als Grenzschützer in Kroatien

Hintergrund der kroatischen Praxis war lange die Anwärterschaft auf die Vollmitgliedschaft in die Schengen-Gemeinschaft, die Bewegungsfreiheit ohne Passkontrollen an den Landesgrenzen innerhalb der Europäischen Union (EU) ermöglicht. Für den Wegfall dieser Binnengrenzkontrollen mussten die Schengen-Innenminister überzeugt sein, dass ein Kandidat seine Grenzen effektiv sichert. Im Dezember 2022 war es nach neun Jahren so weit: Kroatien wurden volles Mitglied des Schengenraums.

Nach einer Erhebung der Nichtregierungsorganisation Border Violence Monitoring Network (BVMN) hat Deutschland von 2016 bis 2021 insgesamt 24 so genannte Ver­bin­dungs­be­am­t*in­nen für den Grenzschutz in Kroatien stationiert, dazu 129 Bun­des­po­li­zis­t*in­nen mit Mandat der EU-Grenzschutzagentur Frontex. 2,8 Millionen Euro flossen aus Deutschland an den kroatischen Grenzschutz in Form von Fahrzeugen, Wärmebildkameras und Überwachungstechnologie. 87 Seminare und Besuche wurden abgehalten – Gesamtkosten: 422.000 Euro. „Begünstigt wurden nachweislich auch solche Einheiten, die an gewaltsamen Pushbacks und Misshandlungen beteiligt sind“, so das BVMN.

Jenseits solcher Trainings hat Kroatien operative Einsätze der EU-Grenzschutzagentur Frontex auf seinen Territorium weitgehend abgelehnt – offensichtlich um ungestört an den Pushbacks festhalten zu können, die von der EU offiziell kritisiert und abgelehnt werden.

Ende März 2023 hatte der Europarat einmal mehr Pushbacks an den EU-Außengrenzen angeprangert und dabei ausdrücklich auch Kroatien kritisiert. Die Regierungen sollten „Mechanismen entwicklen, um jede Art von Misshandlung an den Grenzen zu verhindern“, erklärte der Vorsitzende des Anti-Folter-Komitees (CPT) der Straßburger Organisation, Alan Mitchell. „Pushbacks sind illegal, inakzeptabel und müssen aufhören“, fügte er hinzu. Das CPT forderte von den Staaten eine ordnungsgemäße Registrierung von ankommenden Migranten und die Möglichkeit für diese, Asyl zu beantragen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.