Islamistische Terrorgefahr: „Gefahr so hoch wie lange nicht“
Der Verfassungsschutz warnt vor Anschlägen: Der Nahostkrieg radikalisiere Einzeltäter. Nun wurden zwei junge Terrorverdächtige verhaftet.
Die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigte am Mittwochnachmittag, dass das Amtsgericht Leverkusen gegen den 15-Jährigen einen Haftbefehl erlassen hat, „wegen des Verdachts der Planung und Vorbereitung eines terroristisch motivierten Anschlages“.
Er habe mit dem 16-Jährigen aus Brandenburg eine Tat in Anlehnung an den IS vorgehabt: Der Plan sei gewesen, einen Kleinlaster mittels Brennstoff auf dem Weihnachtsmarkt Leverkusen explodieren zu lassen und damit Menschen zu töten. Dafür habe er auch bereits Benzin gekauft, das bei der Festnahme aber nicht gefunden wurde, so die Behörde. Im Anschluss hätten beide Jugendlichen geplant, zum afghanischen IS-Ableger „Provinz Khorasan“ auszureisen.
Laut WDR soll der 15-Jährige aber auch in einem Telegramvideo zum „Heiligen Krieg“ gegen den Westen aufgerufen und einen Anschlag in Deutschland am 1. Dezember angekündigt haben.
Auch IS und Al-Qaida dockten an Nahostkonflikt an
Am Donnerstagmorgen bestätigte auch die Staatsanwaltschaft Neuruppin, dass gegen den 16-Jährigen aus Ostprignitz-Ruppin wegen des gleichen Vorwurfs Haftbefehl erlassen wurde. Aufgrund des jugendlichen Alters wollten sich beide Behörde vorerst aber nicht weiter zu dem Fall äußern.
Der Fall zeigt, wie angespannt die Sicherheitslage momentan ist. Erst vor vier Wochen war in Duisburg ein 29-jähriger IS-Anhänger festgenommen worden, der einen Anschlag auf eine proisraelische Demonstration geplant haben soll.
Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, warnte am Mittwoch denn auch vor einer Anschlagsgefahr, die „so real und so hoch wie seit Langem nicht mehr“ sei. Es zeichne sich angesichts der Nahostkriegs „eine neue Qualität“ ab: Schon länger gebe es im dschihadistischen Spektrum Aufrufe zu Attentaten, zuletzt verstärkt etwa durch Koranverbrennungen in Schweden.
Er habe immer wieder betont, dass jeden Tag auch in Deutschland ein islamistischer Anschlag verübt werden könne, so Haldenwang. Nun dockten der IS und Al-Qaida auch noch an den Nahostkonflikt an. Diese Gefahr treffe auf Personen, die durch den Krieg „hoch emotionalisiert“ seien und sich durch „Trigger-Ereignisse“ inspirieren ließen. Die Gefahr durch radikalisierte Einzeltäter sei damit hoch.
Haldenwang sprach von einer „komplexen und angespannten Bedrohungslage“ durch parallele Krisen, die durch den Hamas-Terror gegen Israel verstärkt werde. Neben Islamisten würden auch deutsche und türkische Links- und Rechtsextremisten derzeit gegen Israel agitieren. Das gemeinsame Feindbild schaffe alte wie neue Verbindungen. Dazu komme eine „digitale Bilderflut in sozialen Medien“, oft gepaart mit Fake News, die zur Emotionalisierung und Radikalisierung beitrage.
Haldenwang versicherte, dass die Sicherheitsbehörden „mit Hochdruck“ daran arbeiteten, um Anschläge und Gefahren für Jüdinnen und Juden „zu durchkreuzen“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte zuletzt für die Hamas und deren Unterstützerverein Samidoun Betätigungsverbote in Deutschland erteilt und das Islamische Zentrum in Hamburg (IZH) durchsuchen lassen.
Auch BKA warnt vor Eskalation
Auch BKA-Präsident Holger Münch hatte zuletzt angesichts des Nahostkriegs gewarnt: „Das Eskalationspotential ist hoch.“ Seine Behörde zählt derzeit 486 islamistische Gefährder, denen die Sicherheitsbehörden Anschläge zutrauen – 90 von ihnen sind immerhin in Haft und 182 sollen sich im Ausland befinden. Der Rest befindet sich auf freiem Fuß.
Der Grünen-Innenpolitiker Konstantin von Notz erklärte, man müsse die erhöhte Anschlagsgefahr „sehr ernst nehmen“. Die Sicherheitsbehörden sollten dafür mit internationalen Partnern kooperieren. Auch der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle lobte, dass die Behörden „proaktiv“ auf die Gefahr aufmerksam machten.
Aktualisiert am 30.11.2023 um 11:25 Uhr. d. R.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf