Terrorpläne in Deutschland: Aussteiger re-radikalisiert sich

In Duisburg hat die Polizei einen vorbestraften Islamisten festgenommen. Er soll einen Anschlag auf eine pro-Israel-Demonstration geplant haben.

Drei vermummte Männer auf einem Garagenhof

Duisburg, 24.10.: Beamte stehen auf dem Hof des Hauses, in dem der Verdächtige festgenommen wurde Foto: Christoph Reichwein/dpa

BOCHUM taz | Nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden haben möglicherweise einen Terroranschlag auf eine pro-israelische Demonstration vereitelt. „Es besteht der Anfangsverdacht der Verabredung zu einem Verbrechen – Mord“, sagte der Sprecher der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf, Holger Heming, der taz. Zuvor hatten Spezialkräfte der Polizei am Dienstagabend eine Wohnung im Duisburger Dellviertel gestürmt und dabei einen 29-Jährigen verhaftet, der bereits wegen Mitgliedschaft in der Terrororganisation „Islamischer Staat“ vorbestraft ist.

Nicht offiziell bestätigen wollte Heming dagegen Medienberichte, wonach der Tarik S. genannte deutsche Staatsbürger mit einem LKW, auf den er einfachen Zugriff gehabt haben soll, in eine „israelische Veranstaltung“ fahren wollte. Noch werde beschlagnahmtes Material ausgewertet. „Erst danach ist klar, was wir als dringenden Tatverdacht bejahen können“, sagte der Oberstaatsanwalt.

Dennoch weckt das Szenario Erinnerungen an den Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Berreitscheidplatz im Dezember 2016. Dabei hatte der islamistische Attentäter Anis Amri einen Sattelzug in eine Menschenmenge gesteuert. 13 Menschen starben, mindestens 67 weitere wurden zum Teil schwerst verletzt.

Im aktuellen Fall seien Hinweise auf Tarik S. „im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit“ erfolgt, erklärte Staatsanwaltschafts-Sprecher Heming. Auch Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) bestätigte Informationen, wonach ein ausländischer Geheimdienst entscheidender Tippgeber war: „Wir haben das sehr ernst genommen“, sagte Reul. „Die internationale Zusammenarbeit funktioniert.“ Vor seiner Festnahme habe sich Tarik S. über Anschlagsziele „in Bezug auf pro-israelische Demos informiert“, erklärte der Minister. Nach bisherigem Kenntnisstand sei der Beschuldigte „Einzeltäter“.

Kampfname „Osama der Deutsche“

Auch von deutscher Seite sei Tarik S. „sehr engmaschig beobachtet“ worden, erfuhr die taz aus Sicherheitskreisen. „Er galt als Gefährder höchster Stufe“, heißt es. Schließlich war der ursprünglich aus der Region Bielefeld stammende Mann schon 2013 über die Türkei nach Syrien gereist, hatte sich dort dem „Islamischen Staat“ angeschlossen.

Unter dem dem Kampfnamen „Osama Al Almani“ (Osama der Deutsche) diente der damals erst 20-Jährige der Terrororganisation dort zunächst als Werbefigur. Mit einem Sturmgewehr ausgestattet warb er in IS-Videos für „das Märtyrertum“, rief bei Facebook zu Anschlägen auch in Deutschland auf. In einem weiteren Video posierte er neben der Leiche eines Enthaupteten.

Weil er sich unerlaubt von seiner Einheit entfernt haben soll, fiel er beim IS später aber in Ungnade und kehrte 2016 nach Deutschland zurück. Dort nahm ihn die Polizei bei seiner Einreise am Frankfurter Flughafen umgehend fest. 2017 wurde Tarik S. vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen seiner IS-Mitgliedschaft zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilt. Die Strafe wurde vollständig vollstreckt.

Der Anwalt des Beschuldigten, Mutlu Günal, der offenbar zunächst von einer Verwechselung ausgegangen war, betonte, Tarik S. habe erfolgreich an einem Aussteigerprogramm teilgenommen. Aus Sicherheitskreisen hieß es dazu, der Festgenommene habe zeitweise tatsächlich „als gefestigt“ gegolten. Nachdem ihm die Niederlande aber verweigert hätten, bei seiner dort wohnenden Frau und Tochter zu leben und er im Juni diesen Jahres auch noch seinen Job verloren habe, sei bei Tarik S. eine Re-Radikalisierung, ein „Rückfall in alte Muster“ beobachtet worden.

Am Mittwochnachmittag hat die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf erneut Haftbefehl gegen den Terrorverdächtigen beantragt. Ein Haftrichter folgte dem Antrag nur eine Stunde später. Rechtsanwalt Günal erklärte, er habe mittlerweile mit seinem Mandanten telefonieren können: „Er möchte sich derzeit auf mein Anraten schweigend verteidigen und steht für eine Vernehmung nicht zur Verfügung.“

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