Intrigen bei Hansa Rostock: Überall nur Krawallbrüder
Der Klubchef von Hansa Rostock will mit Hilfe eines Investors und der Ultras den Verein sanieren. Daraufhin wird er zum Rücktritt gezwungen.
Das Ostderby gegen Dynamo Dresden hat der F. C. Hansa Rostock am Samstag im eigenen Stadion mit 1:3 verloren. Dem ungeschlagenen Spitzenreiter der Dritten Liga bot Hansa zwar lange Paroli, doch am Ende fehlte es vor allem an der eigenen Durchschlagskraft. Immerhin: Anders als beim vorausgegangenen Heimspiel gegen Magdeburg blieb es auf den Rängen friedlich.
Doch das Geschehen im Ostseestadion ist in diesen Tagen beim noch immer gefühlten Bundesligisten zur Nebensache geworden. Aufgeführt wird stattdessen ein Stück voller Intrigen über die geplante Ausgliederung der Profiabteilung, einen strippenziehenden Investor, geleakte E-Mails, Strafanzeigen und Ultras, die angeblich kurz vor der Übernahme des Vereins stehen – zusammengefasst: ein Stück, an dessen Ende der Untergang des F. C. Hansa stehen könnte.
Eskaliert war die Situation am Donnerstag. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft die Geschäftsstelle des Klubs über Nacht verriegeln lassen, dann trat der seit Anfang 2013 amtierende Vorstandsvorsitzende Michael Dahlmann von seinem Amt zurück. Die Rostocker Bürgerschaftsabgeordnete Sybille Bachmann hatte ihn wegen Veruntreuung von Vereinsvermögen angezeigt, Hansas Aufsichtsratsvorsitzender Harald Ahrens hatte die Anschuldigungen in einem Interview mit der Ostsee-Zeitung gestützt.
Hintergrund der Auseinandersetzungen ist die geplante Überführung der Profiabteilung des Vereins in eine Kommanditgesellschaft auf Aktien. Dieser Schritt war notwendig geworden, als im Mai die Lizenzauflagen für die Saison nur durch einen Millionenkredit des Potsdamer Immobilienunternehmers Rolf Elgeti erfüllt werden konnten. Elgeti forderte im Gegenzug die Ausgliederung der Profiabteilung, um selbst 45 Prozent der Vereinsanteile übernehmen zu können; versprach aber darüber hinaus, sich nicht in die Vereinspolitik einmischen zu wollen.
Elgeti galt als Gönner
Die Besiegelung des Vereinsumbaus soll auf einer Mitgliederversammlung Anfang November erfolgen. Selbst die Ultras, die einen beträchtlichen Anteil der mehr als 10.000 Vereinsmitglieder ausmachen, haben ihre Zustimmung signalisiert. Auch deshalb, weil Elgeti, der seit Jahren Vereinsmitglied ist, vielen mehr als Gönner denn als skrupelloser Geschäftemacher erschien.
Um den zweiten Teil des Deals zwischen dem Verein und seinem „strategischen Investor“ ist jedoch der Streit entbrannt. Elgeti hat die Verbindlichkeiten von über 20 Millionen Euro, die die vereinseigene Stadiongesellschaft bei der Deutschen Kreditbank hatte, für 7,5 Millionen Euro übernommen. Ein angekündigter Forderungsverzicht sollte dem Klub eine langfristige Erleichterung der Schuldenlast bringen.
Vorwürfe von Ahrens und Bachmann legen aber nahe, dass sich Elgeti und Dahlmann auf einen Kreditvertrag von ebenfalls über 20 Millionen Euro geeinigt haben, in dem keinerlei Erleichterungen festgeschrieben sind – und das ohne Mandat und Kenntnis des Aufsichtsrats. Für Ahrens steht fest: Dahlmann sei es „ziemlich peinlich, wie er über den Tisch gezogen worden ist“. Überdies wirft Bachmann dem Investor vor, massiv Einfluss auf die Satzung der neuen Kommanditgesellschaft zu nehmen, dort etwa das Recht auf den Handel mit Grundstücken und die Beteiligung an Unternehmen festschreiben lasse.
Mit Rückhalt der Ultras
Der zurückgetretene Vorstandsvorsitzende Dahlmann dagegen bestreitet vehement, vereinsschädigend gehandelt zu haben. Und Elgeti versichert weiterhin, auf einen Teil der Forderungen zu verzichten; interveniert jedoch zunehmend in die Vereinspolitik. Wie die Bild-Zeitung berichtete, soll er dem Verein vor einiger Zeit einen Schuldenerlass von 8 Millionen Euro für eine Vertragsverlängerung mit Dahlmann angeboten haben. Die Offerte wurde durch Ahrens und Co. ausgeschlagen.
In einem Brief an die Vereinsmitglieder vom Donnerstag bekräftigt Elgeti seine Ankündigungen unabhängig von der Personalie Dahlmann: „Substanzielle Forderungsverzichte sind besprochen und können unmittelbar nach der Ausgliederung umgesetzt werden.“ Obendrein fordert er Ahrens zum Rücktritt auf und kündigt selbst seine Kandidatur für den Aufsichtsrat an.
Auf den Rückhalt der Ultras kann er sich verlassen. Mehrfach meldete sich Elgeti am Wochenende in einem Fanforum zu Wort, erläuterte seine Pläne und den Stand der Verhandlungen – und erntete dafür viel Zustimmung. Ein ebenso hohes Ansehen genießt Dahlmann, der einen intensiven Kontakt zu Vertretern der Fanszene pflegt. Das belegen interne Mails, die der NDR und die Ostsee-Zeitung kurz vor seinem Rücktritt veröffentlicht hatten. Aus ihnen geht hervor, wie Dahlmann bei Vertretern der Ultras um Rat fragte, mit welcher Strategie er in die nächste Aufsichtsratssitzung gehen solle. Der simple Tenor der Berichterstattung: Dahlman liefere den Verein an „Krawallbrüder“ aus (NDR).
Die aufgeführte Tragödie in Rostock kennt vorerst keine Helden. Leidtragender ist der Verein, der, wie jetzt bekannt wurde, auch in dieser Saison auf ein Minus von 3 Millionen Euro zusteuert. Der andauernde finanzielle Niedergang, der mit dem Engagement Elgetis beendet werden sollte, scheint nicht aufzuhalten zu sein. Jedenfalls nicht von den handelnden Akteuren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus