Ins Freibad in Corona-Zeiten: Schwimmer wollen schwimmen
Nimm, was du bekommst! Über Theorie und Praxis der Corona-Regeln für das Schwimmen in Berlin.
S eit einigen Wochen sind die Freibäder wieder offen. Nach monatelanger Schwimmabstinenz ist das für mich die erfreulichste aller „Lockerungsmaßnahmen“.
Schwimmer wollen schwimmen. Joggen oder Online-Yoga sind keine Alternativen. Natürlich gibt es bei den Berliner Bäderbetrieben ein Hygienekonzept, mit dem es sich vertraut zu machen gilt: Ich muss im Internet ein Ticket für ein bestimmtes Zeitfenster kaufen, es gibt keine Umkleiden, keine warmen Duschen, aber unter die kalten Außenduschen darf man – ohne Seife. Wertgegenstände soll ich zu Hause lassen, Sprungturm und Rutsche sind gesperrt und, und, und.
Aber was soll’s? Alte Corona-Regel: Nimm, was du bekommst. Ich buche eine Karte für ein Bad in Büronähe. Es ist traumhaft: Eintrittspreise niedriger als früher, kein Schlangestehen, freie Bahnen, massig Platz. Aber das Bad ist beliebt, und oft sind die Tickets für das Frühschwimmen (7–10 Uhr) schnell ausgebucht. Zum Glück gibt es Alternativen. Mittlerweile kann ich drei Bäder miteinander vergleichen. Sie könnten unterschiedlicher nicht sein.
Professionalität mit Freundlichkeit
Im büronahen Bad wird schnell das Ticket gescannt, begleitet von einem herzlichen „Viel Spaß!“. Es gibt mehrere Becken, auf die sich die wenigen Menschen gut verteilen. Am Beckenrand stehen mobile Umkleiden, Eingang und Ausgang sind deutlich gekennzeichnet, trotzdem passen freundliche Security-Menschen auf, dass man nichts verwechselt. Das reichhaltige Frühstücksangebot der Cafeteria wird intensiv genutzt. Professionalität gepaart mit Freundlichkeit sorgen für ein angenehm entspanntes Schwimmerlebnis.
Anders das Bad in meinem Kiez: Es hat dieselben Öffnungszeiten wie in den letzten Jahren auch: Erst um acht darf man rein. Das Corona-Zeitfenster geht trotzdem nur bis 10, um 9.30 muss man raus aus dem Becken. Diesen Timeslot kann man höchstens mit einem Homeoffice-Tag verbinden: Corona-Style total sozusagen. Am Eingang empfangen mich fünf bullige Security-Leute, die wirklich jedes Mal meinen Schwimmbeutel nach Glasflaschen und Messern abtasten. Am Kassenhäuschen plaudern die Angestellten beim Kaffee – gequält unterbrechen sie ihr Gespräch, um das Ticket zu scannen. Jedes Mal überlege ich, ob ich mich für die Störung entschuldigen sollte.
Im Bad selbst hat man nachlässig neonrote Pfeile aufs Pflaster gesprüht, um die Laufwege zu kennzeichnen. Mobile Umkleiden: Fehlanzeige. Am Beckenrand sitzen die restlichen Angestellen eng beieinander ins Gespräch vertieft, über ihnen weht die Deutschlandflagge. Einer hat die Schwimmer im Blick. Den Kiosk nimmt man vor allem wegen der lauten Radiomusik wahr. Es gibt Filterkaffee und Schokoriegel. Gäste sieht man selten. Ich fühle mich in diesem Bad jedes Mal wie ein störender Eindringling.
Das dritte Bad ist meine neueste Entdeckung: Es gibt eigentlich immer Tickets, und statt wie früher um 10 Uhr öffnet es jetzt bereits um 7. Man hat das Gefühl, ein hochwillkommener Gast zu sein. Heute lief das so: „Ich müsste einmal schauen, ob Sie Glas dabei haben. Haben Sie nicht, vorbildlich! Und jetzt viel Spaß beim Schwimmen und Tauchen.“
„Entschuldigung“
Alle Wege sind deutlich markiert, mobile Umkleiden gibt es auf den Liegewiesen. Das Wasser ist angenehm warm. Als ich nach der ersten Bahn wenden will, steht dort ein Bademeister. „Entschuldigung“, sagt er superhöflich. „Sie haben gerade jemanden überholt. Bitte achten Sie darauf, beim Überholen 1,50 Meter Abstand zu halten.“ Ich nicke reumütig. Beim Verlassen des Bads unterbricht der Security-Mann sein Telefonat, sieht mich an und wünscht „Tschüß, schönen Tag noch!“
Bei einer Radtour am Sonntag habe ich jetzt noch ein viertes Bad entdeckt: Man kann dort Eintrittskarten tatsächlich an der Kasse kaufen! Wie früher! Ich verrate aber nicht, wo das ist.
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