Inklusive Sprache in Medien: Intuition und Abwehr

Auch gesprochen wird in den Medien immer mehr gegendert. Warum das wichtig ist und wie das Publikum reagiert.

nebeneinander: Stern, Doppelpunkt, Unterstrich, I und ein Fragezeichen

Stern, Doppelpunkt, Unterstrich oder I? Unterschiedliche Präferenzen, ein Ziel: inklusive Sprache Foto: taz

„Ich erlebe Abwehr“

„Manchmal, gerade wenn Leute sich das ‚*innen‘ erst angewöhnen, kann es etwas unbeholfen wirken. Ich musste auch erst lernen, wie es am besten funktioniert. Manche Wörter habe ich anfangs geübt: Wie geht das am besten? Wie klingt es runder? Es kommt auch auf die Tagesform an. Wenn es mal mit dem ‚*innen‘ nicht funktioniert für mich, nehme ich eine andere Form: Etwa „Studierende', die Partizipialkonstruktion. Die Sprache ist gerade im Fluss, also kann man sich der Varianten bedienen, die zur Verfügung stehen. Man muss das trainieren, klar – damit es ohne Nachdenken kommt, auch live. Mittlerweile spreche ich aber ganz normal im Alltag so.

Der Deutschlandfunk ist ein eher konservativer Sender, unsere Hörenden im Schnitt eher älter und eher männlich. Ich erlebe da viele Abwehrreaktionen, auch unflätige. Menschen, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie zu sprechen haben, wollen es mir vorschreiben. Aber es gibt auch sehr viele Rückmeldungen von Menschen, die dankbar sind, weil sie sich erstmals wahrgenommen und sichtbar fühlen.

Das gute am Deutschlandfunk ist: Am Mikro bin ich selbst verantwortlich, auch wenn ich mich natürlich eng abstimme mit der Redaktion. Wenn ich auf Sendung bin, bin ich frei, das gilt auch fürs Gendern. Im Sender werde ich dafür auch kritisiert, viele finden es unnatürlich. Aber Kritik in der Redaktion ist normal, man ist ja auch in anderen Fragen mal uneins. Mir ist vor allem wichtig, dass sich Frauen und Personen, die sich außerhalb des Binären verordnen, angesprochen fühlen. Mittlerweile ziehen Kolleg*innen nach, was mich freut.

Ich finde es aber auch nicht schlimm, dass andere darauf nicht achten mögen. Es gibt ja auch viele Hörerinnen und Hörer, die es doof finden, wie ich spreche. Die finden sich dann bei jemand anderem besser wieder.“

*Ann-Kathrin Büüsker moderiert die Morgensendung im Deutschlandfunk.*

„Stolpern kann gut sein“

„Klar ist Gendern erst mal eine Umgewöhnung, aber wir haben uns ja auch irgendwann dran gewöhnt, nicht mehr in D-Mark zu bezahlen. Am Anfang stolpert man öfter, irgendwann fällt es gar nicht mehr auf. Ich bin noch in der Transitionsphase, am Ausprobieren, manchmal vergesse ich es auch einfach. Beim ZDF steht es mir frei, ob ich den Genderstern mitspreche. In der ‚aspekte‘-Redaktion sind manche Kolleg*innen dafür, manche dagegen.

In der geschriebenen gendersensiblen Sprache wird das große I, der Stern (*), der Unterstrich (_) oder der Doppelpunkt (:) eingesetzt – zwischen dem männlichen Wortstamm und dem weiblichen Suffix „innen“. Beim Sprechen tritt an diese Stelle der Kehlkopfknacklaut. Dieser Konsonant heißt auch „Glottisverschluss“, wird phonetisch „ʔ“ geschrieben – und ist wohl der deutscheste Stimmlaut. Der Knacklaut entsteht durch Verschluss der Stimmritze im Kehlkopf. Das Deutsche knackt ständig. An Wortanfängen wie „alt“, „in“ oder „und“, aber auch mitten im Wort wie bei „beeindrucken“. Beim inklusiven Sprechen wird geknackt („Zuschauerʔinnen“), damit man nicht die weibliche und männliche Form zugleich aufsagen muss. Oder damit alle Geschlechter mit angesprochen sind. Die Forschung legt nahe, dass inklusives Sprechen Stereotypen entgegenwirkt. So haben Forscher*innen der Freien Universität Berlin festgestellt, dass sich Grundschulkinder bestimmte Berufe eher dann selbst zutrauten, wenn diese gegendert vorgelesen wurden. (pwe)

Die Grundprämisse aber, dass Gleichberechtigung wünschenswert ist, teilen wir alle. Ich kann nachvollziehen, dass es schwerfällt, die ‚richtige Lösung‘ zu finden, jede hat Vor- und Nachteile. Aus meiner Sicht ist das Sternchen, gesprochen als kleine Pause, die plausibelste, auch wenn man drüber stolpert. Beziehungsweise kann gerade das Stolpern etwas Gutes sein, denn so kommt man ins Nachdenken.

Klar ist für mich persönlich: Nicht Gendern ist in jedem Fall die schlechteste Lösung. Die Reaktionen, die ich in den sozialen Netzwerken und per Mail bekomme, sind sehr unterschiedlich: Die einen packen die Bazooka aus und reden von ‚Genderwahn‘ und Diktatur. Eine zweite Gruppe, mindestens genauso groß, wundert sich – und stellt Fragen. Mit denen komme ich ins Gespräch. Das sind Menschen wie ich, die sich unsicher sind, was denn nun der richtige Weg ist. Die dritte Gruppe sendet Lob und freut sich, dass Menschen in der Öffentlichkeit das Thema nicht ignorieren.

In der Diskussion wird oft am Kern vorbeigeredet. Denn wenn man überzeugt ist, dass Diversität fruchtbar für die Gesellschaft ist, dann helfen keine Klagelieder über immer noch fehlende Gleichberechtigung. Dann muss man auch etwas anbieten. Und wenn man davon ausgeht, dass Sprache Denken formt, dann ist Gendern eine Sache, die langfristig vielleicht auch Strukturen verändern kann.“

*Jo Schück moderiert zusammen mit Katty Salié das ZDF-Kulturmagazin „aspekte“.*

„Wie Sprache Realität formt“

„Sprache konstruiert Realität. Das heißt: Sprache lässt Bilder in unseren Köpfen entstehen. Wenn Sprache nicht alle mitdenkt, dann reproduzieren wir bestehende Ungleichheiten und Machtverhältnisse. Das will ich nicht. Weil ich dieses Wissen habe und diese Diskurse kenne, sehe ich es als meine Verantwortung, inklusive Sprache zu verwenden. Warum gendern manche Menschen, die dementsprechend gebildet sind, nicht?

Beim gesprochenen Gendern lasse ich eine kurze Pause. Wie beim ausgeschriebenen Sternchen geht es darum, auf die Konstruktion von Geschlecht aufmerksam zu machen. Wenn wir beispielsweise von Schüler*innen sprechen, meinen wir alle, auch nicht-binäre Menschen. Manchmal rutscht mir dabei auch versehentlich die feminine Form raus. Mir passieren immer wieder solche Fehler, und ich bin dankbar, wenn ich darauf hingewiesen werde. Das alles ist ja ein Lernprozess!

Das Wissen über geschlechtersensible Sprache habe ich erst durch mein Studium erhalten. Damals fand ich diesen Gedanken super – ich glaube, weil ich als Schwarze Frau ja auf eine besondere Art erlebe, wie Sprache die Realität formt, hat die Funktion von geschlechtersensibler Sprache für mich schnell Sinn ergeben. Bis ich selbst gegendert gesprochen habe, vergingen aber noch ein, zwei Jahre.

Es hat Menschen gebraucht, die mir das vorgelebt und es zur Normalität gemacht haben – genau das wollen wir bei ‚Erklär mir mal‘ erreichen, besonders mit der Reichweite, die wir jetzt haben. Mir ist es dabei wichtig, ganz grundsätzlich nichtdiskriminierende Sprache zu verwenden. Das heißt: gegenderte Sprache, ja, aber immer auch antirassistische, generell antidiskriminierende Sprache. Wenn wir wissen, dass Sprache Ungleichheiten reproduziert: Warum nicht gleich so sprechen, dass alle mitgedacht werden?“

*Victoria Jeffries ist Produzentin beim Instagram-Kanal „Erklär mir mal“.*

„Das geht ganz intuitiv“

„Wir haben bei der ‚Lage der Nation‘ einen vergleichsweise hohen Frauenanteil unter den Hörer*innen. 40 Prozent laut unseren Umfragen. Schöner wäre zwar 50/50, aber wir vermuten, dass das für Podcasts, die sich nicht explizit an Frauen richten, ein ganz guter Wert ist. Umso wichtiger ist uns, dass wir die Hörerinnen auch adressieren, dass sie sich sprachlich bei uns wohlfühlen. Wir haben immer schon weibliche und männliche Formen nebeneinander gesprochen, also ‚Hörerinnen und Hörer‘, oder gemischt: ‚Beamtinnen und Polizisten‘.

Dass wir das Gendersternchen hörbar mitsprechen als kleinen Stopp, das ist neu. Die Reaktionen sind überwiegend positiv, aber wir werden auch immer wieder kritisiert. Vor allem aus zwei Perspektiven: von Sprachpuristen, die uns vorhalten, wir würden die Sprache verhunzen, und dann sind da die Gleichberechtigungsskeptiker, die darauf bestehen, dass alle in der männlichen Form mitgemeint seien.

In der Tat finde ich das gesprochene Sternchen akustisch gewöhnungsbedürftig, ich verspüre da ein ästhetisches Unwohlsein. Deswegen mischen wir weiterhin die Varianten des Genderns. Mal mit gesprochenem Stern, mal nebeneinander, mal gemischt. Damit es nicht eintönig oder zwanghaft wird. Was mir hingegen nicht schwerfällt ist, daran zu denken. Das geht inzwischen ganz intuitiv.

Gendern sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Wir sollten alle Menschen sprachlich benennen, die gemeint sind. Es kann nicht sein, dass man nur von Männern spricht, wenn alle gemeint sind. Sprache prägt das Bewusstsein. Wir wollen einen Beitrag dazu leisten, alle Menschen hörbar zu machen, wahrnehmbar. Das schließt auch nicht-binäre Menschen mit ein. Die zu erheben haben wir in unserer Umfrage damals übrigens versäumt, das machen wir beim nächsten Mal besser.“

*Ulf Buermeyer moderiert zusammen mit Philip Banse den Politik­pod­cast „Lage der Nation“.*

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