Initiative „Die wahre SPD“: Aufstand der Altgedienten
In NRW wollen einige Sozialdemokraten verhindern, dass der Juso-Chef Kevin Kühnert zum Parteichef oder Kanzlerkandidaten aufsteigt.
„Wir müssen uns das Spielfeld offenhalten, dürfen nicht nur über Linksaußen kommen“, sagte Groschek der taz – „dort drängen sich schon andere.“ Die SPD müsse „regierungsfähig“ bleiben, dürfe ihre „Wirtschaftskompetenz nicht vernachlässigen“, mahnt der Exlandesvorsitzende. Noch deutlicher wird der wie Groschek aus Oberhausen stammende Initiator der „Wahren SPD“, Hartmut Schmidt: „Wir sind keine Verstaatlichungspartei und wollen keine Linkspartei 2.0 sein“, sagte er den Zeitungen der WAZ-Gruppe.
Schmidt, der seit 38 Jahren Genosse ist und bis 2006 den Unterbezirk Oberhausen geleitet hat, macht damit Front gegen Jusochef Kevin Kühnert. Der hatte Anfang Mai im Interview mit der Zeit über eine mögliche Vergesellschaftung von Großunternehmen wie BMW nachgedacht: Der Autobauer gehört zu 47 Prozent den superreichen Firmenerben Susanne Klatten und Stefan Quandt, deren Vermögen auf zusammen 34 Milliarden Euro geschätzt wird. Erst kürzlich kassierten die beiden eine Dividende von 1,1 Milliarden Euro.
Kühnert gilt wegen des offensichtlichen Personalmangels der Sozialdemokraten nach dem Abgang von Parteichefin Andrea Nahles als möglicher Vorsitzender – und ziert als denkbarer Kanzlerkandidat sogar den aktuellen Spiegel-Titel. Für viele traditionell denkende Genossen offenbar ein Albtraum.
Brief an die kommissarischen SPD-Vorsitzenden
Die amtierende Parteiführung der nordrhein-westfälischen SPD reagierte betont gelassen auf die Initiative der Altgedienten. Groschek und seine Unterstützer sorgten sich eben vor einer Verkürzung der Debatte auf die Stichworte „Kühnert“ und „Enteignung“, war aus Düsseldorf zu hören. „Gerade konservative Medien sind dann schnell beim Sozialismus und der DDR – und das ist tödlich.“
Dabei kann die Gründung der „Wahren SPD“ auch als massive Kritik am amtierenden NRW-Landesparteichef Sebastian Hartmann und Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty verstanden werden: Beide rangeln zwar noch um die Rolle als Nummer 1 im Landesverband. Dennoch wollen beide die Partei deutlich sozialer aufstellen. Zumindest formal müsse das Label „Hartz IV“ verschwinden, glauben sie – sonst drohe der in Umfragen auf 12 Prozent abgestürzten SPD ein weiterer Niedergang.
In einem Brief an die drei kommissarischen Vorsitzenden der Bundespartei, Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel, hatte auch der Landesvorstand der NRW-SPD ein deutlich sozialeres Profil angemahnt. Wie im schon im „Sozialstaatskonzept“ der Bundespartei im Februar gefordert müsse die SPD „Hartz IV zugunsten einer Arbeitsversicherung und einer bedarfsgerechten Grundsicherung abschaffen“. Außerdem fordern die NRW-Genossen eine Digital- und Finanztransaktionssteuer, effektive Steuern auf „sehr hohe Einkommen“ und „besonders hohe Erbschaften“ sowie eine „echte Stunde null für die kommunalen Altschulden“.
„Kein Wischiwaschi, sondern mehr „Rot pur“
Nur so könne die Sozialdemokratie ihre „massiv verlorenen gegangene Glaubwürdigkeit wiedergewinnen“, heißt es in dem Papier. Die SPD habe den „sozialen Fortschritt“ aus „den Augen verloren“ und auf einen „falschen Glauben an den Markt“ gesetzt, so die bittere Analyse. Auf dem Bundesparteitag im Dezember in Berlin müsse deshalb die Groko „evaluiert“ werden. Außerdem soll es eine Mitgliederbefragung zur künftigen Parteiführung geben. Unterschrieben haben nicht nur Parteilinke wie der Landesvize und Ex-Juso-Chef Veith Lemmen, sondern auch Vertreter des rechten Flügels wie Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link.
„Wir brauchen kein Wischiwaschi, sondern mehr Rot pur“, sagt deshalb NRW-Parteichef Sebastian Hartmann. Allerdings: „Rot pur“ fordern auch Groschek und seine „Wahre SPD“. Von der „Abschaffung“ von Hartz IV etwa will der ehemalige Landesparteichef trotzdem nicht reden, spricht lieber von „weiterentwickeln“ und „nachjustieren“. Außerdem wirbt der frühere Minister, der bei einer SPD-Konferenz am Samstag ausgerechnet in seiner Heimatstadt Oberhausen harte Kritik an seiner Initiative einstecken musste, schon heute für das Weiterregieren mit CDU und CSU.
„Wir können das Leben der Menschen nur verbessern, wenn wir regieren. Wenn wir opponieren, ist Pause“, glaubt Groschek – und gönnt sich noch eine Spitze gegen Kühnert: Mit 12 Prozent sei die SPD in einer „existenziellen Lage“, die keinen Platz für verengte Personaldiskussionen und „Titelblatt-Inszenierungen“ wie auf dem Spiegel-Cover lasse. All das ähnele dem einstigen Hype um den gescheiterten SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, sagte Groschek der taz: „Ich erinnere an die schmerzhafte Entwicklung von Sankt Martin.“
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