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Inflation in SpanienVon Madrid lernen

Reiner Wandler
Kommentar von Reiner Wandler

In Spanien ist die Inflationsrate leicht rückläufig. Das geht auf das Konto von Premier Sánchez – der beherzt zu mutigen Maßnahmen griff.

Die extreme Teuerung vorerst gestoppt: Einkaufswagen vor einem Supermarkt im spanischen Rondo Foto: Jon Nazca/reuters

M utige Politik zahlt sich aus. Die Zögerlichen bestraft das Leben. Beweis sind die Inflationsraten in der EU. Spanien ist das einzige große EU-Land, dem es in den letzten Monaten gelungen ist, die Inflation zu mäßigen. Lag die Teuerungsrate im Juli noch auf einem Rekordwert von 10,8 Prozent, sind es jetzt nur noch 7,3 Prozent. Für das gesamte Jahr wird eine Inflationsrate von 8,8 Prozent erwartet.

Bei allen anderen Großen, wie Frankreich, Italien und allen voran Deutschland, ist die Tendenz gegenteilig. So verzeichnet Berlin im Oktober 11,6 Prozent und liegt damit deutlich über dem EU-Schnitt von 10,7 Prozent – dem Rekordwert, seit der Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine die Märkte durcheinandergebracht hat.

Das Geheimnis ihres Erfolgs ist, dass die spanische Linksregierung handelt. Statt Geld an alle zu verteilen, das dann wie ein Tropfen auf dem heißen Stein an der Supermarktkasse verpufft, greift Ministerpräsident Pedro Sánchez in die Strukturen einzelner Märkte ein. Neben gezielten Mehrwertsteuer­senkungen für Energie deckelte er den Gaspreis bei der Stromerzeugung und senkte damit die Rechnung der Haushalte im Durchschnitt um gut 20 Prozent.

Der Gaspreis wurde jetzt rechtzeitig zum Winter ebenfalls gedeckelt. Und es gibt neben kostenlosen Pendlertickets zusätzlich noch 20 Cent Rabatt auf den Treibstoff an der Tankstelle. Das ist zweifellos umstritten, aber dass die Preise für den Transport etwa von Lebensmitteln nicht durch die Decke ­gehen, ist wichtiger als eine Erhöhung von Kindergeld oder irgendwelche Einmalzahlungen.

Wenn Anfang kommenden Jahres, so die Ampel sich einig wird, endlich auch in Deutschland Strom und Gaspreise ausgebremst werden, wird Spanien bereits in die zweite Runde gehen. Die Maßnahmen werden verlängert oder angepasst. Gegenfinanziert wird das Ganze zum Teil durch gezielte neue Steuern. So werden Banken und Energieversorger mit einer Übergewinnsteuer zur Kasse gebeten. Auch dafür bedarf es Mut, den nicht jeder aufzubringen wagt.

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Reiner Wandler
Auslandskorrespondent Spanien
Reiner Wandler wurde 1963 in Haueneberstein, einem Dorf, das heute zum heilen Weltstädtchen Baden-Baden gehört, geboren. Dort machte er während der Gymnasialzeit seine ersten Gehversuche im Journalismus als Redakteur einer alternativen Stadtzeitung, sowie als freier Autor verschiedener alternativen Publikationen. Nach dem Abitur zog es ihn in eine rauere aber auch ehrlichere Stadt, nach Mannheim. Hier machte er eine Lehre als Maschinenschlosser, bevor er ein Studium in Spanisch und Politikwissenschaften aufnahm. 1992 kam er mit einem Stipendium nach Madrid. Ein halbes Jahr später schickte er seinen ersten Korrespondentenbericht nach Berlin. 1996 weitete sich das Berichtsgebiet auf die Länder Nordafrikas sowie Richtung Portugal aus.
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8 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Wie deckelt man denn den Gaspreis? Durch neue Staatsverschuldung, die am Ende aus der Druckpresse der EZB bezahlt wird? Klingt wie ein volkswirtschaftlichen Perpetuum -mobile, was die Inflation nur kurzzeitig verzögert, dann der nächsten Generation aber um so heftiger auf die Füße fällt (?) Die Trickkiste der Linken ist kaum besser als die der Marktliberalen. Oder verstehe ich die SubventionsKreisläufe nur nicht richtig?

    • @Martin L.:

      Richtig, lesen Sie einfach mal den ganzen Artikel!

  • Steuersenkungen als linke Politik... Abenteuerlich.

  • Ich gehe mit dem Artikel d'accord. Das Agieren der Sozialdemokraten und Grünen ist ihrer postulierten Ausrichtung nach (die man natürlich seit Jahren nicht mehr ernst nimmt, aber auf dem Papier steht die nun mal) unwürdig, inkonsistent und phlegmatisch. Ich bin ja selber eher ein Marktliberaler, sozialdemokratisch ist das aber nicht:D Die Inflation haben wir jetzt, also braucht es jetzt Entlastungen bei den Inflationstreibern.

  • Im Juli lag die Inflationsrate in Spanien bei 10,8 %, in Deutschland hingegen bei 7,5 %. Aus Monatszahlen irgendeine Wirkung herleiten zu wollen, scheint mir da irgendwie falsch.

  • Da könnte sich Olaf vom seinem Kumpel Pedro mal was abgucken

    • @Klaus Waldhans:

      Das mit der Spritsubvention bitte nicht.

  • Nun ja, die haben auch keine Blockade FDP in ihren Reihen….