Immobilienboom in den Großstädten: Maklers Freud', Käufers Leid
Die Preisexplosion macht den Immobilienerwerb zum Gebührenirrsinn. Niedrigere Maklerprovisionen könnten zur Entlastung führen.
Weil die Maklerprovision prozentual mit den Immobilienpreisen steigt, verdient sich die Branche krumm und dämlich. Noch sind die Bauzinsen wegen der niedrigen Leitzinsen der Europäischen Zentralbank auf einem historischen Tiefstand. Die Tendenz dreht sich, weil ab Herbst, so kündigt es die EZB an, die Politik des billigen Geldes allmählich vorbei sein wird. Die Folge: In den Metropolen in Deutschland und im S-Bahn-Speckgürtel herrscht Ausverkauf.
Die Arbeit eines Immobilienmaklers sieht so aus: Anzeige ins Netz stellen, Bewerber durch das Objekt führen, verkaufen, sechs Prozent des Kaufpreises kassieren. Das ist in Berlin die maximal zulässige Provision, in anderen Bundesländer variiert der Satz. Macht bei einer 4-Zimmer-Wohnung für stadtübliche 400.000 Euro satte 24.000 Euro Provision, plus Mehrwertsteuer. Für wie viel Arbeit noch mal?
Hört man sich in Berlin bei Immobilienfinanzierern um, will sich zwar niemand zitieren lassen, aber die Geschichten ähneln sich: Makler verdienen sich gerade eine goldenen Nase, viele sind Quereinsteiger. Stellt sich die Frage, warum die Politik die Sache nicht regelt? Warum werden die Provisionen nicht gedeckelt? Die Antwort darauf ist relativ simpel: Das Problem ist kein Thema. Im Bundestag gibt es selbst in der Opposition keine Initiative zum Thema Maklerprovisionen. Niemand wagt die politische Debatte. Die Große Koalition will stattdessen noch in diesem Jahr ein Baukindergeld einführen, Familien sollen pro Kind zehn Jahre 1.200 Euro per annum erhalten, wenn sie ein Eigenheim bauen. In Ballungsräumen bringt das nichts, weil die Förderung nur erhält, wer baut, nicht, wer eine bestehende Immobilie kauft. In diesem Fall könnten niedrigere Maklerprovisionen sofort für Entlastung sorgen.
In Berlin, sagt die SPD-Abgeordnete Iris Spranger, war das bisher kein Thema: „Wir haben uns hier zuerst um die Mieter gekümmert.“ Die müssen seit 2015 keine Maklercourtagen mehr zahlen. Das Thema Provisionen beim Wohnungsverkauf habe man schlicht nicht auf dem Schirm gesagt, gibt Spranger ehrlich zu.
Ähnlich sieht es bei einer zweiten Belastung aus: Die Grunderwerbssteuer, die man einmalig zahlt, wenn man eine Wohnung kauft, ist auch Ländersache. Auch sie wird prozentual auf den Kaufpreis einer Immobilie erhoben, in Bayern liegt sie bei 3,5 Prozent, in Berlin bei 6 Prozent. Doch trotz der enorm steigenden Immobilienpreise senken die Länder die Steuern nicht. Ergebnis: Sie nahmen heute mit 13,1 Milliarden Euro mehr als das Doppelte aus dieser Steuer ein als noch 2006. Wer in Berlin eine Wohnung für 400.000 Euro kaufen will, der zahlt 15 Prozent an Makler und Stadt – 60.000 Euro lösen sich in nichts auf.
Immerhin könnte das Urteil des Bundesverfassungsgericht jetzt in Sachen Grundsteuer (also die, die man jährlich zahlt, wenn man eine Immobilie besitzt) zumindest Mieter entlasten. In Berlin sind sowohl Finanzsenator Kollatz-Ahnen als auch der Berliner Mieterverein froh, dass die Bemessungsgrundlagen angeglichen und die Grundsteuer angepasst werden sollen. Die „Veränderungen werden die Steuer insgesamt gerechter machen“, so Kollatz-Ahnen. Die Grundsteuer, die bisher als Betriebskosten deklariert wird, soll nicht mehr an die Mieter weitergereicht werden, sondern zur Einkommenssteuer gezählt werden, fordert der Berliner Mieterverein. Das wäre eine echte Entlastung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Eine Chauffeurin erzählt
„Du überholst mich nicht“
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
SPD im Vorwahlkampf
Warten auf Herrn Merz
Kompromiss oder Konfrontation?
Flexible Mehrheiten werden nötiger, das ist vielleicht gut