Immer schön nach Osten gucken: So isser, der Alman
Der „Spiegel“ warnt vorm Nazi-Ossi – und hat die Wessis auf seiner Seite. Doch auch im idyllischen Schwarzwald wird gepöbelt und gehetzt.
E s gibt viele Legenden über den Osten Deutschlands, viele Wahrheiten, viele Projektionen. Ein Bekannter etwa erzählte mir, wie er auf seinen jährlichen Autofahrten zwischen Bochum und Berlin tunlichst vermied, nach Braunschweig noch mal das Auto zu verlassen, bevor er in der Hauptstadt ankam – um unerfreulichen Begegnungen und rassistischen Kommentaren an Raststätten aus dem Weg zu gehen.
Ein anderer Freund erzählt, dass man ihn in Dresden in einem Café nicht bedient habe und in Chemnitz ihm migrantisch aussehende Personen davon abrieten, um eine bestimmte Uhrzeit in eine bestimmte Richtung zu spazieren.
Ich bin sicher, dass all diese Geschichten stimmen, ich selbst bin äußerst vorsichtig, wenn ich in Ostdeutschland unterwegs bin. Zahlreiche Übergriffe in den vergangenen Jahren auf Geflüchtete und People of Color geben Grund zur Sorge. Gleichzeitig aber glaube ich, dass viele meiner Vorbehalte auch damit zu tun haben, dass ich in Westdeutschland sozialisiert bin, wo man das Bild des unzivilisierten Ostens besonders gern zeichnet.
An diese Tradition knüpft der Spiegel nun an: Eine Woche vor den Wahlen in Sachsen und Brandenburg, wo die AfD laut Umfragen mit Höchstwerten rechnen darf, zeigt das Nachrichtenmagazin den berüchtigten Fischerhut in Schwarz-Rot-Gold mit der Schlagzeile: „So isser, der Ossi.“
Schön bequem, Westdeutschland
Klar, es ist eine bewusste Provokation, mit der gerade dieses elitäre Wessi-Blatt gern spielt, vor genau einem Jahr etwa, als die Schlagzeile „Sachsen“ halb in Frakturschrift über den Titel lief. Vor allem aber zeigen diese sich wiederholenden Vergewisserungen über den Nazi-Osten eins: wie unreflektiert Westdeutschland auf sich selbst blickt.
Ich wurde auch schon in einem Restaurant nicht bedient und regelrecht rausgeekelt. Das war aber nicht in Bautzen, sondern im idyllischen Südschwarzwald. Freund*innen von mir wurden bespuckt, angepöbelt, zusammengetreten von rassistischen und queerfeindlichen Tätern in den westlichen Metropolen dieses Landes, Passant*innen liefen vorbei, sahen weg.
Es gibt Orte wie das bayrische Deggendorf, das württembergische Heilbronn, das westfälische Gelsenkirchen, die nicht im Osten liegen und trotzdem AfD–Hochburgen sind. Wie kommt es also, dass die Popularität dieser von Wessis geführten Partei allein auf das vermeintlich undemokratische Wesen Ostdeutschlands zurückgeführt wird? Es ist zu bequem, ein gesamtdeutsches Problem auf den Osten abzuwälzen, und es ist auch äußerst gefährlich.
Denn während die alltäglichen und institutionalisierten Rassismen im Westen des Landes dadurch kleingeredet werden, passiert noch etwas anderes: Engagierte Leute, die tagtäglich in Ostdeutschland um eine gerechtere Gesellschaft kämpfen, werden unsichtbar gemacht. Und so gibt es wieder mal nur Schwarz und Weiß, nur Westen und Osten, nur Gut und Böse. Aber hey, was weiß er schon von Selbstkritik und Reflexion. So isser, der Alman.
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