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Illegale Einschleusung von LeiharbeiternGroßrazzia in Fleischbranche

Mit rund 800 Beamt:innen ging die Polizei am Mittwochmorgen gegen mehrere Zeitarbeitsfirmen vor. Sie sollen illegal Arbeitskräfte ins Land geholt haben.

Deutsche Schlachtfirmen sollen illegal Arbeiter*innen ins Land geholt haben Foto: Ronald Wittek/dpa

Weißenfels afp/dpa | Wegen mutmaßlicher illegaler Einschleusung von Arbeitskräften für die Fleischbranche hat die Bundespolizei eine Großrazzia in fünf Bundesländern ausgeführt. Die Razzia begann am Mittwoch in den frühen Morgenstunden und dauerte einige Stunden später noch an, wie ein Sprecher der Bundespolizei-Sektion für Mitteldeutschland der Nachrichtenagentur afp sagte. Rund 800 Beamt:innen seien im Einsatz.

Der Schwerpunkt der Razzia lag nach Angaben des Sprechers in Sachsen-Anhalt, Durchsuchungen fanden demnach auch in Sachsen, Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen statt. Die Razzia war dem Sprecher zufolge nicht auf die Fleischindustrie beschränkt, konzentrierte sich jedoch „überwiegend“ auf diese Branche. Beschuldigt sind laut Bundespolizei zwei Firmen, die unabhängig voneinander, aber nach demselben Muster vorgehen sollen.

Die Ermittlungen richteten sich gegen zehn Hauptbeschuldigte im Alter von 41 bis 56 Jahren. Deutschlands größter Fleischkonzern Tönnies ist nach eigenen Angaben nicht von der Razzia betroffen.

Bei der Razzia gehe es darum, hinsichtlich der illegalen Beschäftigung von Leiharbeitern ein „Dunkelfeld aufzuhellen“, sage der Sprecher. Hintergrund der Razzia ist nach seinen Angaben, dass die Bundespolizei bei ihren Kontrollen an Grenzübergängen und Bahnhöfen über die Zeit hinweg eine große Zahl von Reisenden mit falschen Dokumenten angehalten hatte. Daraufhin sei eine Sonderkommission zur Einschleusung von Leiharbeitern eingerichtet worden.

Die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie sind im Zuge der Corona-Krise stark in die Kritik geraten. In der Branche gab es eine Serie von Ausbrüchen des neuartigen Erregers, was Kritiker auf die Arbeitsbedingungen sowie die Unterbringung vieler Beschäftigter in beengten Gemeinschaftsunterkünften zurückführen. In den Schlachtbetrieben sind viele Osteuropäer tätig, die von Subunternehmen beschäftigt werden.

Die Bundesregierung brachte als Reaktion auf die Coronavirus-Ausbrüche einen Gesetzentwurf für Reformen in der Fleischindustrie auf den Weg. Der Entwurf sieht vor, dass Großschlachthöfe bei der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine von Partnerfirmen beschäftigten Arbeiter mehr einsetzen dürfen, sondern nur eigenes Personal. Auch die Unterbringung von Schlachthofmitarbeitern soll verbessert und die behördlichen Kontrollen in den Betrieben erhöht werden. Die Regelungen sollen zum 1. Januar in Kraft treten.

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10 Kommentare

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  • Straffreiheit und Lohnausgleich für alle migrantischen Arbeiter_innen!

  • Mich wundert nur, dass diese "kriminellen Spielchen" so selbstverständlich weiter laufen als hätte es diesbezüglich - in den letzten Monaten - keine Skandale gegeben. Wie man sieht sind die Behörden sensibilisiert.

    • @Thomas Brunst:

      In der Tat, das ist schon ziemlich dreist. Aber eventuell ist in diesen Unternehmen die ganze wirtschaftliche Planung auf diese Billiglöhner ausgelegt. Und wenn rauskommen sollte, dass die Firmen die gefälschten Dokumente beschafft/bezahlt haben, dann sind das nicht nur kriminelle "Spielchen".

  • Dann seid konsequent, steckt die Verantwortlichen in den Knast und zieht das Vermögen dieser "Firmen" ein. Die Betrieb kann ja gern ein anderer Eigentümer weiterführen, der sich dann an die Regeln hält.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Deutsche Schlachtfirmen sollen illegal Arbeiter*innen ins Land geholt haben"

    Der deutsche Staat hat dies doch befördert.



    Die Massentierhaltung und der Export von Fleisch und die damit einhergehende Umweltbelastung muss endlich stark reduziert werden.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Bitte erläutern Sie genauer, wie der Staat dieses Treiben befördert hat. Indem er und andere europäische Staaten die Arbeitnehmerfreizügigkeit ermöglichten? Indem er seine Grenzen zu schwach kontrolliert? Oder meinen Sie, weil er bisher nichts unternommen hat, obwohl er Bescheid hätte wissen sollen/können?

      Ich für meinen Teil bin positiv überrascht von diesen Razzien. Man darf aber auf die Strafen gespannt sein, ich fürchte die werden sich in Grenzen halten.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Fabian Wetzel:

        Es geht doch schon mit der Massentierhaltung und dem Fleischexport los. Da agiert das Landwirtschaftsministerium gegen das Umweltministerium.



        Massentierhaltung wie auch riesige Monokulturen verursacht generell Umweltprobleme!!! Das weiß mittlerweile jedes Schulkind.

        Seit Jahren wird der erste Grudwasserleiter hauptsächlich durch die Bauern versaut - das weiß die Regierung. Die Umweltstraftaten, wenn sie überhaupt frühzeitig entdeckt werden, werden nicht in ausreichender Höhe bestraft!



        Ansonsten würden die Bauern ihre Überdüngung schon längst eingestellt haben oder den Mist teuer entsorgen müssen oder bereits pleite sein.

        Die Produktion von Gütern mit den billigsten Arbeitskräften, den geringsten Auflagen und miserablen Unterkünften gehört hier doch zum System.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Das sehe ich auch so. Die Massentierhaltung und die Überproduktion von Fleisch muss aufhören. Da sind auch die Verbraucher gefragt. Sie sollten viel weniger Fleisch kaufen, verzehren bzw. am besten ganz darauf verzichten.

      • 1G
        17900 (Profil gelöscht)
        @Tine Winkler:

        Die Erkenntnis ist nicht neu!

        „Nichts wird die Chancen für ein Überleben auf der Erde so steigern wie der Schritt zu einer vegetarischen Ernährung.“ — Albert Einstein

        Ich bin auch kein 100%iger Vegetarier aber ich arbeite daran.

      • @Tine Winkler:

        Wahrscheinlich ist dies wirklich mal eine Notwenigkeit und mal wieder ein Punkt gegen das viel zu beliebte "weiter wie bisher"