Identitäre in Österreich: Regierung prüft Verbot
Die Spende des Christchurch-Attentäters an den Identitären-Chef bringt ÖVP und FPÖ in ein Dilemma. FPÖ-Vize-Kanzler Strache wiegelt ab.
Wenn es um Sympathiebekundungen und Querverbindungen geht, ist sein Koalitionspartner FPÖ Teil dieser Netzwerke. Aber Vizekanzler Heinz-Christian Strache zuckte nicht mit der Wimper, als Kurz „die Bestrafung aller, die sich etwas haben zuschulden kommen lassen“ versprach und prüfen will, „ob eine Auflösung der Identitären hier möglich ist“.
„Die Freiheitliche Partei hat mit den Identitären nichts zu tun“, versuchte versicherte Strache treuherzig. Dass er unter anderem ein Werbevideo des rechtsextremen Vereins auf seine Facebook-Seite gestellt und den „friedlichen Aktionismus“ der „nichtlinken“ Bewegung gelobt hatte, erklärte Strache mit „der Bewertungsgrundlage im Jahr 2016“.
Es habe sich offensichtlich um eine Jugendbewegung als Gegenkultur zur politischen Linken gehandelt. Jetzt, ganz Staatsmann, sucht Strache größtmögliche Distanz: „Wer den Rechtsstaat nicht lebt, der hat auch mit Konsequenzen zu rechnen.“
Kampf gegen Political Correctness
Ähnlich argumentierten die FPÖ-Vertreter bei einer Sondersitzung des Nationalrats am Donnerstag. Während die Abgeordneten der Opposition vorwurfsvoll auf die zahlreichen dokumentierten Beziehungen der Regierungspartei zu den Identitären verwiesen, übten sich die FPÖ-Vertreter in Ablenkung. Die wahre Bedrohung in Österreich gehe vom militanten Islam aus, nicht von Rechtsextremen.
Die Jetzt-Abgeordnete Alma Zadic hielt Innenminister Herbert Kickl vor, er sei 2017 als „Star-Redner“ auf dem rechtsextremen Kongress der „Verteidiger Europas“, aufgetreten und zitierte, er habe sich dort „unter Gleichgesinnten“ gefühlt. Kickl verharmloste das Treffen. Es sei um den Kampf gegen Political Correctness gegangen.
Stephanie Krisper von den NEOS, hält die Ankündigung von Kanzler Kurz für Blendwerk: „Gute Schlagzeilen, das beherrscht der Bundeskanzler“. Er solle sich besser „substantiell mit Rechtsextremen auseinandersetzen“.
Brenton Tarrant, der im neuseeländischen Christchurch 50 Muslime beim Freitagsgebet niedermetzelt hatte, hatte Martin Sellner, dem Chef der österreichischen Identitären, vergangenen Herbst rund 1500 Euro als Spende überwiesen. Die Annahme dieser Spende, da sind sich die Juristen einig, erfüllt keinen strafrechtlichen Tatbestand.
Erhebliche Einschüchterung
Zu klären bleibt, ob der Attentäter bei seinen Besuchen in Österreich im vergangenen Jahr auch Kontakt zu gleichgesinnten Gruppen aufgenommen hat. Sellner bestreitet das für seinen Verein.
Für die Auflösung eines Vereins ist das Innenministerium zuständig. Mehrere Versuche, die Identitären für ihre Störaktionen, die mit erheblicher Einschüchterung einher gingen, gerichtlich zu belangen, endeten mit Freisprüchen.
Ein Verbot der Gruppe sei daher problematisch, wie Vereinsrechtsexperte Maximilian Kralik am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal erklärte. Da die Vereinigungsfreiheit in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert sei und in Österreich Verfassungsrang habe, sei „jeder Eingriff in die Vereinigungsfreiheit gleichzeitig auch ein Grundrechtseingriff“. Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer meint, man könne allenfalls prüfen, ob die Identitären durch ihr Auftreten oder den Kontakt mit Neonazis gegen das Verbotsgesetz verstoßen haben.
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