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Ideen von cis MännernHosentaschen für andere

Cis Männer denken vieles nicht zu Ende – ob bei Hosentaschen, Spielplätzen oder Brückengeländern. Das zeigt sich auch in Sachen Arbeitszeit.

Bietet Platz für Action-Figuren, Sand und Dreck: die kindliche Hosentasche Foto: Marion Barat/plainpicture

E s gibt Dinge, die können nur cis Männern einfallen. Hosen ohne Taschen zum Beispiel. Vor allem zu finden in Frauenabteilungen. Selbst der Vierjährige hat Taschen an seinen Hosen. Auch das kann nur einem cis Mann einfallen. Wozu brauchen Kinder Hosentaschen? Eine rhetorische Frage, jeder weiß, dass Kinder Hosentaschen für Dreck, Steine und Kastanien brauchen. Aber wohin mit meinen Steinen und Kastanien? Wohin mit meinem Dreck?

Jedes Mal, wenn ich Kinderhosen vom Wäscheständer nehme, aus deren Taschen bereits getrockneter Sand rieselt, frage ich mich, ob der Sand in der Kita wirklich aus hygienischen Gründen einmal jährlich gewechselt wird, oder ob das Ding einfach leer ist, weil täglich jedes Kind Hosentaschen voller Sand mit nach Hause bringt, um sie in der Wohnung zu verteilen.

Wie cismännlich unsere Welt ist, sieht man überall, es wurden bereits viele Bücher darüber geschrieben. Politik, Design, Technik, Medizin – alles. Und Architektur erst. Stadtplanung! Vor einiger Zeit wurde ein Spielplatz in unserer Nähe umgebaut. Er war zwar weitgehend eingezäunt, aber ohne Tor. Direkt am Wasser gelegen, was mit gern weglaufenden Nichtschwimmern keine optimale Sicherheitslage darstellt.

Nun wurde da also endlich ein Tor eingebaut und zwar ein klitzekleines, mit einer Klinke auf Kniehöhe, damit die Kinder das selbst öffnen können. Montessori aus der Hölle. Fehlte nur noch das Sprungbrett ins Wasser. Aber nur konsequent, denn ganz in der Nähe gibt es auch Fußgängerbrücken, deren Geländer so designt wurden, dass man 1- bis 3-jährige Kinder problemlos durchwerfen könnte. Es gibt endlos viele Beispiele von Ideen, die einfach nur cis Männer gehabt haben können. Ideen, bei denen man sich fragt: Wie um alles in der Welt kommen diese Leute zu ihren Jobs?

Für den Wohlstand!

Sigmar Gabriel hat vergangene Woche in der Bams appelliert, Menschen in Deutschland sollten 42 bezahlte Stunden pro Woche arbeiten wegen des Fachkräftemangels. Denn „wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen“, führe daran kein Weg vorbei. Und es überkommt einen direkt das Gefühl, dass er mit „unserem Wohlstand“ vielmehr seinen und den seiner Kumpels meint.

Als würden die Menschen nicht schon jetzt Überstunden machen, oft unbezahlt. Als wäre die Lösung für schlecht bezahlte Stunden einfach mehr Stunden. Als gäbe es nicht Mi­gran­t*in­nen, die händeringend auf einen Job oder eine Anerkennung ihrer Ausbildung warten. Als würden Unternehmen nicht lieber eine „Ausgleichsabgabe“ zahlen, als Menschen mit Behinderung anzustellen. Als wären Eltern, vor allem Alleinerziehende, nicht schon jetzt enormer Belastung ausgesetzt. Als fehle es nicht schon jetzt an guter, angemessen bezahlter Kinderbetreuung, um die Arbeitszeiten von Eltern abzudecken. Als würde sich die Unfallgefahr nicht schon nach acht Stunden Arbeit deutlich erhöhen.

Als würde die Arbeit nicht schon jetzt das Leben von so vielen Menschen bis zur Erschöpfung auffressen.

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Saskia Hödl
Autorin
Jahrgang 1985, ist freie Autorin in Wien und schreibt über Politik, Medien und Gesellschaft. Ehemalige taz panter Volontärin, taz eins Redakteurin und taz2&Medien Ressortleiterin.
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7 Kommentare

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    Die Moderation

  • Branchenübergreifend sind zahlreiche Hersteller, die das anboten, was Kunden im Virtue Signalling von Befragungen angaben haben zu wollen, zu Ehemaligen mutiert. Die Überlebenden haben dazugelernt und stellen das her, was Kunden auch tatsächlich zu kaufen und zu bezahlen bereit sind. Hersteller wollen vor allem das eine, Gewinn erzielen. Wenn eine bestimmte Nachfrage tatsächlich auch da wäre, dann fände sich sehr schnell jemand, der sie befriedigte.



    Ganz offenbar sind Taschen den echten Kundinnen nicht wichtig, zerrissen ud verschmutzt ab Werk müssen die Hosen sein, dann fließt das Geld bereitwillig. Die winzige Minderheit derer, die es mit den Wünschen ehrlich meint, zählt nicht, es sei denn sie wären bereit, den Mehrpreis von Einzelstücken und Handarbeit zu zahlen. Heutige Massenpreise sind nur in der Menge erzielbar und an der Mehrheit orientiert.

  • Das Problem bei solchen Kolumnen ist, dass Thesen aufgestellt werden, die frei von jeder Recherche sind. Es ist leicht nachzuprüfen, dass die Modebranche, die für Frau Hödls fehlende Hosentasche verantwortlich ist, einen ausgeprägt hohen Anteil an Frauen (70 - 80 %) und noch dazu hohen Anteil an homosexuellen Männern hat (laut manchen Quellen 80%). Insofern fragt man sich schon, wieso ausgerechnet diese wenigen Cis-Männer über die Anzahl von Hosentaschen entscheiden. Zusätzlich fragt man sich aber auch, warum Frauen diesen Zwang zur Hosentaschenlosigkeit durch ihr Kaufverhalten unterstützen.



    Ziemlich ältlich empfinde ich die Behauptung, dass Männer für fehlende Spielplatztürchen und zu große Brückengeländerabstände verantwortlich sein sollen. Das klingt ja geradezu sechzigerjahreshaft: Nur Frauen können, weil sie schließlich auf Kinder aufpassen, auf sichere Spielplätze aufpassen.



    Zusammengefasst: Ich verstehe zwar, dass Kolumnen knackig und provokativ sein sollten. Aber muss dabei die Argumentationstiefe auf einem Niveau wie bei Franz Josef Wagner oder Gunnar Schuppelius bleiben?

    • @Achim Kniefel:

      Mit Verlaub, das Kaufverhalten wird manchmal VERFLIXT EINGESCHRÄNKT wenn man dringend eine neue Hose braucht, weil die alte durch ist, und in sämtlichen Klamottenläden nur Hosen ohne ausreichende Taschen zu finden sind, weil irgendeine verranzte Modekommission, oder wer auch immer dafür zuständig ist, erklärt hat, dass Taschen dieses Jahr nicht in Mode wären (oder alternativ Taschen nur in Hosen mit "modischen" Rissen zu finden sind - wenn ich kaputte Hosen haben will, brauch ich keine neue zu kaufen!)



      Einige Jahre lang hab ich gar keine Hose für mich gefunden, weil "superskinny" irgendwie "in" war, heißt, oben hat's gepasst, aber die Hosenbeine waren derart eng, dass sie unten an den Fußgelenken die Durchblutung abklemmten.



      Übrigens fehlen Taschen auch in Jacken. Völlig besemmelte Idee.

      Was Brücken und sowas angeht: Das würd auch ich als CIS-Frau so "verkehrt" hinkriegen. Nicht jede Frau hat Kinder, oder den Drang, welche zu haben, oder irgendeinen Drang, mit Kindern was zu tun haben zu wollen. Das ist die andere Seite dieser seltsamen Kategorisierung hier im Artikel. "Frau sein" heißt nicht automatisch "Sinn für alles, was Kinder betrifft, haben"!

      • @Tetra Mint:

        > Mit Verlaub, das Kaufverhalten wird manchmal VERFLIXT EINGESCHRÄNKT



        Das bestreitet keiner. Nur warum ist das so? Weil die Hersteller sich strikt weigern, das massenhaft Nachfragte herzustellen und mit Gewalt Umsatz und Gewinn vermeiden wollen? Ist das plausibel?

  • Ach, herrlich. Oder fraulich.



    Für alles was nicht so in das aktuelle, persönliche Weltbild passt, sind cisMänner verantwortlich. Haben die dann auch den Hosenschnitt an die weibliche Anatomie angepasst? Das passt doch nicht in deren Weltbild.

    Dann noch die Regularien. Echte CisMänner brauchen weder Zaun, noch Tor, noch Klinke in Kinderhöhe! Ging früher doch auch ohne.

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    Einfache Feindbilder. Top. Verstehe kein Wort. Um was geht es? Bauvorschriften bei Brücken?