Umzug mit kleinen Kindern: Kommen die Spinnen mit?

Ein Umzug mit Kindern ist herausfordernd – auch, weil sie gar nicht begreifen, was da passiert. Vielleicht sind sie aber auch flexibler, als wir glauben.

Ein Kleinkind liegt mit Vater und Mutter in einem Umzugskarton

Es hilft nicht unbedingt, wenn man die Kisten, die Mama gerade gepackt hat, wieder auspackt Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

Mehrmals täglich klingelt es an der Tür und mehrmals täglich steht da eine Person, die kurz darauf ein Möbelstück aus der Wohnung trägt. Manchmal kommen sie zu zweit. Oder zu dritt. Etwa, als sie unser riesiges Sofa, auf dem die Kinder so gerne gespielt haben, in alle Einzelteile zerlegt und tetrisartig in einen winzigen Anhänger geschichtet haben.

Sie haben keine halbe Stunde gebraucht. Und der Einjährige hat geweint. Ich war nicht sicher, ob es die Anwesenheit der Fremden war, die ihn aus der Fassung gebracht hat, oder dass die einfach so unser Sofa mitgenommen haben.

Es gibt so viele Dinge, die man kleinen Kindern nicht erklären kann. Dass man in ein anderes Land umzieht. Dass Leute einem Möbel abkaufen, die man nicht mehr braucht. Dass alles in Kisten gepackt wird und wochenlang Chaos herrscht. Dass die Eltern müde und gestresst sind deshalb. Und vor allem, dass es nicht unbedingt hilft, wenn man die Kisten, die Mama gerade gepackt hat, wieder auspackt, sobald sie das Zimmer verlässt.

Als wir letzte Woche mit dem Bus an dem Krankenhaus vorbeigefahren sind, in das wir es für die Geburt des Einjährigen gerade noch so geschafft haben, kam mir in den Sinn, dass er an unser Leben hier in Berlin keine Erinnerung haben wird. Vielleicht Fetzen, vielleicht ein Gefühl, das sich aus Erzählungen und Fotos zusammensetzt. Aber keine Erinnerung.

Feuer löschen mit der Spritzpistole

Der Vierjährige hingegen wird sich erinnern. Viele Leute haben uns gefragt, ob der Umzug nach Wien nicht total schlimm sein wird für ihn. Und ich weiß es nicht. Einerseits denke ich, dass er noch so klein ist, dass seine Kita-Freunde bald eine nette Erinnerung sein werden. Vielleicht wird er sogar ihre Namen vergessen, so wie ich die Namen der Kinder vergessen habe, von denen einige Fotos in meinem Familienfotoalbum kleben.

Andererseits sorgt es mich, dass er den Umzug gerade eher auf die leichte Schulter nimmt. Gestern habe ich ihm gesagt, dass er nur noch ein paar Tage in seiner Kita hat. Und er hat gesagt, dass er eigentlich gar nicht mehr hinwill. Dass er gleich umziehen will. Dabei ist Umziehen für ihn total abstrakt. Wir reden oft und ausführlich darüber. Er will dann wissen, ob wir die Spinnen mitnehmen, die Wände oder den Balkon.

Bevor wir ihn in unsere Pläne eingeweiht haben, suchten wir online nach Ratschlägen von Expert*innen. Da stand, man solle nicht mehr Änderungen machen als unbedingt nötig. Also Umzug okay, aber nicht gleich noch das ganze Kinderzimmer neu einrichten. Man solle das Kinderzimmer auch als Letztes ein- und als erstes auspacken, um ein bisschen Stabilität zu bieten. Und ja, klingt logisch. Wenn ich aber dieser Tage darüber nachdenke, kommt es mir fast lächerlich vor. Als würde man ein Feuer löschen wollen mit einer Spritzpistole. Doch vielleicht ist das alles, was Kinder brauchen. Ein bisschen Halt. Vielleicht sind sie am Ende in ihrer abstrakten Welt viel flexibler, als wir es sind.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.