Müdigkeit bei Eltern: Das kleine Echo und der Apfelkuchen

Eltern sind zu den unmöglichsten Zeiten wach. Und machen dann auch noch Dinge, die sie früher nie für möglich gehalten hätten.

Ein Apfelkuchen

Ist es okay, um 4.22 Uhr einen Apfelkuchen zu backen? Foto: Imago

Es ist Sonntag, acht Uhr morgens, und ich stehe in der Küche. Ich schäle Äpfel für einen Kuchen. Ein bisschen muss ich lachen. Ist das noch normal, um die Uhrzeit zu backen? Aber ich bin zu müde, um darüber nachzudenken. Vor einer Stunde hat der Eineinhalbjährige zum ersten Mal an diesem Tag „Mama“ gesagt und nach meiner schlafenden Hand gegriffen. Jetzt muss diese Hand irgendwas Schönes tun, damit sich dieser Tag gut anfühlt.

Der Kleine steht auf dem Hocker neben mir, im Schlafsack, den Schnuller im Mund. Er sieht aus wie Maggie Simpson. Den Schnuller nimmt er aus dem Mund, um ein Stück Brot hineinzuschieben, und dann kaut er, wie man mit sechs Zähnen eben kauen kann. Schnuller wieder rein. Direkt wieder rausgezogen, ein Stück Apfel hinein. Er kaut. Ich sage „Plopp!“ und halte meine Hand auf. Er steckt den Schnuller wieder rein und grinst hinter dem lila Plastikteil. Dann zieht er ihn aus dem Mund. „Plopp!“ sagt er. Unser Signal zur Schnullerübergabe.

Er ist gerade mein kleines Echo. Beliebig wiederholt er einzelne Wörter oder Silben, die ich sage. Er sagt etwa „Fa!“, wenn ich „Sofa“ sage. Er sagt „Spaß!“, wenn ich „Viel Spaß“ sage. Und er sagt „Fack“, wenn ich „Fuck“ sage. Das sagt er nun schon ein paar Tage selbstständig. Als ich gestern am Schreibtisch sitze, kommt er rein, grinst mich an und sagt „Fack!“, läuft auf mich zu und legt seinen Kopf in meinen Schoß. „Mama, fack!“ Er umarmt meine Knie.

Hundemüde bis in die Knochen

Als ich die geschälten Äpfel in Stücke schneide, lässt er hoch konzentriert Krümel der Reiswaffel, die ich ihm naiv neben einen Keks gelegt habe, auf den Boden fallen. Den Keks isst er. Die Reiswaffel ist bald über den Boden verteilt. Er scheint zufrieden. Die Krümel haben wohl getan, was er erwartet hatte.

Was ich irgendwie nicht erwartet hätte, ist, wie lange und oft man als Elternteil hundemüde ist. Bis in die Knochen. Also selbst, wenn die ersten Monate vorbei sind. Dieser Anfangszustand hat nicht mehr viel mit Müdigkeit zu tun, er ist so grausam, es sollte ein eigenes Wort dafür geben. Wovon ich spreche, ist diese herkömmliche Eltern-Müdigkeit danach. Weil die Kinder wieder erst um 21.30 Uhr eingeschlafen sind, eins erkältet ist, dann das andere. Weil man fast gewaltvoll versucht ein bisschen Zeit alleine zu verbringen und deshalb permanent zu wenig Schlaf kriegt. Oder weil man um 23 Uhr noch aufräumt, Wäsche aufhängt oder die Spülmaschine einschaltet. Oder weil die Kinder nachts aufwachen.

Am schlimmsten ist, wenn mich ein kurzer Schrei über das Babyphone aus dem Tiefschlaf reißt. Ich weder weiß, wer noch wo ich bin, aber den Menschen neben mir reflexhaft panisch rüttle, um dann aber direkt aufzuspringen, loszurennen, mir den Fuß zu stoßen, ins Kinderzimmer zu humpeln, um da auf einen Holzzug zu treten und zu sehen, dass beide friedlich schlafen. Danach sitze ich adrenalingeladen in meinem Bett und überlege, ob es okay ist, um 4.22 Uhr einen Apfelkuchen zu backen.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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