Ideen für den „Deutschlandpakt“: Föderalismus neu denken
Wie können Bund, Länder und Kommunen besser zusammenarbeiten? Eine Gruppe von SPD-Politiker:innen hat Vorschläge gemacht.
Politiker seiner Fraktion haben schon mal vorgedacht. Das „Netzwerk Berlin“, dem 50 SPD-Bundestagsabgeordnete angehören, hat bereits im August Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen erarbeitet. In dem internen Papier, über das zuerst der Spiegel berichtete, heißt es: Zwar hätten sich föderale Strukturen bewährt. Aber: „Was lange nahezu einmütig als Erfolgsmodell galt, ist längst nicht mehr unumstritten und wird in innenpolitischen Debatten gern für Fehlentwicklungen und Probleme verantwortlich gemacht.“
Gegenüber der taz sagen die drei Sprecher:innen des Netzwerks, Dorothee Martin, Armand Zorn und Markus Töns, man habe versucht, Punkte zu identifizieren, die in den nächsten ein bis vier Jahren umsetzbar seien, damit alle Ebenen noch besser an einem Strang zögen. „Wir haben bereits mit Ländervertretern gesprochen und werden demnächst eine Veranstaltung mit Vertretern von Bund, Ländern und Kommunen organisieren, auf der wir das Thema Bund-Länder-Beziehungen weiter diskutieren wollen“, so die drei Abgeordneten. Die drei Ebenen müssten besser verzahnt werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu gewährleisten und das Vertrauen in die Demokratie zu stärken.
In dem Papier wird gefordert, die Finanzierungsbasis von Ländern und Kommunen durch eine Reform der Erbschaftssteuer zu stärken und die länderübergreifende Zusammenarbeit zu vertiefen, etwa durch zentrale Anlaufstellen für ausländische Fachkräfte. Um Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, müssten einheitliche digitale Standards geschaffen und Datenschutzverordnungen vereinheitlicht werden. „Die unterschiedliche Auslegung der Datenschutzgrundverordnung durch die Bundes- und Landesdatenschutzbehörden stellt ein echtes Innovationshemmnis für den Wirtschaftsstandort Deutschland dar“.
Ran an die Erbschaftssteuer
Auch im Bildungsbereich müssten Bund und Länder besser zusammenarbeiten. Für Bildung sind allein die Länder zuständig. Die Netzwerker fordern, dass der Bund stärker dort eingreifen darf, „wo Bildungschancen ungleich verteilt sind und die Länder mit eigenen Mitteln nicht die notwendige Schlagkraft entfalten können.“ Dafür müsse man mehr Mitsprache ermöglichen.
Grundsätzlich fordern die Netzwerker, die Bund-Länder-Finanzbeziehungen neu und klarer zu ordnen. „Die größte Herausforderung ist, dass es derzeit keine klare Verantwortlichkeiten, sondern viele Formen der Mischfinanzierung gibt“, sagt der Finanzpolitiker Armand Zorn. Oft leiste der Bund eine Anschubfinanzierung, die manche Kommunen wegen fehlender Mittel aber nicht mehr fortsetzen könnten.
Um Ländern und Kommunen dauerhaft mehr Geld zur Verfügung zu stellen, schlagen die Netzwerker vor, die Erbschaftssteuer zu reformieren. Die Erlöse fließen in die Länder. „Angesichts der Herausforderungen auf Landesebene und kommunaler Ebene sind wir der Meinung, dass hier eine Reform nötig und möglich wäre“, meint Zorn. „So könnte man vergleichsweise schnell und unbürokratisch eine Verbesserung der Einnahmen erzielen.“
Derzeit wirke die Erbschaftssteuer wegen der vielen Ausnahmen für große Betriebsvermögen regressiv – das heißt, es werden eher kleine Erbschaften zur Kasse gebeten. Von den 400 Milliarden Euro, die jährlich vererbt werden, landen gerade mal 10 Milliarden beim Fiskus. Eine Reform der Erbschaftssteuer fordert auch die Parlamentarische Linke, die neben den konservativen Seeheimern größte Strömung innerhalb der SPD-Fraktion.
Dienstwagenprivileg muss fallen
Sie halte es für richtig, „dass sich die SPD stärker mit der Einnahmeseite beschäftigt“, meint auch Dorothee Martin. Die Erbschaftssteuer sei das große Rad, an dem gedreht werden müsse. Daneben gebe es aber noch kleinere Stellschrauben, sagt die Verkehrspolitikerin. Zusammen mit Finanzpolitikern erarbeite man gerade ein Konzept für eine reformierte Besteuerung von Dienstwagen. Es soll in den nächsten Wochen vorgestellt werden. Das sogenannte Dienstwagenprivileg begünstigt die Nutzung teurer und oft auch entsprechend klimaschädlicher Autos zu privaten Zwecken. Laut Bundesumweltamt entgehen dem Staat dadurch jährlich über 3 Milliarden Euro an Einnahmen.
Für überschuldete Kommunen fordern die Netzwerker bis Ende des Jahres eine Lösung. Auch die Ampel hatte sich im Koalitionsvertrag dazu verpflichtet, das Problem der sogenannten Altschulden anzugehen. Rund 2.500 Kommunen in Deutschland gelten als überschuldet, in Nordrhein-Westfalen ist es fast jede zweite. „Die Schulden belasten die Haushalte der betroffenen Kommunen enorm, viele können ihren eigentlichen Aufgaben, etwa Schulen zu bauen, kaum noch nachkommen“, sagt Markus Töns, in der SPD-Fraktion Beauftragter für Handelspolitik.
In seinem Wahlkreis Gelsenkirchen könne die Kommune gerade mal einen Kunstrasenplatz pro Jahr bauen, dabei gebe es 160 Sportvereine. „Im Verein findet nicht nur Sport statt, sondern auch Integration“, sagt Töns. Und in den Ausländerbehörden bekomme man Termine teilweise nicht vor Ende 2025, weil das Personal fehle. „Wir können in Berlin vieles beschließen, aber es scheitert zum Teil daran, dass wir es vor Ort nicht umsetzen können“, meint Töns.
Das „Netzwerk Berlin“ schlägt deshalb vor, dass Bund und Länder die Altschulden der betroffenen Kommunen einmalig und jeweils zur Hälfte übernehmen sollten. Eine ähnliche Lösung hatte Olaf Scholz 2019 als damaliger Finanzminister vorgeschlagen und eine „Stunde Null“ für die betroffenen Kommunen. Damals stand eine Summe von 40 Milliarden Euro im Raum, um die Bund und Länder die Kommunen entlasten sollten.
Ministerpräsident:innen wollen Scholz treffen
„Gleichzeitig muss man aber dafür sorgen, dass wir die Kommunen so aufstellen, dass sie sich über einen neuen kommunalen Länderfinanzausgleich gegenseitig unterstützen können und eine neue extreme Verschuldung nicht mehr möglich ist, meint Armand Zorn. Er lobt FDP-Finanzminister Christian Lindner, der sich wirklich bemühe, eine Lösung zu finden. Eine Verständigung scheitere aber derzeit an einigen unionsgeführten Bundesländern.
Unterstützung kommt indes aus den Kommunen selbst. Beim Deutschen Kämmerertag hatte Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) in der vergangenen Woche für ein „Update für den Föderalismus“ und die Einrichtung einer neuen Föderalismuskommission geworben, die sich auch den Finanzbeziehungen widmen solle.
Die Ministerpräsident:innen der Länder wünschen sich ihrerseits eine schnelle Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz, um mit Scholz über den „Deutschlandpakt“ zu sprechen, berichtete das Nachrichtenportal Pioneer am Mittwoch. Auf dieser soll es vor allem um schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren gehen. Eigentlich hatten sich beide Seiten bereits im März darauf geeinigt, einen gemeinsamen „Pakt für Planungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsbeschleunigung“ zu erarbeiten. Passiert ist bisher wenig.
Wie die niedersächsische Staatskanzlei informierte, werden sich in der kommenden Woche die Chef:innen der Staats- und Senatskanzleien bei einer Konferenz in Wilhelmshaven „intensiv mit allen von Olaf Scholz im Zusammenhang mit dem Deutschland-Pakt aufgerufenen Fragen befassen“. Auch das Kanzleramt werde teilnehmen.
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