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Homosexualität im TierreichHomo geht auch ohne sapiens

Die queere Tierwelt: Flamingos, Vögel und auch Löwen haben gleichgeschlechtliche Sexpartner. Eine Führung durch den Tierpark Hellabrunn klärt auf.

Wie süüüüß: Männchen vögeln Männchen, Weibchen lieben Weibchen Foto: dpa

München taz | Wir müssen über Sex reden! Das zumindest findet Tierparkführer Edgar Diel. Und das tut er jetzt auch in aller Ausführlichkeit bei einem anderthalbstündigen Spaziergang. Das Interesse an dem, was Diel zu sagen hat, ist groß, und so stapfen 20 Zuhörer an einem verregneten Abend hinter ihm durch den Münchner Tierpark Hellabrunn. „Homosexualität im Tierreich“ heißt das angekündigte Thema der Führung. Passend zu Pride Week und Christopher Street Day hat man sie in dieser Woche erstmals angeboten.

Treffpunkt: Flamingo-Eingang. Klar, wo sonst? Die Gruppe steht erwartungsvoll vor 120 bis 140 schnatternden Flamingos. Von Homosexualität bei Tieren zu sprechen, sei schon mal schwierig, erklärt Diel nun, da es kaum Studien gebe, wo einzelne Individuen ihr ganzes Leben lang beobachtet worden seien. In jedem Fall könne man aber eine sehr weit verbreitete Bisexualität unter Tieren feststellen. Irgendjemand muss mal Buch geführt haben, denn Diel weiß, dass es bei 1500 Tierarten anekdotische Berichte über homosexuelles Verhalten gegeben habe, bei 500 Arten seien tatsächlich fundiertere Beobachtungen dokumentiert.

Die Besuchergruppe ist recht homogen. Kaum ein Hetero hat sich zu der Führung verirrt, und das ist schade. Dürfte aber auch daran liegen, dass die Führungen zunächst vor allem über ein Veranstaltungsmagazin und Social-Media-Kanäle in der queeren Community verbreitet wurden – und dann ganz schnell ausgebucht waren. Einer der Besucher hat an seiner Baseballkappe abstehende Regenbogenohren, ein anderer trägt ein T-Shirt der Rosa Liste.

Es ist Wolfgang Scheel, der auch im Vorstand der Münchner Wählerinitiative sitzt. Und der findet es gar nicht so schlimm, dass heute vor allem Lesben und Schwule in den Tierpark gekommen sind. Er schätzt an den Führungen vor allem, dass man hier anschauliche Beispiele vermittelt bekommt. Die sei eine nützliche Argumentationshilfe, wenn mal wieder einer daherkommt und behauptet, Homosexualität sei widernatürlich.

Balzverhalten unter Männern

Zurück zu den Flamingos: Bei ihnen gebe es regelmäßig Balzverhalten auch unter Männern, erzählt Diel. Dabei bleibe es aber nicht, mitunter finde man sich auch als Paar zusammen bis hin zur gemeinsamen Familienplanung – Eierraub und gewaltsame Adoptionen inklusive.

Überhaupt sei Homosexualität bei Vögeln besonders verbreitet. Prozentzahlen seien zwar mit sehr großer Vorsicht zu genießen, sagt Diel, nennt aber zumindest eine: Bei manchen Entenarten legten bis zu 20 Prozent der Tiere homosexuelle Verhaltensweisen an den Tag. Spitzenreiter: die Stockente. Beim weißen Schwan dagegen sei noch nie dergleichen beobachtet worden. „Und dabei war er doch das Wappentier Ludwigs II.“

Diel hält nun bei den Waldbisons. Eigentlich ist der hochgewachsene Mann mit dem Lockenkopf und der randlosen Brille Schauspieler, doch daneben macht er schon lange Führungen in Hellabrunn. Männliche Bisons, erzählt er, bestiegen sich außerhalb der Paarungszeit häufig gegenseitig – allerdings nur innerhalb der Herde, das Verhalten diene also mutmaßlich auch der Stärkung des sozialen Zusammenhalts.

Homoerotische Kuriositäten

Im Dschungelhaus will der Guide auf die Flughunde und eine „homoerotische Kuriosität“, nämlich deren Vorliebe für Oralverkehr aufmerksam machen, doch hinter ihm machen Benny und Max lautstark auf sich aufmerksam. Pech für die Flughunde. Benny und Max sind Brüder und ihres Zeichens ausgewachsene Löwen. Auch zwischen ihnen komme es häufig zu homosexuellen Interaktionen. Sex zwischen Brüdern, fragt einer der Besucher mit gespielter Empörung. „Sie sehen, die Skandale steigern sich“, antwortet Diel.

Und dann erst die Humboldt-Pinguine. „Lassen Sie mich kurz suchen“, sagt Diel und zeigt schließlich auf zwei schwule Paare unter den Frackträgern. Die seien schon seit mehreren Jahren zusammen. Überhaupt gebe es ja den Mythos der Monogamie bei Pinguinen. Aber wenn dem so sei, hätten ihm die zuständigen Tierpfleger versichert, dann sei das hier Sodom und Gomorrha.

Oft habe es früher bei dem Thema übrigens Wissenschaftsfälschung gegeben. Das sei so weit gegangen, dass Wissenschaftler Oralsex zwischen Orang-Utan-Männchens beobachtet und als Nahrungssuche interpretiert hätten. Oder von Revierkämpfen gesprochen hätten, wenn Giraffenbullen ihre Penisse aneinander gerieben hätten.

Apropos Giraffe: Besuch in einer Hellabrunner Frauen-WG. Fünf Netzgiraffenweibchen leben derzeit hier. Es gebe kaum eine Spezies, wo Homosexualität so alltäglich zu sein scheint, erzählt Diel. Die Tiere bestiegen sich und tauschten eine Art Küsse aus.

Die Tour endet wieder bei den Flamingos, der Regen hat nachgelassen. Diel entschuldigt sich, dass der Transgender-Aspekt zu kurz gekommen sei und weist noch schnell auf den Clownfisch hin. Der nämlich… Aber das ist eine andere Geschichte.

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15 Kommentare

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  • Wenn ich mich als Biologe richtig erinnere an das, was ich in den Büchern über Verhaltensforschung gelesen habe, dann kommt es in Gefangenschaft zu zu einem deutlichen Anstieg homosexueller Paarungen.



    Da wir Menschen uns quasi freiwillig in die Gefangenschaft der Zivilisation begeben haben, wundert mich die Zunahme homosexueller Paarung auch beim Menschen nicht.



    Mir persönlich ist es einerlei, sofern die Liebe (Mensch&Mensch) Teil des Ganzen ist.

  • "Eierraub und gewaltsame Adoptionen"... also alles ganz natürlich??? Hetero-Eltern, bringt eure Eierstöcke und eure Kinder in Sicherheit!



    Und abseits der Ironie: Auch beim Homo Sapiens kommt es durchaus zu Konflikten um das Sorgerecht. Zum Beispiel, wenn eine Leihmutter das Baby nicht mehr hergeben will. Tierreich und menschliche Gesellschaft sind mal mehr und mal weniger vergleichbar. Ich persönlich setze auf den Verstand und die Vernunft des Menschen. Allein dem Menschen ist es gegeben, dass der Geist (potentiell) über die Triebe herrschen kann.

  • Ehrlich gesagt geht mir das so am Allerwertesten vorbei, ob die sexuelle Orientierung natürlich oder kulturell bedingt ist oder was auch immer sie beeinflusst. Und wenn es im restlichen Tierreich nicht einen dokumentierten Fall von Homosexualität gäbe, würde ich sie trotzdem beim Menschen akzeptieren.

  • Es hier aus der Kurve trägt - Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - zu Sachlichkeit uns rät!

    “Welche Bedeutung hat es für Menschen, wenn Tiere schwul sind?



    Bei(m) Vögeln ist das doch egal.



    Was baerdeutet es für Menschen, wenn Eisbären nicht mehr cool sind?







    Dann sag ich mir manches Mal:



    "Klimawandel" überall." 😎

    kurz - Schland is ~ at last Steppenland!



    Hat & is in viel Gewand.



    & Dess - wieder mal - 👻 -



    Tuto completto - genderneutral 😂

  • Ja wie immer in diesem Zusammenhang verbieten sich Vergleiche mit dem Tierreich von selbst, mag ja sein daß die gleichgeschlechtliche Partner haben, nur haben sie keine Sexualität sondern lediglich ein Paarungsverhalten.

  • und diese Kommentarspalte ist (mal wieder) der Beweis, dass es keinen Sinn ergibt, entgegen was der Typ von der Rosa Liste sagte, mit Biologist*innen immerhalb deren Frames zu streiten. Fragen von 'Natürlichkeit' sind schlicht die falschen Fragen und werden offensichtlich nie in good faith gestellt, sondern sind immer Fallen, um auf bestimmte vorgefertigte Fälle und 'Probleme' verweisen zu können. und dabei stimme ich hier sogar dem groben Argument zu, dass es keinen Sinn ergibt Tierverhalten zu vermenschlichen (nicht, weil sie wenig wertvoll wären, sondern weil es verzerrt) und der Aspekt der Gefangenschaft nicht ignoriert werden kann (und Zoos, egal mit welchem Angebot und Ausrüstung, geschlossen gehören). letztlich bleibt es ohne Konsequenz, ob Homosexualität oÄ 'in der Natur' vorkommen oder nicht. es ist und bleibt die falsche Frage. warum sonst streitet man sich bitte um 'Natürlichkeit' menschlichen Verhaltens in einem digitalen Raum auf Computern oder Smartphones, wenn nicht, um einen Weg zu finden, bestimmten Menschen ihre Menschlichkeit abzusprechen; weil die, die behaupten, dass "es ok wäre wenn es natürlich wäre, ätschbätsch" erstens nie zufrieden sind (selbst wenn es einen komplett sicheren Fall gäbe, wer sagt, dass Homo Sapiens in dieselbe Gruppe gehört?) und zweitens die ja auch sonst kein 'natürliches' Leben führen -- also in der Wildnis ihren Instinkten folgen (ohne Feuer, ohne Höhlen; weil das ist Kultur), sondern mit der Brille auf der Nase, implantiertem Herzschrittmacher und klimatisiertem Raum anderen die Bedingungen ihrer Existenz vorschreiben wollen.

  • Hobby-Tierparkführer Edgar Diel ist also weder Zoologe, Biologe oder besitzt sonst irgendeine Qualifikation die ihn als Tierparkführer ausweist. Alles andere hat Nutzerin Mansfeld bereits in's Feld geführt.

    • @Duckunwech:

      Danke both …anschließe mich.

      Beim Lesen griemelte ich vor mich hin:



      “…is alles auf dem Niveau der älteren Herren in Outdoorjacke & beigefarbener Schlapphose - die in Baumärkten älteren Damen fachkundig auflauern & ooch allenfalls mal'n Dübel schräg eingeschlagen haben.

      unterm----weil WE 👺



      Sojet macht selbst vor Gerichten nicht halt. So rutschte mir denn doch noch das Herz in die Hose bei einem Asylverfahren mit Dev-Sol-Zeugenschutzprogramm - als sich der Pförtner meldete:“Höma - die Klägerin is da & so ein hilfreicher Herr dabei - bin mir aber gar nicht sicher - ob sie den überhaupt kennt! Ein Herr Ali Y.…“



      Aber Däh! Der Zeugenschützer klappte sei fette IBM-Kiste auf ……“ Nö gegen den liegt nix vor!" & Wisch. Parship. 👺



      -----genderneutral --



      & Schlagobers - VG Gelsenkirchen live -



      “Du auch Türke - Du auch Asyl?!"



      “Ich nix Asyl! Ich Präsident!"



      Quickie Schnellenbach - alte Hütte - Arbeiterkind - unvergessen! 😈

    • @Duckunwech:

      Und? Es ist eine Zooführung, keine Doktorarbeit, dazu reicht ein bisschen Vorab-Information.



      Das mit der Homosexualität im Tierreich ist weithin bekannt und kann von jedem seriösen Biologen bestätigt werden.



      Warum überhaupt reagieren Sie so gereizt zu dem Thema?



      Gibt es da einen wunden Punkt?

      • @Dörte Dietz:

        Mein Hirn reagiert auf schwachsinnige Argumentation immer gereizt und das völlig unabhängig vom Thema.

    • @Duckunwech:

      Edgar Diel ist kein Hobby-Tierparkführer. Sondern ein ausgebildeter und qualifizierter Tierparkführer. Das "Hobby-" ist durch ein Missverständnis zwischen Autor und Redaktion in den Text geraten. Wir werden es ausbessern. Ich bitte um Entschuldigung.

  • Wunsch und Wirklichkeit, Fabel und Realität und die Vermenschlichung tierischen Verhaltens - das alles spiegelt der obige Artikel wider.



    Ich möchte zur Skepsis aufrufen, wenn von Küssen unter Giraffendamen geschrieben wird. Die Vermenschlichung dieser Küsse können, müssen sie nicht nicht aber können, einen ganz anderen Grund haben, den uns Zoologen vielleicht erklären können. Weiterhin wäre es interessanter zu wissen, ob dieses gleichgeschlechtliche oder auch bisexuelle Verhalten der genannten Tiere auch in freier Wildbahn vorkommt und wenn ja, auch ebeso häufig wie in der Gefangenschaft im Zoo? Zwei Löwenmännchen eingesperrt, was soll da wohl sonst geschehen, als das was dort beschrieben aber völlig falsch suggeriert wurde? Gelegenheit macht Liebe und der Mangel an Alternativen tut sein übriges. Sonst wären die Knäste dieser Welt voll mit homosexuellen Menschen, die von Natur aus homosexuell sind und sich vielleicht nicht nur aufgrund des Eingesperrtseins und damit mangelnder Alternativen ihrer sonst womöglich wahrscheinlichen Sexualpräverenz ausleben können.

    • @Pia Mansfeld:

      Also ein sehr gutes Beispiel sind Stockenten, deren recht ausgeprägte Homosexualität kann jeder beobachten, der sich gerne in der Natur aufhält. Und weiß, wie eine Stockente aussieht.

    • @Pia Mansfeld:

      Zur Ihren Fragen: 1) Es sind natürlich keine Küsse, sondern eine "Art Küsse", ein Austausch von Zärtlichkeiten, für den die Fachleute bislang keinen anderen Grund gefunden haben. 2) Die Beobachtungen gibt es im Zoo wie in der freien Wildbahn. In speziellen Fällen, z.B. bei Löwenweibchen, wurden homosexuelle Verhaltensweisen allerdings nur in Zoos beobachtet. Das ist allerdings eher die Ausnahme. Dass sich bei einer Führung in Hellabrunn mehr Zoo-Beispiele zeigen lassen, liegt in der Natur der Sache (von den Enten mal abgesehen).

    • @Pia Mansfeld:

      Das ist ja interessant. Ist dann der Höhlenmensch in so einer Art Naturzustand und kennt keine Homosexualität oder wie funktioniert ihre Argumentation?



      Sie machen ja zurecht kritische Anmerkungen, aber vielleicht sollten Sie auch mal die Heterosexualität als gesetzte Prämisse überdenken, denn das ist ein blinder Fleck in der Wissenschaft und wird ja auch kurz im Artikel angerissen.