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Homophobie im AfD-ProgrammDiskriminiewas?

Laut Spitzenkandidatin Alice Weidel ist Homophobie kein Problem in ihrer Partei. Das AfD-Programm lässt da aber einen ganz anderen Schluss zu.

Weidel sagt, dass sie sich nie diskriminiert gefühlt habe. Schön für sie Foto: dpa

In einem Interview mit dem Tagesspiegel spricht Alice Weidel, lesbische Spitzenkandidatin der AfD, über Homophobie ihrer Partei. Sie sagt, dass sie sich nie diskriminiert gefühlt habe und ihre sexuelle Ausrichtung innerhalb der Partei nie zum Thema gemacht wurde. Auch sei es „weit hergeholt“, Diskriminierung „spezifisch in der AfD zu verorten“. Schön für ­Weidel – vor allem, weil sich das im Grundsatzprogramm ihrer Partei ganz anders liest.

Das beginnt mit dem Begriff der „traditionellen Familie“, also Vater, Mutter, Kind(er). Die eingetragene Lebenspartnerschaft mit zwei Kindern, in der Weidel lebt, ist also keine Familie – obwohl sie selbst es laut Interview so nennt. Keine Diskriminierung?

Das Programm geht noch weiter: „Die AfD möchte eine gesellschaftliche Wertediskussion zur Stärkung der Elternrolle und gegen die vom ‚Gender-Mainstreaming‘ propagierte Stigmatisierung traditioneller Geschlechterrollen anstoßen.“ Die AfD verdreht damit die Idee der Genderdiskussion. Die will ja in der Gesellschaft bestehende Stigmatisierungen und Diskriminierungen queerer Lebens­weisen abbauen – und nicht andere Lebensentwürfe abwerten.

Das Narrativ des Programms geht so: Die Deutschen sollen wieder mehr deutsche Kinder kriegen. Daran hindern unter anderem auch Genderstudies, die laut Programm verboten werden sollen, genauso wie Ansätze, LGBTIQ in Schulbücher aufzunehmen: „Das klassische Rollenverständnis von Mann und Frau soll durch ­staatlich geförderte Umerziehungsprogramme in Kindergärten und Schulen systematisch ‚korrigiert‘ werden. Die AfD lehnt diese Geschlechter­pädagogik als Eingriff in die natürliche Entwicklung unserer Kinder und in das vom Grundgesetz garantierte Elternrecht auf Erziehung ab.“

Der Subtext dieser Passage: Natürlich ist es nur, wenn Kinder sich dem von der AfD bevorzugten „klassischen Rollenbild“ gemäß entwickeln. Alles andere soll nicht gelehrt, sprich toleriert werden. Was ist das, wenn nicht Diskriminierung?

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21 Kommentare

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  • Weidel ist - trotz ihres AfD-Engagements - schon o.k. Sie lebt ihre Homosexualtät, ohne sie aber in der Öffentlichkeit zum hippen Fetisch hochstilisieren zu müssen.

  • Die AfD hat überwiegend gar kein Problem mit Homophobie.

    • @Rainer B.:

      Vermutlich hat die Homophobie auch kein Problem mit der AfD.

      • @TV:

        So isses!

  • Es gab in Nazideutschland auch Juden, die arbeiteten und verschont wurden, die Vorzeigejuden. Ich kenne eine Überlebende, die aber jeden TAg fürchten musste, man überlege es sich anders. Sie blieb in ihrem Job. So ist es auch mit der AFD. Sie hat ein paar Vorzeigeleute. Sehr verlogen.

    • @Maria Burger:

      Ja, die Nazikeule wirkt bekanntermaßen immer. Sie kennt von vorneherein den Schuldigen, haut ihn nieder und gleich ist Schluss mit jeglicher Differenzierung. Bravo.

  • Alice Weidel berichtet über das „Innenleben“ ihrer Partei AfD und meint sie fühle sich als lesbische wohl in ihrer Partei, und Homophobie kein Thema in ihrer Partei wäre. Das ist nicht richtig. Ich selbst habe 2013 in München, zu einer Zeit wo es Höcke und PEGIDA noch nicht gab, eine AfD – Veranstaltung in München besucht um nur mal zu sehen was das für Leute sind. Das sagte zum Beispiel ein Teilnehmer

    „Das sich zwei Frau mit einem Dildo befrieden und Schwule Politiker würden, wäre eine maximale Provokation für jeden anständigen Bayern“, dabei wollte der Sprecher offensichtlich auf die nach seiner Meinung vorherrschenden Zustände bei den Grünen aufmerksam machen.

    Inzwischen ist die AfD viel radikaler geworden und in der AfD schütteln alle den Kopf über Frau Weidel.

    • @Nico Frank:

      Ich hab mal linke Grüne kennengelernt, die "Autos von Bonzen" anzünden wollten ... in Berlin. Trotzdem würde ich das nicht verallgemeinern.

  • Das traditionelle Familienkonzept ist nicht schlecht. Vorallem , weil noch kein anderes sich in unserem Kulturkreis bewährt hat oder entstanden ist. Schön wäre es , wenn wir in erweiterten F>amilienkreisen leben würden.. mit Verwandten zusammen oder Freunden , die Kinder verlässliche Ansprechpartner hätten , die nicht ständig wechseln und Frauen die zu Hause bleiben , nicht schief angschaut würden und ein Grundeinkommen hätten, um nicht vom Mann abhängig zusein , damit sie auf Augenhöhe agieren können .. jeder sehnt sich nach Familie, die wenigsten aber bekommen es gebacken , weil es keiner mehr hinbekommt, weil keiner mehr wirklich muss, also müssen andere Konzepte her ... das Rad kann nicht zurückgedreht werden ... mal schaun was passiert..

    • @Christiana:

      In unserem Kulturkreis gibt es schon immer andere Modelle parallel und gleichzeitig und in großer Vielfalt neben dem von "Vater, Mutter, Kind" (in dem schon die Reihenfolge die Hierarchie ausdrückt). Schon immer haben Mütter oder in kleinerer Zahl Väter Kinder alleine erzogen. Schon immer sind Kinder von Großeltern und Tanten großgezogen worden, in befreundeten Familien untergebracht worden etc. pp. Es hat schon immer verwitwete Menschen gegeben, die die Kinder der neuern Parter_in angenommen haben. Es sind auch schon immer Kinder von Schwulen oder Lesben aufgezogen worden, auch wenn niemand darüber geredet hat.

       

      Oft werden diese Modelle aber nicht als "Familien" anerkannt und sozial abgewertet. Ich bin in den 70ern auf dem Dorf bei meiner alleinerziehenden Mutter großgeworden. Ja, uns gab es! Wir waren ein alternatives Modell! Leider wurde dieses Modell immer schlecht angesehen und total stigmatisiert.

       

      Die traditionelle Familienkonzpt kann gut sein, kann fürchterlich sein (ich kenne genügend Menschen, wo der Vater leider ein Tyrann war, die Kinder missbraucht hat, die Frau geschlagen wurde oder wo so hart an der Fassade gearbeitet wurde, dass die Liebe total auf der Strecke blieb).

      Ich stimme Dir aber mit dem Grundeinkommen zu - weil es Menschen die Wahl gibt, in der Familienkonstellation zu leben, die ihnen entspricht. Oder ganz ohne Familie, was auch befreiend sein kann. Ich stimme Dir auch zu, dass Kinder Ansprechpartner_innen, verlässliche Bindung brauchen. Ich glaube nur, dass man das überall finden kann und dass die Familienkonzepte immer so gut oder schlecht sind, wie die Menschen, die darin leben. Egal ob schwul, lesbisch oder hetero oder was auch immer. (Und da muss man aufpassen, weil die AfD das mal eindeutig nicht so sieht, und darum ging es ja im Artikel....)

  • Dass Frau Weidel und ihre Lebenspartnerin mit ihren Kindern eine traditionelle Familie darstellen würden, hat Frau Weidel nie behauptet. Der Artikel ist da offensichtlich falsch.

     

    Jeden, der das klassische Rollenbild hochhält, gleich als homophob zu deklarieren, ist argumentativ schwach.

    • @rero:

      Was soll da denn nun argumentiert werden? "Das klassische Rollenbild hochhalten" ist ein Synonym für Homophobie. Wenn für jeden Euphemismus nun Argumente herangezogen werden müssten, wären wir pausenlos damit beschäftigt.

      • @TV:

        Das "klassische" Rollenbild ist aus meiner Sicht: Mutter kümmert sich um die Kinder und geht höchstens halbtags arbeiten, Vater ist der große Ernährer, hält sich aus Kindererziehung und Haushalt raus. Dieses klassische Rollenbild können Sie schon völlig heterosexuell unterminieren. Deshalb ist es kein Synonym für Homophobie. Das ist aus meiner Sicht deutlich überinterpretiert.

    • @rero:

      Das wäre es, wenn nicht "das klassische Rollenbild hochhalten" eine Chiffre wäre für "andere Rollenbilder ablehnen".

      Hochhalten muss man nur etwas, was zu verschwinden droht oder verteidigt werden muss. Die Familie aus heterosexuellen Eltern mit Kindern ist aber alles andere als verschwindend. Sie muss auch nicht verteidigt werden, weil niemand sie angreift.

      Angegriffen werden aber weiterhin sehr wohl Familien, die sich anders zusammensetzen. Wer also behauptet, die "traditionellen Rollen" müssten verteidigt werden, verkehrt die Verhältnisse ins Gegenteil. DAS ist argumentativ nicht schwach, sondern schwachsinnig.

      • @Soungoula:

        Hochhalten beinhaltet für mich keineswegs kategorische Ablehnung des anderen.

        Das klassische Rollenbild ist nicht nur Heterosexualität. Es ist die Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Und die wird nicht nur von homosexuellen Eltern unterminiert. Sehr effektiv untergraben es heterosexuelle Eltern, indem sie sich ihr Familienleben unklassisch gestalten. Ich kenne persönlich nur wenige Familien, die dem klassischen Rollenbild entsprechen. Ich selbst bin ebenfalls ein Maulwurf.

         

        Der Artikel führt Sie auf diese eingeschränkte Interpretation von "klassisches Rollenbild". Deshalb finde ich ihn ja so schlecht.

  • Wenn Weidel sich in der AfD diskriminiert fühlen würde, wäre sie wohl nicht mehr lange in dieser Partei. Wenn die AfD insgesamt homophob wäre, hätte sie Weidel nicht zur Spitzenkandidatin gekürt. Dass in der AfD das traditionelle Familienbild als Idealbild vorherrscht und Gender Mainstreaming überwiegend kritisch gesehen wird, macht sie nicht automatisch zur homophoben Partei.

    • 2G
      2097 (Profil gelöscht)
      @Nikolai Nikitin:

      „[...] Blendet Alice Weidel das [die Homophobie der AfD] aus?

      In gewisser Weise ja. Zum einen macht sie mit bei der Unterdrückung ihrer eigenen Minderheit - und findet das in Ordnung. In unserer Gesellschaft existieren sogenannte legitimierende Mythen, die auf Vorurteilen basieren. Die Mär vom erfolgreichen weißen Mann etwa, oder von der Frau, die sich besser um die Kinder kümmert - oder eben von den Homosexuellen, mit denen irgendetwas nicht stimmt. Indem sich Weidel also der AfD anschließt, demonstriert sie ihre Zugehörigkeit zu einer dominanten Mehrheit. Und lieber gehört man denen an als denen, gegen die gehetzt wird. Das ist schlicht und einfach Anbiederung. Auf der anderen Seite geht es um die eigene Zugehörigkeit. Muslime sind für die AfD der äußere Feind. Je mehr man über den herzieht, desto geschlossener werden die inneren Reihen der Partei. Auch als lesbische Frau kann man dann dazugehören.

      Diese Mechanismen von Selbstaufwertung und Integration sind in der sozialpsychologischen Vorurteilsforschung vielfach belegt.

      [...]

      Man wertet sich selbst also auf, indem man andere runtermacht?

      Genau - und je deutlicher man den Gegensatz der eigenen Gruppe zu "den Anderen" betont, desto wunderbarer kann man sich abgrenzen. Wenn man die Anderen dann runtermacht, steht man auf bequeme Weise automatisch besser da.

      Vorurteile sind dabei sehr nützlich als Mittel zum Zweck. Sie geben uns Argumente und Begründungen an die Hand, warum es schon ganz richtig ist, dass einige weiter oben, andere weiter unten auf der sozialen Leiter stehen.

      […]

      Geht das für Politiker wie Alice Weidel auf Dauer gut?

      Schwierig zu sagen. Wenn es hart auf hart kommt, gehört sie der Gruppe an, gegen die als nächstes gehetzt wird. Jetzt kann man sie gut gebrauchen, aber durch diesen "Makel" steht sie auf der Abschussliste ganz oben.“

      Quelle: Süddeutsche Zeitung, 29.04.2017, 15:25 Uhr, Interview von Carolin Gasteiger mit Sozialpsychologin Beate Küpper ...

      • @2097 (Profil gelöscht):

        Sie werden doch wohl von der SZ und Beate Küpper keine neutrale Berichterstattung über die AfD erwarten ? Beide hatte ihr Urteil über die AfD doch bereits gefällt, bevor diese politisch erst richtig aktiv wurde.

    • @Nikolai Nikitin:

      Sagen sie das lieber den brutalen Schlägern, welche sich im Umkreis der AfD befinden und welche Homosexuelle auf offener Straße angreifen, wie erst kürzlich in München geschehen. Auch diejenigen die die Ideologie dafür liefern und die diejenigen unter ihnen dulden machen sich mitschuldig.

       

      Weidel wird nur von der AfD akzeptiert, weil sie lesbisch ist. Da fürchten sich die Rechten nicht so davor wie vor einem Schwulen. Warum wählt die AfD keinen schwulen Vorstand

      • @Radl Rambo:

        Wieso wählt die AfD keinen schwulen Vorstand ?

         

        Weil sich bis dato wohl kein Schwuler um einen Vorstandsposten bei der AfD beworben hatte.

  • Natürlich wird da diskriminiert und zwar bewusst. Aber Rechten ihre Widersprüche aufzuzeigen, hat noch nie geholfen, denn die wollen ja fühlen und nicht denken.