Höhere Kosten für Strom: Ehrlichkeit aus der Steckdose
Viele klagen über die steigenden Strompreise. Doch dass sie steigen, ist nur richtig – angesichts der Stromverknappung durch den Kohleausstieg.
E s herrscht Nervosität an den Energiemärkten. Wer die Strompreise im Terminhandel der letzten Tage im Auge hatte, konnte beachtliche Sprünge erleben. Dass der Preis für einen Jahreskontrakt der Grundlast binnen zwei Stunden um mehr als 20 Euro je Megawattstunde schwankt – was zum Beispiel am letzten Donnerstag der Fall war –, ist unüblich. Solche Ausschläge sind mit fundamentalen Marktdaten kaum zu begründen, dafür bedarf es einer gehörigen Portion Verunsicherung.
Sieht man allerdings von den spekulativ bedingten Preissprüngen und zeitweiligen Übertreibungen ab, die jede Börse kennt, so muss man feststellen, dass die Strommärkte gerade eine ihrer vornehmsten Eigenschaften zeigen. Eine, die in der politischen Debatte rund um die Energiewende oft zu kurz kommt: die Ehrlichkeit. Während die Politik tolle Ziele in die Welt setzen und die Folgen verdrängen kann, suchen die Märkte den Realismus. Zwangsläufig.
Beispiel CO2: Wenn die Politik die zulässigen CO2-Budgets kappt, dann muss CO2 teurer werden. Das klassische Spiel von Angebot und Nachfrage eben – alles andere anzunehmen wäre naiv.
Dass die CO2-Preise dann auf die Strompreise durchschlagen, ist ökonomisch ebenso folgerichtig, solange noch fossile Kraftwerke die Versorgung absichern müssen. In welchem Maß der CO2-Preis schließlich auf den Preis von Energie aus Kohle und Erdgas durchschlägt, ergibt sich ohnehin per Naturgesetz. Das nennt sich Stöchiometrie. Diese beschreibt auf Basis der chemischen Zusammensetzung eines Stoffs dessen CO2-Emission bei Verbrennung.
Das Fazit also: Was die Strommärkte gerade zeigen, mag in Teilen überzeichnet sein. In der Grundtendenz aber spiegeln die Preise nur die Ziele der Politik wider, vor allem den Willen zum Kohleausstieg. Welche Konsequenzen – auch sozialpolitischer Art – man daraus zieht, muss die Gesellschaft diskutieren. Dazu müssten aber alle Akteure erst einmal anerkennen, dass die Strompreise angesichts der Klimaschutzziele weiter steigen werden. An dieser Erkenntnis jedoch hapert es noch.
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