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Hochwasser in SüdbrasilienFlutgrund Flughafen

Schwere Überschwemmungen zerstörten im Mai Teile Südbrasiliens. Das deutsche Unternehmen Fraport könnte dabei eine brisante Rolle spielen.

Die überschwemmte Landebahn des Flughafens von Porto Alegre, im Mai Foto: Adriano Machado/reuters

Berlin taz | Die Folgen der Flut seien noch überall sichtbar, sagt Matheus Gomes der taz. Gerade käme er von einer armen Gemeinde zurück, viele Häuser seien beschädigt, überall liege Müll herum. Gomes sitzt für die linke Partei PSOL im Landesparlament des südbrasilianischen Bundesstaates Rio Grande do Sul. Seine Heimatstadt Porto Alegre wurde im Mai schwer von einer Flutkatastrophe getroffen.

Während die Wiederaufbauarbeiten laufen, hat die politische Debatte an Fahrt gewonnen. Matheus Gomes veröffentlichte kürzlich brisante Dokumente, die darauf hinweisen sollen, dass Bauarbeiten am Flughafen möglicherweise das Hochwassersystem der Stadt geschwächt haben. Das könnte zur Verschlimmerung der Flutkatastrophe beigetragen haben.

Besonders brisant: Der Internationale Flughafen von Porto Alegre wird von einem deutschen Unternehmen, der Fraport AG betrieben. Inzwischen hat auch die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen.

Im Mai verursachten starke Regenfälle verheerende Überschwemmungen in Südbrasilien, eine der schwersten Klimakatastrophen in der Geschichte des Landes. Dabei kamen 160 Menschen ums Leben, und Hunderttausende wurden vorübergehend obdachlos. Ex­per­t*in­nen schätzen, dass der vollständige Wiederaufbau mehr als zehn Jahre dauern wird.

Verletzte Fraport in Porto Alegre Sicherheitsvorschriften?

Gomes und seine Mit­ar­bei­te­r*in­nen hatten Zugang zu einer Vielzahl von Dokumenten, darunter städtebauliche Studien, Berichte von In­ge­nieu­r*in­nen sowie Korrespondenzen zwischen Fraport und der Stadtverwaltung von Porto Alegre. Die 1400 Seiten sollen belegen, dass die Erweiterungsarbeiten des Flughafens gegen Sicherheitsvorschriften verstießen.

Ein ursprüngliches Bauprojekt sah Maßnahmen vor, um eine Überlastung des Entwässerungssystems bei Regenfällen zu vermeiden. Das soll Fraport jedoch ignoriert haben. „Um die Kosten zu senken und die Arbeiten schneller abzuwickeln, konstruierte Fraport ein paralleles Entwässerungssystem“, kritisiert Gomes. Diese Änderungen sollen das städtische Hochwassersystem überlastet haben und könnten zu den verheerenden Überschwemmungen beigetragen haben. Der Flughafen Salgado Filho in Porto Alegre befindet sich in unmittelbarer Nähe von zwei Flüssen.

Es ist ein Sieg, dass öffentliches Geld nicht in die Taschen der Deutschen wandert

Matheus Gomes, Lokalpolitiker in Rio Grande do Sul

Fraport widerspricht den Vorwürfen. „Als Teil der Investitionsmaßnahmen investierte Fraport rund 170 Millionen brasilianische Real (28,7 Millionen Euro) in ein hochmodernes Entwässerungssystem, das den städtischen Entwässerungsstandards entspricht und regelmäßig von den zuständigen Behörden überprüft wird“, erklärte die Pressesprecherin Fraports der taz.

Das Entwässerungssystem sei so konzipiert worden, dass es nicht allein die Niederschläge vom Flughafengelände aufnimmt, sondern auch Niederschläge der angrenzenden Gemeinden. „Die Realisierung durch Fraport hat dazu geführt, dass nicht nur der Flughafen, sondern auch die benachbarten Viertel von Überschwemmungen bis zum Jahrhunderthochwasser im Mai 2024 verschont blieben.“

Mehrere Überschwemmungen in Flughafennähe

Das sieht der Abgeordnete Gomes anders. Bereits vor dem Hochwasser im Mai habe es immer wieder Überschwemmungen in armen Gemeinden rund um den Flughafen gegeben, wofür er die mangelhaften Erweiterungsarbeiten am Flughafen verantwortlich macht. Fraport erklärte, alle Bauarbeiten seien durch die zuständigen Behörden „ordnungsgemäß genehmigt“ worden. Laut Gomes zeigten die von ihm analysierten Dokumente allerdings, dass der Flughafenbetreiber Kontrollen durch die Behörden verhindert habe.

Politiker Gomes nimmt auch die Stadtverwaltung in die Verantwortung. Sie habe – trotz Bedenken von Ex­per­t*in­nen und offensichtlichen Mängeln des Systems – die Bauarbeiten nicht gestoppt. „Die Stadtverwaltung entschied sich dafür, sich unterzuordnen und die Bedingungen Fraports zu akzeptieren.“

2017 erhielt die Fraport AG den Zuschlag für den Konzessionsvertrag für den Flughafen von Porto Alegre, kurze Zeit später begann eine 25-jährige Konzessionslaufzeit durch Fraport Brasil, eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der deutschen Fraport AG. Das börsennotierte Unternehmen stand auch schon in der Vergangenheit in der Kritik.

Für den Ausbau der Landebahn wurden zwischen 2019 und 2020 rund 1300 Familien aus der armen, direkt an den Flughafen grenzenden Gemeinde Vila Nazaré geräumt. Die Umsiedlung der Be­woh­ne­r*in­nen war stark umstritten und führte zu Protesten und rechtlichen Auseinandersetzungen.

Porto Alegre: Streit um Wiedereröffnung des Flughafens

In der jüngsten Debatte ist auch die Wiedereröffnung des Flughafens ein Streitpunkt. Einige Flüge werden zwar vom Militärflughafen und Flughäfen in anderen Teilen des Bundesstaates abgewickelt, aber der Hauptflughafen in Porto Alegre bleibt weiterhin geschlossen. Dies führt zu ökonomischen Schäden in Milliardenhöhe, Einbußen im Tourismus und Verzögerungen bei der Frachtzustellung. Laut Presseberichten forderte Fraport Geld vom brasilianischen Staat, um den Betrieb wiederaufzunehmen.

Am 16. Juli erklärte Fraport überraschend, den Flughafen bald wiederzueröffnen und für die Kosten aufzukommen. „Es ist ein Sieg, dass öffentliches Geld nicht in die Taschen der Deutschen wandert“, erklärte Lokalpolitiker Matheus Gomes auf X. „Nun werden wir dafür kämpfen, dass Fraport auch für die Schäden aufkommt, die durch die unverantwortlichen Bauarbeiten entstanden sind.“

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