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Hochstufung der Afd vorläufig ausgesetztVorerst nicht mehr „gesichert rechtsextremistisch“

Der Verfassungsschutz hat die Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ bis zu einer Gerichtsentscheidung zurückgenommen.

Extremistisch oder nicht? Der Verfassungsschutz geht nach wie vor davon aus, richtig zu liegen Foto: dpa

Freiburg taz | Die AfD wird vom Verfassungsschutz bis auf Weiteres nicht mehr als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ behandelt und bezeichnet. Eine entsprechende „Stillhaltezusage“ gab das BfV an diesem Donnerstag gegenüber dem Verwaltungsgericht Köln ab. Es kam damit wohl einem Beschluss des Gerichts zuvor.

Erst vorige Woche, am 2. Mai, hat das Bundesamt für Verfassungsschutz bekanntgegeben, dass die AfD-Bundespartei nunmehr als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wird. Die damalige Innenministerin Nancy Faeser (SPD) hatte hierzu grünes Licht gegeben, es war eine ihrer letzten Amtshandlungen.

Schon am Montag, drei Tage später, klagte die AfD beim Verwaltungsgericht (VG) Köln gegen diese Hochstufung. Die Klage war verbunden mit einem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz und auf einen sogenannten Hängebeschluss. Bei einem derartigen Beschluss würde eine staatliche Maßnahme ohne jede inhaltliche Prüfung aufgrund einer reinen Folgenabwägung ausgesetzt. Aufgrund früherer Praxis galt es als gut möglich, dass das VG Köln eine Aussetzung der AfD-Hochstufung anordnen wird.

Dem kam das Bundesamt für Verfassungsschutz nun mit seiner Stillhaltezusage zuvor. Es erklärte, dass es die AfD bis zur Entscheidung über den Eil-Antrag der AfD wieder als Verdachtsfall behandeln und bezeichnen wird. Auch die Pressemitteilung zur Hochstufung der AfD hat das Bundesamt von seiner Webseite gelöscht.

Bewertung der AfD immer noch gerechtfertigt

Das Amt betonte gegenüber dem Gericht zwar, dass es die Neubewertung der AfD immer noch für „gerechtfertigt“ hält und dass es „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“ handele. Dennoch ist diese Maßnahme für die AfD natürlich günstig. In den kommenden Monaten ist die Lage also wieder wie vor der Hochstufung.

Dieser Rückzieher dürfte auch den politischen und medialen Umgang mit der AfD beeinflussen. So ist nun wohl nicht mehr möglich, unter Berufung auf die Hochstufung durch den Verfassungsschutz AfD-Politiker von Delegationsreisen auszuladen, wie im hessischen Landtag gerade geschehen.

In der politischen Debatte kann man sich auch nicht mehr einfach auf den Verfassungsschutz berufen, wenn man die AfD als „extremistische Partei“ bezeichnet. Dies ist nun eine private Meinungsäußerung, die aber wohl zulässig bleibt, weil es ja genügend Indizien hierfür gibt.

Überwachung AfD geht weiter

Die Aussetzung der Hochstufung wird allerdings kaum Auswirkungen auf die Überwachung der AfD mit nachrichtendienstlichen Mitteln haben. Die Überwachung von Telefonen und das Anwerben von Spitzeln ist auch bei einem extremistischen „Verdachtsfall“ möglich.

Auch für mögliche Berufsverbote gegen AfD-Funktionär:innen im öffentlichen Dienst dürfte die Aussetzung keine große Bedeutung haben. Wahrscheinlich hätten Bund, Länder und Kommunen ohnehin erst mit der Entlassung von AfD-Kadern begonnen, wenn die Einstufung der Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ nach mehrjährigen Gerichtsverfahren rechtskräftig geworden wäre.

Die Stillhaltezusage entlastet aber nicht zuletzt die Kölner Richter:innen. Diese sind bis zu ihrer Entscheidung über den AfD-Eilantrag nun deutlich weniger unter Zeitdruck, weil die Belastung für die AfD ja zunächst entfallen ist. Das heißt zum Beispiel, dass beiden Seiten großzügigere Fristen für ihre Schriftsätze gegeben werden können. Dies ist wichtig, da es ja auch um die Bewertung des 1108 Seiten dicken BfV-Gutachtens zu den extremistischen Tendenzen der AfD geht.

Es ist auch gut möglich, dass sich das Gericht noch mehr Zeit nimmt und die Unterlagen nicht erst oberflächlich prüft, wie dies im Eilverfahren üblich ist, sondern gleich die gründliche Prüfung im Hauptsacheverfahren vornimmt. Eine Entscheidung des VG Köln über die Einstufung der AfD-Bundespartei als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ könnte dann erst gegen Ende dieses Jahres oder Anfang nächsten Jahres fallen.

Nach Informationen der taz ist die Abgabe der Stillhaltezusage nicht auf Druck des neuen Innenministers Alexander Dobrindt (CSU) erfolgt, sondern vom BfV aufgrund eigener regelmäßiger Praxis vorgenommen worden. Es habe auch früher bereits derartige Stillhaltezusagen gegeben. Vermutlich hätte der Verfassungsschutz auch eine derartige Zusage für richtig gehalten, wenn Nancy Faeser Innenministerin geblieben wäre.

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