piwik no script img

Hitzewelle in ItalienWie bei Corona

In Deutschland redet man über die Feinheiten von Luft- und Bodentemperatur. In Italien indes verbarrikadieren sich die Menschen in den Wohnungen.

Zwei, die noch raus müssen Foto: Gregorio Borgia/dpa

Rom taz | Manchmal gibt es ja auch gute Nachrichten. Bis Mitte Juli wurde Italien weder von größeren Waldbränden heimgesucht noch auch von einer Dürre geplagt, wie sie im letzten Jahr vor allem den Norden des Landes traf. Dazu noch hat sich der Sommer im Juni recht moderat angelassen, mit Tageshöchsttemperaturen um die 30 Grad, wie man sie seit je südlich des Brenner erwartet.

Doch seit zehn Tagen ist Schluss mit lustig. Zunächst schneite „Cerbero“ herein, die erste große Hitzewelle, benannt nach dem mehrköpfigen Höllenhund Zerberus. Das heißt: Kein Tag verging mehr in Rom, ohne dass nicht mindestens 35 Grad erreicht wurden. Jetzt hat Zerberus sich getrollt, doch umgehend fand er würdigen Ersatz.

Jetzt nämlich ist die Heißfront „Caronte“ unterwegs. Der Name passt: Charon rudert in der griechischen Mythologie die Toten Richtung Hades. Heitere Aussichten hält die Wettervorhersage in der Tat bereit. Am Montag wurden in Rom 38 Grad gemessen, für Dienstag sind 42 Grad versprochen, und überhaupt soll an keinem einzigen Tag bis Ende Juli der Tageshöchstwert unter 35 Grad sinken, sollen durchgehend auch „tropische Nächte“ drohen, in denen die Temperatur nie unter 20 Grad fällt.

Seither präsentieren sich die Wohnviertel Roms, als sei gerade wieder Covid-Lockdown. Vor die Tür gehen die Leute nur noch, um notwendige Dinge zu verrichten, um einzukaufen, den Hund Gassi zu führen oder ihre Arbeitsstätte aufzusuchen. Ansonsten verbarrikadieren sich die Rö­me­r*in­nen zu Hause, gerne hinter heruntergelassenen Rollläden und gerne natürlich auch bei eingeschalteter Klimaanlage – rund die Hälfte der italienischen Haushalte ist damit ausgerüstet.

Die Mitternachtskühle der 80er

Reichlich gute Tipps gibt es derweil in den Medien, wie man der Megadauerhitze trotzt, vom Ratschlag, sich in den Mittagsstunden lieber nicht in der Sonne aufzuhalten, bis hin zur Anregung, sich doch lieber luftig anzuziehen, viel Wasser zu trinken, einen Bogen um fettes Essen und Alkohol zu machen. Die leergefegten Straßen in den Wohnvierteln, die Shorts der Männer und Minikleidchen der Frauen, die sich noch vor die Tür trauen, zeugen davon, dass die meisten sich brav an den Regelkanon halten.

Beratungsresistent zeigt sich jedoch eine auch jetzt noch nach Zehntausenden zählende Gruppe: die der Tourist*innen. Stundenlang schwitzen sie, der herunterbrennenden Sonne ausgesetzt und bestenfalls durch Schirmchen geschützt, in der Schlange vor den Vatikanischen Museen oder dem Kolosseum.

Einwenden ließe sich nun, dass es sommers in Italien doch immer schon heiß war. Doch wer in den achtziger Jahren dort unterwegs war, der mag sich auch daran erinnern, dass in den Abendstunden viele Menschen mit einem leichten Baumwollpulli über den Schultern ausgingen, weil es Richtung Mitternacht oft frisch wurde, und der erinnert sich auch daran, dass Temperaturen deutlich über 30 Grad eine rare Ausnahme waren.

Der Klimaforscher Luca Mercalli erklärt den Unterschied zwischen der heutigen und der früheren Hitze kurz und bündig. Früher redeten die Wettervorhersagen im Juli und August immer vom Azorenhoch, doch das ist mittlerweile ausgestorben. Schon seit diversen Jahren dominiert das „afrikanische Hochdruckgebiet“ die Sommerszene; es schaufelt direkt aus der Sahara die Wüstenheißluft Richtung Italien, Richtung Europa. Und es ist Klimakrise zum Anfassen. Noch heißt es in den Nachrichten, die Höchsttemperaturen lägen „5 bis 10 Grad über dem langjährigen Mittel“, doch mit den Jahr für Jahr gebrochenen Hitzerekorden zeichnet sich ab, wo das neue Mittel liegt.

Rechtsregierung mit Verbrenner-Wissing

Von links bis rechts leugnet denn auch so gut wie niemand in der italienischen Politik den Klimawandel. Das hindert jedoch die italienische Rechtsregierung nicht daran, an der Seite des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing das Aus für den Verbrennermotor zu bekämpfen und gegen die EU-Normen zur Energieeffizienz von Gebäuden zu Felde zu ziehen.

Und auch weiter unten findet jenseits des wohlfeilen Tipps, reichlich Wasser zu trinken, kaum eine Debatte statt, was etwa zu tun wäre, um die Städte hitzeresistenter zu machen, zum Beispiel mit Projekten der Stadtbegrünung. Mehr als der Ratschlag an alte Leute, sie sollten doch ihre Tage in vollklimatisierten Einkaufszentren verbringen, ist gegenwärtig nicht geboten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • good work keep going

  • "Zunächst schneite „Cerbero“ herein, die erste große Hitzewelle, benannt nach dem mehrköpfigen Höllenhund Zerberus" / Dieser Höllenhund passt auf, dass keine Lebendigen ins Totenreich gelangen und Tote dem Reich des Hades nicht entfliehen

    Kommentar gekürzt. Btte beachten Sie unsere Netiquette.

    Die Moderation

  • Nice work.

  • Dem Schluss muss ich widersprechen: die italienische Rechte tendiert durchaus zur Leugnung des Klimawandels. Vor allem wird geleugnet, dass der Mensch damit irgendwas zu tun hat, es wird gern auf natürliche "Klimazyklen" verwiesen.

    Das Thema findet aber eigentlich auf Regierungsebene kaum statt. Schlimmer lässt sich ein Problem eigentlich nicht verleugnen...

  • Ich kenne Rom ganz "gut", und wollt's nicht wirklich glauben.

    Habe mir dann gerade mal eine Live-Webcam aus Trastevere angeschaut, das gehört ja auch nocht zum Tourist-Muss. (Ein richtiges Bewohnerviertel habe ich auf Anhieb nicht gefunden.)

    Jedenfalls, eigentlich müsste da jetzt die Hölle mit Touristen los sein, und auf dem Piazza Santa Maria sieht es aber aus als wäre es Mitte März. Einfach niemand unterwegs.

    den Link kopiere ich mal nicht ein, womöglich blockt's dann meinen Beitrag.

  • Great work

  • Bei dem Mops , den die Taz erneut als Bild bringt, handelt es sich um eine sogenannte Qualzucht, die verboten werden sollte. Dieser Mops weißt eindeutige §chädeldeformationen auf, bitte missbrauchen Sie Bilder von dieser armen Kreatur nicht nur um die Klimahysterie zu hypen.

  • 6G
    678409 (Profil gelöscht)

    #AFDP: Es mag ja sein, dass die FDP in ihrem Parteiprogramm viele Seiten mit Umweltschutz stehen hat. Papier ist geduldig. Trotzdem wird alles torpediert. Notfalls auch mit Faschisten.

    „Das hindert jedoch die italienische Rechtsregierung nicht daran, an der Seite des deutschen Verkehrsministers Volker Wissing das Aus für den Verbrennermotor zu bekämpfen und gegen die EU-Normen zur Energieeffizienz von Gebäuden zu Felde zu ziehen.“

    Sehr interessant zu lesen, wie die FDP mit ihrer Haltung am Alten der deutschen Wirtschaft schadet.

    www.volksverpetzer...tscher-wirtschaft/

    • @678409 (Profil gelöscht):

      Klimaschutz hat nichts mit Umweltschutz zu tun. Alles, was bei uns unter Klimaschutz läuft, sind technische, z.T. industrielle Massnahmen gegen CO2-Ausstoss.



      Umweltschutz, z.B. Tierschutz, Biotopschutz, Artenschutz, Gewässer- und Bodenschutz sind davon in der Regel negativ betroffen.



      Da muss man sich ehrlich machen.



      Bitte nicht Naturschutz und Klimaschutz in einen Topf werfen.

  • Hier eine interessante neue Studie über das wenig beachtete Thema "Windstärke und Treibhausgase": www.pnas.org/doi/1...73/pnas.2301018120

    Die aktuelle Forschung konzentriert sich auf die analytisch "interessanteren" und vermeintlich schadensträchtigeren Wirbelstürme, nicht zuletzt weil Starkwinde, die sich aus lokalen Luftdruckunterschieden ergeben, einer exakten mathematischen Modellierung weiterhin entziehen (es spielt sich alles sehr kleinräumig ab, d.h. man würde ein Netz aus Wettermesssstationen benötigen, das wesentlich dichter ist als das bestehende - Wirbelstürme hingegen kann man zumindest näherungsweise recht gut erfassen, weil diese aus der Dynamik räumlich ausgedehnter Luftmassen entstehen).

    Wird aber Infrastruktur zB von Fall- und den assoziierten Schwerwinden getroffen, dann sind die Folgen kaum weniger fatal als nach einem Wirbelsturm, und im Gegensatz zu diesen, die in der Regel eine ausreichend frühe Warnung ermöglichen, ist die Vorhersagbarkeit starkwind-gefährdeter Gebiete nahezu Null. An den Küsten kommt die Möglichkeit von Sturmfluten noch hinzu.

    In der aktuellen Studie umging man das Problem komplett, indem die charakteristischen von Sturmfluten an Land abgelagerten Sedimente während des TOAE (en.wikipedia.org/w...eanic_Anoxic_Event, 500-1000 ppm CO2) untersucht wurden. Nur Tsunamis erzeugen oberflächlich ähnliche Ablagerungen, aber nach Tsunamis findet man gleichalte Ablagerungen über extrem große Distanzen. Sturmfluten hingegen sind ein stark lokalisiertes Phänomen.

    Die Ergebnisse legen zB nahe, dass feste Küstenlinien und sichere Häfen im Lauf dieses Jahrhunderts höchstwahrscheinlich Mangelware werden, und stellen ganz nebenbei den Sinn von lokalen Küstenschutzbauten (Thames Barrier etc) in Frage - früher oder später trifft eine Sturmflut eben einen ungeschützten Bereich direkt nebenan.

    Das Paper ist zwar hinter einer Paywall, aber wie man damit umgeht, sollte ja mittlerweile bekannt sein.