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Herbstgutachten der WirtschaftsforscherÖkonomen gegen Schwarze Null

Es droht zwar keine Wirtschaftskrise, aber übertriebenes Sparen gefährdet laut Ökonomen das Wachstum. Sie loben die Klimapolitik der Regierung.

Handelskriege, Trump und Brexit: Deutschland exportiert weniger Foto: ap

Berlin taz | Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erwarten nach einem leichten Abschwung eine rasche Erholung des Wachstums in Deutschland. „Von einer Konjunkturkrise kann nicht gesprochen werden“, sagte Claus Michelsen, Ökonom am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) am Mittwoch in Berlin bei Vorstellung des Herbstgutachtens der führenden Konjunkturbeobachter.

Zwar schrumpfen die Umsätze der Industrie. Doch anderen Branchen, insbesondere dem Einzelhandel, den Dienstleistern und dem Bau, gehe es weiterhin gut. Im Gesamtjahr erwarten die fünf Wirtschaftsforschungsinstitute zwar nur noch 0,5 Prozent Wachstum. Doch schon 2020 soll wieder eine eins vor dem Komma stehen, wenn die Auslandsnachfrage wieder anzieht. „Wir schrammen an der Rezession vorbei“, fasst Christoph Schmidt vom Institut für Wirtschaftsforschung in Essen zusammen.

Schuld am akuten Rückgang ist vor allem der sinkende Export. Die Nachfrage aus den USA und China ist deutlich schwächer als in den vergangenen Jahren. Vor allem die Autoindustrie, der Maschinenbau sowie die Pharmaindustrie verkaufen dort weniger. Als Hauptursache der schwachen Zahlen gelten der Handelskrieg, den US-Präsident Donald Trump vom Zaun gebrochen hat, sowie der geplante Austritt Großbritanniens aus der EU (Brexit).

Ökonom: Schwarze Null taugt nicht als Politikziel

Angesichts der Konjunkturschwäche fordern die Ökonomen eine Abkehr von der Idee der „schwarzen Null“, also dem ausgeglichenen Haushalt um jeden Preis. Es habe keinen Sinn, in den Abschwung hinein zu sparen, sagte Michelsen auch stellvertretend für die anderen Wirtschaftsforschungsinstitute. Genügsamkeit tauge nicht als Politikziel und könne kein Selbstzweck sein.

Die Ökonomen sehen dagegen keine Notwendigkeit für ein Konjunkturprogramm. Für teure Eingriffe sei die Lage bei weitem nicht ernst genug. Die Kapazitätsauslastung sei gerade erst auf normalem Niveau angekommen, nachdem die deutsche Wirtschaft ihre Möglichkeiten jahrelang überstreckt hatte.

Den Gedanken an eine Neuauflage der Abwrackprämie tun die Experten sogar als ökonomischen Unsinn ab. Dem Volksvermögen funktionierende Produkte zu entziehen, in diesem Fall Autos, und durch Neuwaren zu ersetzen, sei nicht nachhaltig und schaffe nur ein Strohfeuer. Investitionen in Zukunftstechnik seien sinnvoller. Der Mechanismus der Schuldenbremse schaffe zudem bereits einen Ausgleich für den Abschwung. Sie erlaubt ausdrücklich höhere Ausgaben, solange die Konjunktur schwächelt.

Konkret ist es die Autoindustrie, die den Wirtschaftsinstituten besondere Sorge bereitet. Ein Teil der Probleme sei jedoch die Schuld der Unternehmen, betonen die Fachleute. China habe eine Quote für Elektrofahrzeuge erlassen und damit eine Veränderung des Marktes geschaffen, auf die die Anbieter nicht vorbereitet waren, so Michelsen. In Anbetracht der hohen Bedeutung der Autoindustrie für viele deutsche Regionen bleibe da der Wachstumseffekt nicht aus.

Unterschiedliche Konjunktur deutschlandweit

Dementsprechend sieht auch die Verteilung der Konjunkturdaten in den deutschen Regionen aus. Es sind gerade die traditionell wirtschaftsstarken Ecken des Landes, die jetzt schwer getroffen werden. In Baden-Württemberg, Wolfsburg oder Ingolstadt ist die Konjunktur schwächer als anderswo. Im Osten Deutschlands überwiegt dagegen der Effekt einer Rentenerhöhung, so dass die Gesamtlage eine Angleichung der Verhältnisse begünstigt.

Während die Wirtschaftsweisen ausdrücklich kein Konjunkturprogramm empfehlen, signalisiert die Bundesregierung bereits ihre Bereitschaft, der Konjunktur durch gezielte Förderung aufzuhelfen. „Es ist bedauerlich, dass die Aussichten so gedämpft sind“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Berlin. Erfreulich sei, dass noch keine Konjunkturkrise drohe. Dennoch wolle sein Ministerium mit Entlastungen für Mittelstand und Industrie mithelfen, den Durchhänger zu überwinden.

Ausdrückliches Lob gibt es von den Ökonomen für die Konjunkturaspekte der Klimapolitik der Regierung. Beispiel Emissionshandel: Wenn wirklich die Zertifikate für die Kohlenstoffnutzung einen Marktpreis erhalten, dann werde dieser im Abschwung sinken – was eine Kostenerleichterung für die Wirtschaft bringt. „Der Mechanismus bringt einen stabilisierenden Ausgleich“, sagt Stefan Kooths vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Auch die beginnenden Ausgaben aus den Klimatöpfen dürften der Industrie über die anstehenden Veränderungen hinweghelfen.

Die Ökonomen weisen jedoch auch darauf hin, dass für einen effektiven Klimaschutz auch Konsumverzicht nötig sein wird, der erst einmal das Wachstum belastet. „Wenn wir die Langfristperspektiven für unsere Kinder erhalten wollen, sind auch Einschnitte nötig“, sagt Oliver Holtemöller vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Es gebe hier einen Zielkonflikt zwischen der kurzfristigen Schaffung von Wohlstand und dem langfristigen Erhalt der Grundlagen für gute Lebensverhältnisse.

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2 Kommentare

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  • Ich kapiere eh nicht, warum in einer Zeit mit niedrigen Zinsen, wegen der Schwarzen Null nötige Investitionen wie in die Infrastruktur verschoben werden. Wenn sie warten bis die Zinsen wieder steigen ergibt das doch auf lange Sicht eine höhere Staatsverschuldung. Manchmal habe ich das Gefühl das die Politik mit der schwarzen Null nur den Weg für mehr Privatisierung ebenen will. Der Staat gibt sich schwach und handlungsunfähig und die Wirtschaft springt gefüttert mit billigen Krediten, ein. Anders lässt sich das für mich nicht mehr erklären.

  • Merken diese Herren eigentlich noch etwas? Überall wird vom schwächelnden Export geredet, und es fällt ihnen nicht auf, wie sehr abhängig sich die D Wirtschaft durch die ganzen Sparorgien gemacht hat. Wenn als Wachstumsmotor die moderaten Rentnerhöhungen im Osten zuständig sind, wo bleibt dann die Frage, was eine "Entlastung der Unternehmen" bringen soll, wenn sie nicht voll ausgelastet sind. Wofür sollen die Geld ausgeben in unsicheren Zeiten, wenn kein Absatz winkt.

    Wenn allerdings die Wirtschaft "ihre Möglichkeiten jahrelang überstreckt" hätte, warum wurde bei vollen Kassen dann nicht investiert. Warum wurden Mitarbeiter nicht eingestellt, und warum warenn die Gehälter so niedrig?

    Ich habe den Eindruck, dass diese Wirtschaftsweisen in einer Parallelwelt leben, die irgendwie anders funktioniert. Ich kenne Zeiten mit 4 und mehr % Wachstum, und da hat niemand von überstrecketen Möglichkeiten gesprochen, und jetzt reden sie bei 0,5% Wachstum davon, dass das nur eine kleine Delle wäre, und man nicht einzugreifen brauche. Wo bleibt der Mindestlohn von 12 und mehr €. Die Kaufkraft fehlt in der Bevölkerung Bei ausreichend Inlandsnachfrage braucht man sich über Husten von US-Präsidenten und den Sack Reis in China nicht mehr so sorgen.