Heirat, Familiennachzug, Daddy-Issues: Beziehungsprobleme überall
Bezos heiratet in Venedig, der Agrarminister ist knauserig, deutsche Familien sind neidisch und Generalsekretär Mark Rutte hat Trump „Daddy“ genannt.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Friedrich Küppersbusch: Bei 35 Grad war ich alle im Büro.
taz: Und was wird besser in dieser?
Küppersbusch: Mittwoch 38.
taz: Unter großem Protest der Einwohner_innen heiraten Jeff Bezos und Lauren Sánchez in Venedig. Haben auch Milliardäre ein Recht auf Romantik?
Küppersbusch: Bezos soll, nach einer Untersuchung von 2021, den CO₂-Fußabdruck von 331 Normalverbrauchern haben. Dass wiederum wir 331 Deppen uns bei Amazon wundkaufen, damit er so leben kann, hat schon etwas Märchenhaftes.
taz: Der Mindestlohn soll bis 2027 auf 14,60 Euro steigen. Währenddessen kündigt der Agrarminister an, Saisonarbeiter davon auszunehmen. Was bringt der Mindestlohn, wenn man jetzt schon über Eingriffe nachdenkt?
Küppersbusch: Da hat der Herr Rukwied aber mal ein ordentliches Bäuerchen gemacht! Respektive würzige Landluft aus Richtung AfD hochgerülpst. An die 90 Prozent der Saisonarbeitenden sind Rumänen und Polen, und den Antrag, ihnen den Mindestlohn zu streichen, brachte die AfD vor einem Jahr ein. Dabei ziehen viele Landwirte den Gurkenfliegern und Spargelstechern Unterkunft und Verpflegung ab und pflügen beherzt durch die Stundenzettel.
Senkt man jetzt noch den Mindestlohn, mault der erste Bauer bald, man finde ja keine Leute mehr. Bauernpräsident Rukwied hat beim Schnadegang den Grenzstein ein bisschen aufs AfD-Land verschoben, Landwirtschaftsminister Rainer drückt ein Auge zu. Vom Mindestlohn ausgenommen sind bereits Langzeitarbeitslose, Behinderte, Minderjährige und Praktika. Vielleicht können die Bauern die drankriegen. Guten Appetit!
taz: Der Bundestag hat beschlossen, den Familiennachzug für Geflüchtete auszusetzen. Gilt es für die Regierung, nur die deutsche Familie zu schützen?
Küppersbusch: Im Kampf gegen „illegale Einwanderung“ schafft Schwarz-Rot die legale Einwanderung ab. Huch, tut uns leid. Denn: Wer hier Schutz genießt, ist legal da, und Angehörige nachzuholen, war’s bisher auch. Vor allem die Union berauscht sich an Schlepperbanden, monströs gelogenen Zahlen und Klischees vom bösen Muselmann. Tatsächlich sind es zu über 70 % syrische Bürgerkriegsflüchtlinge und mit ordentlich Schikane wurden bisher nicht mal die kargen Kontingente immer ausgeschöpft.
Familien integrieren sich besser als Einzelpersonen. Und selbst die können jetzt nicht mehr geltend machen, wenn sie ihren Lebensunterhalt selbst verdienen und ihre Familie ernähren könnten. Migrationspolitisch ein Debakel, weil man beim Versuch, „die Falschen auszusortieren“, die falschen aussortiert. Und mal so auf psycho: Wie kaputt müssen deutsche Familien sein, dass sie es anderen so neiden?
taz: „Sie konnten uns nicht verbieten, also können sie auch die AfD nicht verbieten“, sagte Compact-Chefredakteur Jürgen Elsässer, nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Compact-Verbot für rechtswidrig erklärt hat. Stimmt das?
Küppersbusch: Generalbass im Medienschaffen von Elsässer und „Compact“: Hier herrsche keine Demokratie, keine Meinungsfreiheit, der Rechtsstaat sei am Arsch. Und, Leute, kauft den „Höcketaler“ zu überteuerten Silberpreisen, klar. Nun lässt ebenjener kompakte Elsässer Demokratie, Meinungsfreiheit und Rechtsstaat hochleben.
Auf einer rein ästhetischen Ebene hat er sich mit seinen Prozess-Statements einmal gründlich durchgeohrfeigt, immerhin ein humoristisches Highlight. Für das Vereinsverbot ist das Verwaltungsgericht zuständig, das die Meinungsfreiheit hoch angesiedelt hat. Für ein Parteiverbot am Ende das Verfassungsgericht, das den Bestand des Staates höher zu werten hat. Nachdem Elsässer bescheinigt hat, dass hier alles in Ordnung ist, wird die AfD mit ihrem Verbot sicher viel besser klarkommen.
taz: Anna Wintour hört als Chefredakteurin bei „Vogue“ auf. Fällt Ihnen (stylischer) Ersatz ein?
Küppersbusch: Überredet, ich mach’s.
taz: Generalsekretär Mark Rutte hat Donald Trump beim Nato-Gipfel „Daddy“ genannt. Macht das die anderen Nato-Mitglieder zu infantilen Rotznasen?
Küppersbusch: Können wir noch so neurotisch werden, wie wir sein müssten, wenn Trump unser Vater wäre? Der hatte sein Desaster beim Friedensstiften erklärt mit „Kindern, die sich halt mal prügeln müssen“. Meinte damit also Russland, Ukraine, Israel, Iran, Gaza und wo sonst auf der Welt er noch versagt hat. Für die Schleimerei ist Rutte viel gescholten worden, but, let’s face it: Der „mächtigste Mann der Welt“ ist halt ein Therapiefall.
taz: Und was macht der RWE?
Küppersbusch: Das Stadion kann nun doch ausgebaut werden, wenn die Namensrechte verkauft werden. Die „Hafenstraße“ heißt dann also nicht mehr „Hafenstraße“, sondern „Stadion, für das wer bezahlt, dass es weiter Hafenstraße heißen kann“. Hoffentlich.
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