Hasskriminalität nach der US-Wahl: Ein Vorbild für den Hass
Seit dem Sieg Donald Trumps stieg die Zahl rassistischer und sexistischer Übergriffe – weil Worten auch Taten folgen. Das muss Konsequenzen haben.
Gerade mal eine Woche nach dem Wahlsieg Donald Trumps berichten NGOs und Aktivisten von einer erschreckenden Zunahme der Hasskriminalität in den USA. 437 Fälle sammelte das Southern Poverty Law Center (SPCL) allein in den ersten fünf Tagen nach der Wahl. Das ist allerdings bloß die Fortsetzung dessen, was fast zwei Jahre Wahlkampf in den USA bereits angeschoben haben.
Am Sonntag veröffentlichte dann das FBI eine Statistik, wonach die Zahl der Fälle von Hasskriminalität gegen Muslime in den USA im Jahr 2015 um 67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr angestiegen ist. Erfasst wurden 257 antimuslimische Übergriffe im Jahr 2015 (im Vergleich zu 154 im Vorjahr) – das ist der höchste Wert, der seit den Anschlägen auf das World Trade Center im Jahr 2001 erhoben wurde. Genauso stieg die Zahl der Übergriffe auf jüdische, schwarze und LGBT-Menschen. Was all diese Gruppen gemeinsam haben? Sie gehören zu jenen, gegen die Trump immer wieder gewettert hat.
Und Experten führen die Übergriffe auch konkret auf Trumps Rhetorik zurück. Auf das, was er gesagt hat. Also etwa auf seine Forderungen, Moscheen zu überwachen, Muslimen die Einreise in die USA zu verweigern und eine Datenbank mit allen muslimischen US-Bürger zu erstellen.
Bereits am Tag nach der Präsidentschaftswahl sammelte der „Black Lives Matter“-Aktivist Shaun King auf Twitter Berichte von Übergriffen unter dem Stichwort „Day 1 of Donald Trump“. Viele Betroffene berichteten davon, dass sich Täter auf den neu gewählten Präsidenten beziehen.
Gewalt nach dem Brexit-Referendum
Einer Frau zum Beispiel rief in der U-Bahn in Pittsburgh eine Gruppe Männer „Grab her by the pussy“ hinterher, bevor ein Mann sie tatsächlich zu begrapschen versuchte. Der Bezug ist klar: das Video, in dem Trump erklärte, er dürfe jede Frau anfassen. Ein homosexuelles Paar in North Carolina fand an seinem Auto eine Notiz; der Schreiber beteuerte, er freue sich auf den Moment, in dem ein „echter“ Präsident die Ehe der beiden auflösen werde, homosexuelle Familien sollten überhaupt zur Hölle fahren. Die Liste der Übergriffe ist lang.
Diese neue Hemmungslosigkeit der Taten ist nicht neu. Auch in Großbritannien stieg die Zahl rassistischer Vorfälle im Juni stark an – direkt nach dem Brexit-Referendum. Der britischen Polizei zufolge wurden in der Woche nach der Abstimmung 57 mehr Fälle von Hasskriminalität gemeldet als im Monat zuvor. Auch dort wurde schwarzen Menschen mit Deportation gedroht, gab es Überfälle auf der Straße, erhielten schwarze Politiker Morddrohungen.
All das zeigt, dass Worte mehr sind als ein neutrales Instrument zur Kommunikation. Was sagbar ist, das ist auch machbar
All das zeigt, dass Worte mehr sind als ein neutrales Instrument zur Kommunikation. Worte prägen unser Denken. Aber vor allem: Was sagbar ist, das ist auch machbar. Wenn diskriminierende und rassistische Sprache nicht mehr nur möglich ist, sondern quasi von oben, von der Spitze des Staates aus legitimiert wird – warum soll dieser Freibrief nicht auch für Taten gelten?
Es müssen Taten folgen
Andersherum sind Worte in der Politik noch keine Taten. Und man muss gar nicht erst in die USA schauen. Denn wenn der EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) Chinesen „Schlitzaugen“ nennt oder ein Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) behauptet, afrikanische Männer verprassten ihr Geld für „Alkohol, Suff, Drogen, Frauen“, dann hat das bisher keine Konsequenzen. Ein bisschen Empörung, ja, ein „So war es nicht gemeint“, und die Sache ist gegessen.
Das muss sich ändern. Oettinger kann sich entschuldigen, Trump kann seine Anhänger auffordern, keine Gewalt auszuüben. Aber ihre Worte sind in der Welt, und darum müssen Taten folgen: Rücktritte. Es müssen vor allem die Politikerinnen und Politiker sein, die bei solchen Äußerungen ihre KollegInnen zur Verantwortung ziehen. Die politischen Gegner genauso wie die eigenen Mitstreiter. Es geht hier nicht um Wahlkampf, auch nicht um den Zusammenhalt in der eigenen Partei. Es geht um Anstand.
Denn genauso wie Solidarität braucht auch der Hass Vorbilder – und die bekommt er gerade.
Leser*innenkommentare
ulf hansen
Rassismus ist überwiegend ein Soziales Problem ,mehr Arme und Ungerechtigkeit desto mehr "Rassisten".
Wohlhabende machen nur unterschiede in Geld Angelegenheiten sonst ist da nichts.
mats
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Oskar
Das wirksamste Mittel gegen Rassismus wäre eine linke Alternative zum Neoliberalismus und zur dreisten Ignoranz der Eliten gegenüber dem Großteil der Bevölkerung.
Leider gibt es das im Moment nicht.
Irgendwelchen Trumpwählern auf die fresse hauen oder irgendwelche Leute zum Rücktritt drängen.
Die AfDler und die Faschos werden nicht zurück treten, egal wie viel gemeckert wird und dann wählen die Leute eben nicht mehr Öttinger wegen des Rassismus sondern Petry.
Ich bin mir nicht sicher ob das die Sache besser macht
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10236 (Profil gelöscht)
Gast
Sie finden garantiert nichts in den gängigen Medien über anscheinend politisch motivierte Gewalt gegen die Trump-Wähler/-Supporter.
Kurze Suche spuckt ziemlich viele Fälle mit manchmal amüsanten (in "") Ergebnissen, wenn z.B. eine High-School-Demo mit Transparenten "love trumps hate" einen Typen verprügelt, weil er eine Trump-Mütze trägt:
http://wtop.com/montgomery-county/2016/11/trump-supporter-15-beaten-during-rockville-protest/slide/1/
2097 (Profil gelöscht)
Gast
@10236 (Profil gelöscht) Ich habe allerdings trotz des Verschweigens solcher Fälle weiterhin den Eindruck, was Gewalt, Bewaffnung, Hass, gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Volksverhetzung angeht, sind die Trump Anhänger wesentlich professioneller. Immerhin unterstützt ja auch der Ku-Klux-Klan Trump, da kann man ja auf eine lange Tradition zurückgreifen. Lynchjustiz sollte dann auch bald wieder möglich sein mit diesen Anhängern.
10236 (Profil gelöscht)
Gast
Die Rassisten scharen sich hinter den Republikanern v.a. wegen des Civil Right Acts von 1964.
Dass man auch mit der Legislative für die Rechte der Schwarzen ein Rassist sein kann beweist das Beispiel von Lyndon Johnson vorzüglich: http://www.snopes.com/lbj-voting-democratic/
"Immerhin unterstützt ja auch der Ku-Klux-Klan Trump, da kann man ja auf eine lange Tradition zurückgreifen."
KKK hat auch Ronald Reagan unterstützt. Reagan und Trump haben diese Unterstützung zurückgewiesen:
https://www.washingtonpost.com/news/the-fix/wp/2016/02/29/for-decades-the-ku-klux-klan-openly-endorsed-candidates-for-political-office/
http://www.cbsnews.com/news/donald-trump-rejects-endorsement-of-ku-klux-klan/