Harte Strafen für Klimaprotest: Britische Aktivisten müssen in Haft
Die bisher längsten Haftstrafen für friedlichen Protest: Britische Klimaaktivist*innen müssen für bis zu fünf Jahre ins Gefängnis.
![Ein Demonstrant wird von zwei britischen Polizisten von der Straße getragen Ein Demonstrant wird von zwei britischen Polizisten von der Straße getragen](https://taz.de/picture/7129327/14/Extinction-Rebellion-Urteil-London-M25-1.jpeg)
Die Aktivist:innen, drei Frauen und zwei Männer, die Sympathisant:innen als die „Whole Truth Five“ bezeichnen, wurden wegen Aktionen im November 2022 schuldig gesprochen. Dabei waren Aktivist:innen von „Just stop Oil“ an verschiedenen Orten unter anderem auf Signalbrücken der Londoner Außenringautobahn M25 geklettert und hatten dort Banner aufgehängt.
Da die Straße aus Sicherheitsgründen über vier Tage gesperrt wurde, soll die Aktion mit 51.000 Stunden Verkehrsverzögerungen, die mehr als 700.000 Fahrzeuge betraf, zu wirtschaftlichen Folgeschäden von umgerechnet 900.000 Euro geführt haben. Für Polizeieinsätze entstanden zusätzliche Kosten in Höhe von über einer Million Euro.
Ein Polizist wurde bei einem Sturz vom Motorrad leicht verletzt und zwei LKWs waren in einem Unfall verwickelt. Verpasste medizinische Termine, Flüge, Beerdigungen listete die Staatsanwaltschaft ebenfalls als Konsequenzen der Aktion auf.
Zoom als Beweismaterial
Die Verurteilten hatten über Zoom potenzielle Aktivist:innen rekrutiert. Hallam hatte dort die größte Aktion in der britischen Geschichte gefordert, um damit die Öl- und Gasgewinnung in der Nordsee zu stoppen. Ein Mitschnitt des Zooms durch einen Undercover-Journalisten der rechten Boulevardzeitung The Sun wurde an die Polizei weitergegeben und diente als Beweismaterial. Zwei der Verurteilten wurden neben der M25 festgenommen, während andere organisatorische Aktionen leiteten.
Richter Christopher Hehir argumentierte in seinem Urteil, dass die Proteste bis ins Detail geplant waren und eine Verschwörung darstellten. Die Aktivist:innen seien zum Fanatismus übergelaufen und hätten sich als einzige berechtigte Entscheidungsträger:innen verstanden, um den klimatischen Herausforderungen zu begegnen. Dabei hätten sie Störungen und Schäden ihrer Mitbürger:innen in Kauf genommen.
Während des Prozesses hatte Richter Hehir außerdem die Zeit für Roger Hallams Verteidigungsplädoyer schließlich begrenzt. Hallams Ausführungen hatten sich an mehreren Tagen über mehrere Stunden hingezogen. In seiner Rede hatte er Aktivist:innen aufgerufen, mit Plakaten ins Gericht zu kommen. Zudem hatte er mehrmals richterliche Anweisungen ignoriert. Dreimal war er festgenommen worden. Hallam gab an, dass er seit der Aktion politische Lobbyaktivitäten bevorzuge und direkte Aktionen ablehne. Aktivist:innen, die Hallams Aufruf gefolgt waren, waren zunächst ebenfalls festgenommen worden, doch am Ende sah der Richter von einer Bestrafung ab.
Nach der Urteilsverkündung sprachen Eltern und Freunde der Verurteilten neben bekannten Politiker:innen. Auch der britische Naturprogrammmoderator Chris Packham, der Unternehmer Dale Vince, der ehemalige wissenschaftliche Regierungsberater David King sowie Greenpeace UKs Amy Cameron kamen zu Wort.
Berufung und Proteste
„Just stop Oil“ gab an, dass man Berufung einlegen wolle sowie mit Protesten und Aktionen weiter kämpfen werde. Clive Lewis, ein Unterhausabgeordneter Labours, der ebenfalls vor den Versammelten sprach, sagte der taz, dass er das Urteil als Travestie interpretiere – vor allem wegen des Strafmaßes, das friedliche Proteste schweren Kriminaldelikten gleichstelle.
Die Labour-Regierung müsse darauf reagieren und sicherstellen, dass die Aktivist:innen freigelassen würden. Er unterstütze ein Treffen von Vertreter:innen der Verurteilten mit dem neuen britischen Generalstaatsanwalt. Zudem werde er das Thema im Parlament ansprechen. Die neue Labour-Regierung hatte in den vergangenen Tagen angekündigt, dass neue Gas- und Ölgewinnungsprojekte eingestellt würden – ein Schritt, den „Just stop Oil“ begrüßte.
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