Handelsabkommen zwischen EU und Südamerika: Freie Bahn für Verbrenner
Laut einer Studie hat die Autolobby auf ein Handelsabkommen zwischen der EU- und Südamerika eingewirkt. Sie will dort weiter Verbrenner verkaufen.
Vertreter:innen der Automobilindustrie haben die Verhandlungen um das bislang noch nicht ratifizierte Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Staaten des südamerikanischen Binnenmarkts Mercosur erheblich beeinflusst.
Das geht aus internen E-Mails des damals unter CDU-Führung befindlichen Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die verschiedene Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen, darunter PowerShift, Greenpeace und Misereor, im Zuge einer am Mittwoch veröffentlichten Studie ausgewertet haben. Zur Wirtschaftsunion Mercosur gehören Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela.
Laut der Studie betrieb nicht nur die Autoindustrie intensive Lobbyarbeit – Mitarbeiter:innen des Ministeriums holten eigeninitiativ mehrfach Vorschläge vom Verband der Automobilindustrie (VDA) ein. Entsprechend viele Elemente des Vertragsentwurfs dienten den Interessen der Branche.
Zentral dabei ist der vorgesehene Abbau von Zöllen, sowohl auf Autos und Autoteile als auch auf Rohstoffe, die für die Produktion benötigt werden. Sie erleichtern nicht nur europäischen Herstellern den Export ihrer Fahrzeuge und Fahrzeugteile, sondern verbilligten umgekehrt auch deren Rohstoffversorgung. Mit unter anderem Lithium und Rindsleder handelt es sich dabei um Materialien, deren Gewinnung Menschenrechtsverletzungen, Entwaldung und Flächenverbrauch in den Mercosur-Staaten mit sich ziehe.
Der VDA selbst misst dem Abkommen in seinem Jahresabschlussbericht für das Jahr 2020 eine hohe Priorität zu, weil „die Länder des Mercosur wichtige Zukunftsmärkte“ seien. Die Verfasser:innen der Studie melden dagegen erhebliche Zweifel an seiner Zukunftsfähigkeit an. Ludwig Essig vom Netzwerk Gerechter Welthandel fordert deshalb „transparente und demokratische Verhandlungen“.
Keine Abkehr von der fossilen Industrie
Problematisch sei das Abkommen laut Studie deshalb, weil die EU bereits einen erheblichen Exportüberschuss gegenüber dem Mercosur verzeichne. Südamerikanische Produzenten würden ohne schützende Importzölle noch stärkerem Preisdruck ausgesetzt und damit gegenüber der europäischen Konkurrenz immer weniger wettbewerbsfähig, die Beschäftigungsverhältnisse weiter prekarisiert.
Vor allem aber stehe das Abkommen „einer schrittweisen Abkehr vom fossilen Individualverkehr im Weg“, weil es europäischen Herstellern langfristig „einen lukrativen Absatzmarkt für klimaschädliche Verbrennungsmotoren“ sichere.
Die Hersteller planen, in Südamerika noch deutlich länger auf Verbrenner zu setzen als in Europa. Im mit großzügigen Lithiumvorkommen ausgestatteten Argentinien werde bereits eine Umstellung auf E-Mobilität verfolgt. In Brasilien machten E-Autos dagegen nach Angaben des brasilianischen Automobilindustrieverbands ANFAVEA im Jahr 2021 gerade mal ein Prozent der Neuzulassungen aus. Hier wird auf Motoren gesetzt, die sowohl Benzin als auch Biokraftstoffe verbrennen können.
Letztere sind laut den Autor:innen der Studie jedoch keineswegs eine klimafreundliche Alternative: Ihr Anbau verursache großflächige Abholzungen, die wiederum große Mengen von Treibhausgasen freisetzten und Flächen für die Nahrungsproduktion verbrauchten.
Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur wurden 2020 abgeschlossen, seine Ratifizierung scheitert bislang aber am Widerstand einiger EU-Mitgliedstaaten, unter anderem Österreich.
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