Hamburgs erste Tierschutzprofessur: Forschen gegen Tierversuche
Maike Frye ist erste Inhaberin des Lehrstuhls der Tierschutzprofessur am Hamburger UKE. Sie hofft bald auf Tierversuche verzichten zu können.
Zum anderen möchte sie die verschiedenen Forschungsansätze zur Verringerung von Tierversuchen miteinander verbinden und für die Öffentlichkeit transparenter machen. Mittelfristig soll außerdem am UKE ein Center für die „3R-Methodik“ eingerichtet werden. „3R“ steht für „Reduce, Refine, Replace“, zu deutsch: Reduzieren, Verbessern, Ersetzen.
Stichwort Verbessern: Gerade hat das UKE 32 Millionen Euro ausgerechnet in den Neubau der Forschungstierhaltung gesteckt. „Moderne Forschung geht anders“, kritisiert der Verein „Ärzte gegen Tierversuche“. Frye sieht das anders: Der Neubau garantiere, dass die Forschungstiere zeitgemäß gehalten werden, die Kapazitäten würden nicht erweitert.
Frye möchte langfristig ganz auf Tierversuche verzichten, aber sie kann noch nicht alle Forschungsfragen ohne Tierversuche beantworten. Noch kein Forschungsbereich des UKE kommt vollständig ohne Tierversuche aus.
Immerhin Tierversuche vermeiden
Die Tiere im Versuch zu sehen, falle ihr nicht leicht, sagt Frye. Deshalb sei es ihr besonders wichtig, Tierversuche auf das Minimum zu reduzieren und bestenfalls zu vermeiden. Frye und ihr Forschungsteam setzen dafür vor allem auf die Entwicklung von neuartigen und verbesserten In-Vitro-Analysen. Dabei werden Zellen von Mäusen und aus dem Menschen in Zellkulturschalen weitergezüchtet und analysiert.
Eine weitere am UKE verwendete Alternativmethode zum Tierversuch ist die Arbeit mit induzierten pluripotenten Stammzellen. Diese Zellen werden aus menschlichen Körperzellen zu stammzellartigen Zellen zurückprogrammiert und können bei der Analyse von verschiedenen Erkrankungen helfen.
Außerdem werden neue, nichtinvasive Bildgebungsverfahren entwickelt, so dass die Forschenden in einen lebenden Organismus schauen, ohne einen Tierversuch durchzuführen. Einige Forschungsbereiche nutzen zusätzlich sogenannte Organoide – künstliches Zellgewebe. Die Wissenschaftler:innen können so in Teilen die Funktion von Organen oder sogar die Interaktion von ihnen studieren.
Studiert hat Maike Frye molekulare Biomedizin in Sydney und Münster, wo sie auch promoviert hat. Anschließend war sie Postdoktorantin im schwedischen Uppsala. Seit 2018 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin im UKE.
Neue Verfahren ersetzen Tierversuche
Fryes Forschungsschwerpunkt ist die Vaskuläre Biomedizin. Sie entwickelt Strategien für personalisierte Behandlungen von Gefäßerkrankungen. Mit ihrer Arbeitsgruppe hat Maike Frye neuartige Hydrogeltechniken entwickelt, um menschliche Zellen nachzuzüchten. Speziell geht es um Zellen der innersten Schicht von Blut- und Lymphgefäßen. Dadurch wird es möglich, Prozesse, die zu krankhaften Gewebeversteifungen führen, in Kulturschalen zu beobachten. Dieses Verfahren ersetzt Tierversuche.
Maike Frye hat Glück gehabt: Sie hat einen Job, für den sie brennt. Sie lebt mit ihrem Partner und ihrem fast einjährigem Sohn direkt neben dem UKE. „Karriere und Familie gehen für mich am UKE sehr gut zusammen“, sagt sie zur taz. Es bleibt sogar noch ein wenig Freizeit. Da fährt sie am liebsten Rennrad.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?
Kretschmer als MP von Linkes Gnaden
Neuwahlen hätten der Demokratie weniger geschadet
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient