Hamburger Ex-Linke gründen Liste: Immer mehr linke Angebote
In Hamburg wollen drei frühere Linken-Abgeordnete mit einer neuen Liste in die Bürgerschaft. Ob sie Chancen haben, liegt auch daran, was das BSW tut.
Und nun stellt sich eine neue Wählervereinigung vor, gegründet von den früheren Linken-Abgeordneten Mehmet Yildiz und Martin Dolzer und Keyvan Taheri, auch Ex-Landeschef: „Die Wahl für Frieden und soziale Gerechtigkeit“. Hamburg brauche eine politische Kraft, die „eine klare Friedensposition vertritt“, heißt es in der Einladung zur Pressekonferenz am Sonntagmittag: Auf der Elbe, an Bord eines Schiffs namens „Diplomat“, sollen das Programm und weitere Akteure vorgestellt werden – Beginn ist um fünf vor zwölf.
Yildiz und Dolzer traten im Januar aus der Linken aus. Es war im Gespräch, ob die beiden eine Bürgerschaftsgruppe bilden würden zusammen mit dem Ex-Genossen Metin Kaya; Der trat über zum BSW. Und gegenüber diesem gehen Dolzer und Yildiz auf Distanz, vor allem wegen der Aussagen Sahra Wagenknechts zur Migrationspolitik. Auch scheint das BSW wählerisch: „Es machte auf mich den Eindruck, als wären ehemalige Linken-Politiker nicht erwünscht“, sagt Keyvan Taheri. Er habe nach seinem Linken-Austritt selbst einige Monate an der BSW-Gründung mitgewirkt, sagt er, ohne Mitglied zu werden.
Nun starten die drei mit „Die Wahl“ ihre eigene Liste, die mit einem Wal im Logo wirbt. „Wir sind eine oppositionelle Kraft und werden nicht weiter zur Spaltung der Gesellschaft beitragen dadurch, dass wir einzelne Gruppen ausgrenzen oder diffamieren“, sagt Dolzer. „Wir wollen keine einfachen Lösungen für komplexe Probleme bieten. Die Migranten sind nicht Schuld an der Wirtschaftskrise.“ Wichtig wäre, den Geflüchteten, die hier sind, Aufenthalt und Arbeitserlaubnis zu gewähren und die Fluchtursachen wie Kriege zu beenden. „Dafür müssen wir Rüstungsexporte stoppen und brauchen diplomatische Kontakte auf Augenhöhe“, so der frühere Fachsprecher für Friedenspolitik.
„Wir wollen, dass keine Rüstungsgüter über den Hamburger Hafen rausgehen, auch nicht in die Ukraine“, sagt Taheri. „Wichtig ist Diplomatie, Diplomatie, Diplomatie – ohne den Angriffskrieg Russlands zu verharmlosen oder eine Täter-Opfer-Umkehr.“ Seine Familie kommt aus Iran, das in den 1980ern Krieg gegen den Irak führte. „Ich wusste schon als Kind“, sagt der 1975 Geborene: „Krieg ist Wahnsinn.“ Die Hamburger Linkspartei ist seiner Wahrnehmung nach gespalten, wenn es um Waffenlieferungen an die Ukraine geht. „Sehr ärgerlich“ nennt er „die Diffamierung des Hamburger Friedensforums als Putin-Versteher“ aus führenden Linken-Reihen.
Entfremdet, so Taheri, habe ihn auch das Eintreten der Hamburger Linksfraktion für härtere Maßnahmen während der Coronapandemie. „Die Linke argumentiert häufig sehr moralisch“, sagt er, „sodass der Meinungskorridor verengter ist.“
Eng wird es durch die Neugründung möglicherweise, was die Repräsentation des linken Spektrum in der Bürgerschaft angeht. Bei der Europawahl im Mai bekam Die Linke in Hamburg knapp 5,1 Prozent, das BSW lag mit 4,9 Prozent dicht dahinter. „Die Wahl“ peilt fünf Prozent an, die nötig sind, um als Liste in die Bürgerschaft zu kommen. Theoretisch können einzelne Kandidaten über die 17 Wahlkreise einziehen: Das schaffte 2020 eine FDP-Kandidatin, deren Partei an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte.
Dolzer zufolge repräsentiert die Liste eine bunte Mischung aus Friedensinitiativen und Gewerkschaften, Kita-Personal und migrantischen Communitys. Man sei basisdemokratisch und werde „keine Hintertürliste erstellen, sondern eine ordentliche Wahlveranstaltung durchführen“, ergänzt Taheri. Eine Wählervereinigung sei niedrigschwelliger als eine Partei. „Im Rahmen unser politischen Leitplanken möchten wir auch Leuten, die im BSW aktiv werden wollten und nicht aufgenommen wurden, eine Plattform bieten.“
Martin Dolzer, Mitgründer von „Die Wahl“
Es hängt viel an der Frage, ob das BSW in Hamburg nun mitmischt oder nicht. Noch hat das Bündnis hier nur 27 Mitglieder und nicht mal einen Landesverband, so stand es gerade im Hamburger Abendblatt. Zuständig für die Koordination vor Ort ist die Hamburger BSW-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic, die auf eine taz-Anfrage nicht reagierte. Im Juli hatte sie noch bekundet, sie sei optimistisch, zur Hamburg-Wahl anzutreten. Nun erklärte sie, man sei „in der Diskussion um einen möglichen Wahlantritt zur Bürgerschaft“ – in Absprache mit dem Bund. Worauf hin die Zeitung titelte: „Kneift das Wagenknecht-Bündnis?“
Metin Kaya vom BSW verneint das. Er wisse nicht, wann der Landesverband gegründet wird, sagt der Ex-Linke der taz: „Antreten zur Wahl werden wir auf jeden Fall.“
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