Hamburger „Ärzte für Aufklärung“: Der Verschwörung auf der Spur
Die Hamburger „Ärzte für Aufklärung“ sind willkommene Gäste bei Corona-Demos und Verschwörungsideologen. Wofür stehen sie?
Die Köpfe der Ärzte für Aufklärung sind die Initiatoren Walter Weber, Heiko Schöning und Olav Müller-Liebenau, mit dabei sind auch die Ärzte Marc Fiddike und Axel Arlt. Der Habitus des Ärztestandes gibt den Herren eine vermeintliche medizinische Kompetenz, bei den Reden pflegen sie diesen Habitus mit angeblichen Fakten und Wissenschaftsdebatten.
Die Webseite der ÄfA offenbart, dass die Ärzte aus dem Impfgegner*innen-Spektrum kommen. Unter dem Titel „Niemand hat die Absicht eine CORONA-Impfung durchzuführen“ hinterfragen sie vier Beispiele von Impfungen in Afrika und Indien. Auch ein Beitrag mit dem Titel „Wer impft zu welchem Zweck?“ legt eine Verschwörung nahe. Ein Name darf natürlich nicht fehlen: Bill Gates sei für „unerlaubte Menschenversuche mit Medikamenten“ verantwortlich. Die Quelle: das verschwörungslastige „Kopp-Online“-Portal.
Auf die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung spielt auch Schöning in seinen Reden immer wieder an. Er wisse, dass die Pandemie vor allem einem Netz von Pharmaindustrie, Impfprojekten, Großkapital und Politik nutze. Am Samstag warnte er zuletzt bei der Kundgebung „Querdenken 40“ in Hamburg vor Gates und einer großen Weltverschwörung. Schöning war auch schon bei einer Sendung von KenFM, dem Portal des Verschwörungsideologen Ken Jebsen, zu Gast.
Aus der Mitte der Gesellschaft
Bei den ersten Kundgebungen gegen die Maßnahmen warnte bereits der „Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte“ vor Verschwörungsideologie und Wissenschaftsfeindlichkeit. Auch der Verein kritisiert die Gates-Stiftung, allerdings wegen ihres Profitinteresses, und betont: „Wir halten Gates nicht für den allmächtigen Strippenzieher.“
Felix Krebs vom Hamburger Bündnis gegen Rechts schildert gegenüber der taz seine Beobachtung, dass die Drahtzieher*innen der Verschwörungsszene in Hamburg Angehörige der Mitte der Gesellschaft sind. „Also Selbstständige, Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen, mittlere Angestellte und andere Angehörige akademischer Berufe, die sich nun mit Reichsbürger*innen, Antisemit*innen, AfD-Funktionär*innen und organisierten Neonazis treffen.“
Die Hamburger Ärztekammer möchte aufgrund der Amtsverschwiegenheit nichts zu den ÄfA sagen. Sie verweist aber auf eine Erklärung, in der die Kammer vor den Antimaskendemonstrationen warnt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört