Haftstrafe für Alfons Schuhbeck: Wieder ganz unten
In München wurde Alfons Schuhbeck zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten verurteilt. Es war wohl sein letzter großer Auftritt.

Dieser Mann, 76 Jahre alt, sitzt am Montagvormittag neben ihm im Saal B173 des Münchner Strafjustizzentrums. Das Gesicht ist fahl und eingefallen, er trägt einen dunkelblauen Anzug mit violettem Einstecktuch. Unheilbar an Krebs erkrankt sei er, teilten seine Anwälte im Prozess mit. Er selbst gab vor Gericht an, von einer Rente von 1.138,76 Euro zu leben.
Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft eine Strafe von vier Jahren und sieben Monaten für Schuhbeck gefordert – für vorsätzliche Insolvenzverschleppung in neun Fällen, Betrug in vier Fällen, vorsätzlichen Subventionsbetrug in 16 Fällen und ein paar andere Vergehen. Und das unter Berücksichtigung einer Strafe von drei Jahren und zwei Monaten, zu der Schuhbeck schon 2022 wegen Steuerhinterziehung verurteilt worden war.
Es sind Straftaten, die die Verteidigung in ihrem Plädoyer gar nicht in Abrede stellen will, ihr Mandant hat sie ohnehin schon gestanden. Eigentlich, so scheint es, geht es mittlerweile gar nicht mehr so sehr um ein paar Monate Freiheitsstrafe mehr oder weniger, sondern vielmehr um die Rettung eines Lebenswerks.
Das Denkmal habe Risse bekommen, so Schuhbecks Anwalt. Risse? Das ist eine sehr freundliche Umschreibung. Schuhbeck selbst hat es zu Beginn des Verfahrens etwas treffender formuliert: „Das Leben hat mich weit nach oben geführt und nun wieder ganz nach unten.“
Geständnis von Reue getragen
Das Lebenswerk seines Mandanten, sagt der Anwalt, könne nur einer beurteilen, der die Sterneküche wirklich kenne. Klar, Schuhbeck sei der Liebling der Medien gewesen, nie um einen flotten Spruch verlegen. „Aber kochen konnte er.“ Und er habe den Leuten glückliche Stunden beschert.
Dies mag stimmen, gehört aber freilich nicht zu dem, was die Kammer als mildernde Umstände in das Urteil mit einfließen hat lassen, das sie eine Stunde später verkündet. Vier Jahre und drei Monate lautet das Urteil. Doch die Urteilsbegründung des Vorsitzenden Richters Uwe Habereder ist von sehr viel Verständnis und Respekt für den Angeklagten getragen.
Vor allem honoriert auch er das Geständnis Schuhbecks, das überzeugend und von Reue getragen gewesen sei. „Sie haben von Anfang an Verantwortung übernommen“, richtet er sich direkt an den Angeklagten, „nichts relativiert, niemanden anders in Verantwortung genommen für all das, was Sie da angerichtet haben.“ Das Geständnis habe außerdem der Überprüfung in der Beweisaufnahme standgehalten.
Zu Schuhbecks Gunsten wertet das Gericht auch, dass ihm der Subventionsbetrug durch die unkomplizierte Antragsstellung vom Staat einfach gemacht worden sei und dass er zum Zeitpunkt der Taten nicht vorbestraft gewesen sei. Beim Strafmaß sei auch die Haftempfindlichkeit Schuhbecks zu berücksichtigen, der eben kein gesunder 35-Jähriger mehr sei. Habereder hebt allerdings auch hervor, dass Schuhbeck nie Versuche unternommen habe, sich hinter seinem gesundheitlichen Zustand zu verstecken: „Sie haben sich hier hingesetzt und die Verantwortung übernommen.“
„Sie waren getrieben“
Schuhbeck habe zwar beim Missbrauch von Corona-Hilfen eine nationale Notlage ausgenutzt, sich aber nicht persönlich bereichert. Deshalb wollte das Gericht auch, anders als die Staatsanwaltschaft, keinen „groben Eigennutz“ sehen. „Sie waren getrieben, das Rad am Laufen zu halten.“
Schuhbeck habe es sehr lange nicht geschafft, sein Scheitern einzugestehen, was menschlich auch gut nachzuvollziehen sei. Man könne die Fallhöhe nur erahnen, die er sich über Jahre erarbeitet habe. Dazu gehöre auch sicherlich nicht nur Glück, sondern viel Talent und harte Arbeit. Aber irgendwann sei er zu groß geworden und habe seine Geschäfte auf eine Art und Weise betrieben, wie es sich für einen Geschäftsmann nicht gebührt. Das Urteil sei unterm Strich erforderlich, aber auch sachgerecht. „Und passt.“
Ob und wann Schuhbeck, der einen Teil seiner ursprünglichen Strafe bereits abgesessen hat, tatsächlich wieder ins Gefängnis muss, ist aber noch offen. Wegen seines derzeitigen Gesundheitszustandes ist der Vollzug der Haftstrafe ausgesetzt – vorerst bis Mitte September.
Dass Schuhbeck mit einer angesichts der Vorwürfe glimpflichen Strafe davonkommt, liegt zu einem großen Teil tatsächlich daran, dass er zu Beginn des Prozesses ein ausführliches Geständnis abgelegt hat – anders als 2022 im ersten Prozess, wo er lange herumlavierte und sich noch rauszureden versuchte, als die Beweislast längst erdrückend war.
So bereitete er diesmal den Weg für einen Deal der Prozessbeteiligten. Auch die Staatsanwalt ging den Weg mit, hatte zuvor sogar angeregt, einige kleinere Tatvorwürfe aus dem Verfahren herauszunehmen – „auch weil wir es ihm hoch anrechnen, dass er sich trotz seines Gesundheitszustandes diesem Verfahren stellt“.
Urvertrauen in die Marke Schuhbeck
So richtig wurde das Ausmaß der Schuhbeck’schen Insolvenverschleppung aber erst an einem späteren Prozesstag ersichtlich, als Insolvenzverwalter Max Liebig als Zeuge geladen war. Die Forderungen der Gläubiger beliefen sich mittlerweile auf 27 Millionen Euro, erklärte Liebig, es könnten aber durchaus noch mehr werden. Die wenigsten von ihnen dürften ihr Geld wiedersehen.
Wo genau die Gelder versickert sind, wie genau getrickst wurde, kann der Insolvenzverwalter allerdings auch nicht sagen. Bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens 2021 habe er feststellen müssen, dass es in Schuhbecks Firmen keine Buchhaltung gegeben habe, anhand derer sich Zahlungsströme verlässlich hätten rekonstruieren können.
So habe es über Jahre keine Jahresabschlüsse gegeben, auch keine saubere Trennung der einzelnen Unternehmen. Um die klaffenden finanziellen Löcher notdürftig zu stopfen, seien zwischen den Firmen Beträge wild hin und her überwiesen worden. Auf diese Weise konnte Schuhbeck kaschieren, dass die meisten seiner Unternehmen schon seit Jahren zahlungsunfähig waren.
Dass die Pleite nicht viel früher aufflog, liegt wohl allein in dem unermesslichen Urvertrauen, dass viele Gläubiger offenbar in die Marke Schuhbeck hatten. Er habe gedacht, „ich darf nur Gas geben, sonst bin ich keiner und verliere alles, was ich aufgebaut habe“, erklärte Schuhbeck zu Prozessbeginn. Letzteres konnte er jedoch nur hinauszögern, nicht verhindern, so sehr er auch Gas gab. Der Fall Schuhbecks ist in der Tat ein sehr tiefer.
Televisionäre Omnipräsenz
Ein Blick zurück: Es gab Zeiten, da war Alfons Schuhbeck, man muss es so sagen, ein echter Star. Es waren die Zeiten, als die Menschen noch fernsahen, als sie durch die Sender zappten und dabei bestimmt auf einem halben Dutzend der Kanäle auf eine Kochsendung stießen. Und es hätte schon mit sehr vielen Unwahrscheinlichkeiten zugehen müssen, wenn nicht in mindestens einer von ihnen Schuhbeck gerade von den vielseitigen Einsatzmöglichkeiten des Ingwers geschwärmt oder erklärt hätte, warum man Knoblauch schneiden muss und nicht pressen darf.
Wohlgemerkt: Wir reden nicht von Kochsendungen, die als Lückenfüller am Vormittag in irgendwelchen Spartenkanälen dienten. Wir reden von der Primetime und den meistgesehenen Sendern. Er kochte mit Fußballern, Ministerinnen und Fürstinnen.
Und er war ja telegen. Er konnte reden – übers Kochen sowieso, aber auch über alles andere. Genau das, was sich die Produzentinnen und Produzenten solcher Sendungen wünschten. Mit Schuhbeck machten sie Quote, der Koch selbst wiederum konnte die Marke Schuhbeck durch seine televisionäre Omnipräsenz immer noch bekannter machen. Als „Selbstvermarkter vor dem Herrn“, bezeichnete ihn die Süddeutsche Zeitung einmal.
Dabei stammte Schuhbeck aus einfachen Verhältnissen, wuchs im Chiemgau auf, machte eine Ausbildung bei der Post. Erst durch eine Begegnung mit dem Waginger Gastwirt Sebastian Schuhbeck bekam sein Lebenslauf eine kulinarische Richtung. Er machte eine Ausbildung zum Koch, arbeitete bei Schuhbeck senior, der ihn schließlich sogar adoptierte. In den späten Siebzigern und Achtzigern nahm Schuhbecks Karriere Fahrt auf. Er arbeitete bei Käfer und Witzigmann, machte das Kurhausstüberl in Waging am See zum ländlichen Schickeria-Treff – inklusive Michelin-Stern.
Zwischen Stuben und Spiegelzelt
Doch nicht nur als Koch und Entertainer war Schuhbeck Erfolg beschieden. Auf das Kurhausstüberl und ein gehobenes Catering-Service folgte schließlich ein umfassendes Gastronomie-Unternehmen, dessen zahlreiche Lokale und Läden sich am Münchner Platzl ansiedelten. Beste Innenstadtlage, gleich neben dem Hofbräuhaus. Ende der Neunziger baute er dieses Imperium auf, hinter dem sich ein wirres Firmengeflecht verbarg. Zu der Zeit hatte er schon eine Verurteilung zu einem Jahr auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung hinter sich.
Ein edles Restaurant gehörte dazu wie auch eine Weinstube, eine Eisdiele, ein Teeladen, ein Gewürzladen, ein Schokoladenladen und schließlich Schuhbecks Südtiroler Stuben. Mit Schuhbecks Teatro bot er Eventgastronomie im Spiegelzelt. Dass auch zahlreiche Kochbücher unter seinem Namen erschienen, muss wohl nicht erwähnt werden. Sogar eine eigene Eissorte zum Oktoberfest kreierte er. Es war ein einziger Höhenflug – bis zu dem Moment, in dem das kulinarische Imperium sich als Kartenhäuschen erwies und in sich zusammenfiel.
Jetzt steht der Mann vor dem Nichts. Nach eigener Aussage lebt Schuhbeck von seiner kargen Rente, seine Krankenversicherung zahle sein Bruder. Er sei gerade dabei, seine Verhältnisse neu zu sortieren. Offenbar unterstützen ihn auch Freunde. Noch immer wohnt er allerdings in einer Wohnung, deren monatliche Miete 4.800 Euro beträgt. Mit den Mietzahlungen sei er in Rückstand.
Aber kochen kann er.
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