Häusliche Gewalt in Afghanistan: Noch weniger Schutz für Frauen
Gesetzesänderung in Afghanistan: Wenn es um häusliche Gewalt, Kinderehen und „Ehrenmorde“ geht, sollen keine Verwandten mehr als Zeugen aussagen dürfen.
BERLIN taz | Eine schon von beiden Kammern des afghanischen Parlaments verabschiedete Gesetzesänderung droht die Rechte von Frauen am Hindukusch weiter zu schwächen. Um rechtskräftig zu sein, muss das Gesetz noch von Präsident Hamid Karsai unterzeichnet werden. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte ihn inzwischen auf, dem Gesetz die Unterschrift zu verweigern und es ans Parlament zurückzugeben.
Konkret geht es um die Einschränkung des Schutzes von Frauen vor häuslicher Gewalt, vor Zwangs- und Kinderheirat sowie vor sogenannten „Ehrenmorden“. Gewalt gegen Frauen gibt es in Afghanistan am meisten innerhalb von Familien. Frauen können insbesondere auf dem Land die mit hohen Mauern umgebenen Hofhäuser ihrer Familien nur selten verlassen.
Das Gesetz untersagt jetzt Ermittlern, Familienangehörige von Beschuldigten zu vernehmen. Damit würden die wichtigsten und oft einzigen Zeugen ausgeschlossen. Ihre möglicherweise belastenden Aussagen können damit nicht gegen gewalttätige Männer verwendet werden. Frauen haben dann juristisch in der Regel keine Chance mehr, da meist Aussage gegen Aussage steht. Ohnehin würde den Männern oft eher geglaubt als ihren Frauen.
„Das würde die Verfolgung von Missbrauchstätern extrem erschweren“, kritisierte der Asiendirektor von Human Rights Watch, Brad Adams. Sollte Karsai unterzeichnen, „wird afghanischen Frauen und Mädchen rechtlicher Schutz vor Angehörigen entzogen, die sie missbrauchen, zwangsverheiraten oder sogar verkaufen“, so Adams.
Internationale Proteste
Das würde dem nach einem Präsidialdekret 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Eliminierung von Gewalt gegen Frauen widersprechen, das vielen islamistische Abgeordneten ablehnen. Das neue Gesetz würde aber auch gegen internationale Verpflichtungen der Regierung verstoßen. Das afghanische Unterhaus hatte die jetzige Verschlechterung bereits im Mai 2013 gebilligt. Nach internationalen Protesten schwächte das Oberhaus den Entwurf ab. Doch ein gemeinsamer Ausschuss beider Kammern einigte sich im Januar auf einen Text, der dem des Unterhauses weitgehend entspricht.
In den nächsten Wochen wird das Gesetz Karsai zur Unterschrift vorgelegt werden. 2009 war Druck auf ihn erfolgreich, als es um ein Familiengesetz ging, das Vergewaltigung in der Ehe legalisiert hätte. Doch damals hatte sich Karsai noch nicht so stark mit radikalislamistischen Kräften verbunden wie heute.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei