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Härtere Strafen gegen Ak­ti­vis­t:in­nenDie Eskalationsspirale geht weiter

Jonas Wahmkow
Kommentar von Jonas Wahmkow

Die Berliner Innensenatorin fordert, Klima-Aktivist:innen länger in Gewahrsam zu nehmen. Damit verunglimpft sie friedlichen Protest.

Mit der verschärften Debatte steigt auch die Gefahr gewalttätiger Übergriffe Foto: dpa

M it populistischen Forderungen heizt SPD-Innensenatorin Iris Spranger die gesellschaftliche Stimmung gegen die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation weiter an. So sollen Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen in Berlin länger als die derzeit gültigen 48 Stunden in Gewahrsam genommen werden können.

Sprangers Vorstoß ist in erster Linie ein Versuch, sich im kommenden Wahlkampf als harte Law-and-Order-Politikerin zu profilieren. Konkrete Folgen wird der Vorstoß vermutlich keine haben. Grüne und linke Koalitionspartner zeigten sich bereits empört; auch ist eine Neuauflage des Berliner Polizeigesetzes unwahrscheinlich, da erst vor zwei Jahren die letzte Novelle nach mühseligen Verhandlungen verabschiedet wurde – eine wesentliche Änderung war die Verringerung der Präventivhaft von vier Tagen auf 48 Stunden.

Gewaltausbrüche werden in Kauf genommen

Viel bedenklicher sind die Kollateralschäden, die dieses Wahlkampfmanöver hinterlässt. Denn mit ihrem Vorstoß treibt die Innensenatorin die Eskalationsspirale in der Debatte weiter an. Wurde bisher noch diskutiert, ob friedliche Straßenblockaden eine verhältnismäßige Protestform sind oder nicht, stellt sich Spranger nur die Frage, wie viele Tage es angemessen ist, Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen einzusperren.

Ohne Gerichtsurteile abzuwarten, stellt die Innensenatorin mit ihrem Vorstoß sämtliche Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen als Straf­tä­te­r:in­nen dar und spricht dem gewaltfreien Protest jegliche Legitimation ab. Besonders perfide ist, dass Spranger ihre Forderung damit rechtfertigt, dass in Bayern Ak­ti­vis­t:in­nen 30 Tage lang eingesperrt werden dürfen – als würde ein Unrecht das andere rechtfertigen.

Auch wenn in Berlin keine bayerischen Verhältnisse drohen, werden die Ak­ti­vis­t:in­nen der Letzten Generation zu Unrecht vorverurteilt. Im Zuge der aufgeheizten gesellschaftlichen Stimmung wächst damit die Gefahr, dass es tatsächlich zu schweren Gewalttaten gegen die Ak­ti­vis­t:in­nen kommt. Eine Gefahr, die Spranger willentlich in Kauf nimmt.

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Jonas Wahmkow
Redakteur für Arbeit und Soziales im Berlin Ressort.
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12 Kommentare

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  • Es geht nicht um Strafe (die käme noch dazu), sondern der Begriff "Unterbindungsgewahrsam" sagt es doch eigentlich. Es geht geht um die Verhinderung von angekündigten Straftaten.

  • Die SPD ermöglichte einst aufgrund ihrer Defizite im Umweltschutz das Aufkommen der Grünen.



    Es muss in dieser großen Partei doch Menschen geben, die ein Interesse haben, mit der Letzten Generation bei einem Tempolimit ins Gespäch zu kommen, um nicht wieder dem Zeitgeist entgegen zu stehen!

    Bei den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein war die SPD für Tempo 130 und holt jetzt bei der Tempo-100-Forderung der LG den ganz großen Knüppel raus. Das ist Betonsozialismus und ein pervertiertes Verständnis von Grundrechten.



    Ein Antrag der Linken für Tempo 130 auf Autobahnen wurde im Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen abgelehnt.



    Und nun kommt das Unfassbare: SPD und Bündnis 90/Die Grünen stellten allerdings klar, dass sie den Antrag inhaltlich unterstützen. Sie könnten nicht zustimmen, da man sich mit der FDP im Koalitionsvertrag nicht auf ein Tempolimit habe einigen können.



    Die FDP verhinderte also, dass 130 auf Autobahnen möglich wurde.

    Grüne und SPD werden als große Scheinheilige beim Klimaschutz im Verkehr in die Geschichte eingehen, wenn sie die FDP nicht zur Raison bringen, zut Not mit Demonstrationen für Temolimits mit der Letzten Generation!



    Dass Lindner gesprächsbereit ist, zeigt sein Angebot: längerere Laufzeiten für Kernkraft gegen ein Tempolimit.

    www.stern.de/polit...gung-32897588.html

    • @Lindenberg:

      Tempolimits: der große Weltenretter. Gesprächsbereitschaft sehe ich aber auf keiner Seite. Gestern zufällig über die RBB-Sendung "Wir müssen reden" gestolpert. Da war eine wirkliche Gesprächsführung unmöglich.

  • Auweia, Kriminalisierung und Diskreditierung von Klimaschützer wird Mode. Gruselig.

    Als ob die Erde keine anderen Probleme hat. Ich denke, wenn es irgendwann heißt, "Und was hast du damals dagegen getan" werden die Kinder der Klimademonstranten stolz sein. Wenn der Globus dann noch existiert...

    • @Cervo:

      Es ist keine Kriminalisierung, wenn bestehende Gesetze angewendet werden. Und der Begriff "Klimaschützer" stimmt in vielerlei Hinsicht nicht, vor allem, dass Demonstrieren das Klima so gar nicht tangiert.

  • Aus dem Blog "Narkosearzt unterwegs" bei doccheck.com:

    www.doccheck.com/d...and-rettungsgasse?

    》Klima-Kleber: Kann Deutschland Rettungsgasse?

    Alle beschweren sich über verzogene Klimaaktivisten im Straßenverkehr – dabei liegt das Problem für uns Retter ganz woanders. Doch weil Autofahrer in Deutschland heilig sind, bleibt dieses Thema wohl ein Tabu [...]

    Wer aufbillige [...] Polemik gegen die „Klima-Kleber“ setzt, entlarvt sich selbst. Wer stattdessen wirklich etwas für die Gesundheit der Menschen in diesem Land tun will, sollte Vorschläge und Lösungen anbieten:

    • die Menschen dazu bekommen, vernünftige Rettungsgassen zu bilden,

    • Verkehrsinfrastruktur so gestalten, dass Fahrradfahrer und Fußgänger gar nicht erst von Betonmischern überfahren werden,

    • mehr Personal in Kliniken und Praxen bekommen, um Menschen adäquat, zeitnah und kompetent helfen zu können, anstatt immer nur noch die schlimmsten Brände zu löschen

    Da steht auch:.》Wer keinen Platz macht, muss nach § 38 der Straßenverkehrsordnung (StVO) zwischen 240 und 340 Euro Bußgeld zahlen《 - nichts mit Bundesjustizminister, der Gefängnisstrafen ins Spiel bringt.

    Die Proteste seien zu wenig verständlich, stand kürzlich irgendwo - das ganze Land, die Städte, werden von Schneisen durchzogen, die Todeszonen sind, in denen sich Menschen nur gepanzert oder mit äußerster Vorsicht unter Lebensgefahr aufhalten können (wenn da z.B. ein Kind reingeschubst wird): da - wo auch in Massen Klima-Killer-Gase produziert werden, begehren junge Menschen (eben noch selber Kinder) auf und blockieren den Wahnsinn.

    Im Gegenteil, es ist genau der neuralgische Punkt, der getroffen wird, und genau das belegt die Reaktion der Senatorin, die die, denen jahrzehntelang eingehämmert wurde, ihre Freiheit stehe und falle mit "freier Fahrt" in ihrem Zorn anstachelt.

    • @ke1ner:

      ich bin auch Notarzt und einige Passagen aus dem Artikel in Doccheck mögen korrekt sein - dennoch ist es eine sehr parteiische Vermischung einer politischen Einstellung, die mit den Zuständen im Notarztdienst wenig zu tun hat. Im Gesundheitssystem mag vieles im Argen sein, dennoch ist die Vermischung hier unerträglich.

      Fehlende Rettungsgassen mögen auch sonst ein Problem sein. Dennoch muss man bedenken: dieser Stau wurde vorsätzlich verursacht. Und auch durch eine funktionierende Rettungsgasse kann man nicht einfach mit Vollgas durchbrettern, d.h. es kommt auch bei guter Rettungsgasse zwangsläufig zu einer wesentlichen Verzögerung.

    • @ke1ner:

      Danke für den Link. Der Text trifft sehr gut.

  • Die Aktivist*innen werden ja nicht bei ihren vom Gesetz erlaubten Aktivitäten festgesetzt, sondern nur bei Gesetzesverstößen.

  • Tut mir leid, ich kann der Argumentation nicht folgen.

    Spranger stellt doch gar nicht sämtliche Klimaaktivist_innen als Straftäter_innen dar.

    Ihr geht es bei der Luftnummer Präventivgewahrsam nur um die, die bereits durch Straftaten aufgefallen sind.

    Die Behauptung, sie nehme schwere Straftaten gegen die Aktivist_innen willentlich in Kauf, entbehrt jeder Grundlage.

    Da könnte man auch genau andersherum argumentieren: Indem sie zeigt, dass der Staat sich kümmert, verhindert sie Selbstjustiz.

    Geht vielleicht etwas rationaler in der Argumentation, auch wenn es sich um Wahlkampf-Blabla der SPD dreht?

  • Ich kann mit der Initiative von Frau Spranger wenig anfangen und verstehe die Kritik daran, aber Frau Spranger zu unterstellen, sie nehme damit 'willentlich' schwere Gewalttaten gegen Aktivisten in Kauf, geht zu weit und ist durch nichts gedeckt. Wenn in ein und demselben Artikel die Eskalationsspirale zunächst beklagt und dann befeuert wird, fällt mir spontan das Wort 'Heuchelei 'ein. Sorry.

  • Der Protest wirkt!



    Das zeigen die identischen Reaktionen aus den sonst eher unversöhnlichen politischen Lagern !