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Habeck-Werbung in MünchenGrüne Projektion

Andreas Rüttenauer
Kommentar von Andreas Rüttenauer

Am Siegestor erstrahlte das Gesicht von Habeck. Öffentlichen Raum für nichtssagende Wahlwerbung zu nutzen, ist aber sowohl verboten als auch unoriginell.

Im Jahr 1850 wurde das Mahnmal fertiggestellt, 2025 mit Habecks Schädel geschmückt Foto: Stefan M. Prager/imago

J a, da schau her, hieß es am Montag in München kurz nach Einbruch der Dunkelheit. Ein riesiger Robert Habeck war da mit einem Mal zu sehen, projiziert über die ganze Breite des Siegestors, dieses klassizistischen Eingangsportals zu Münchens Prachtboulevard Ludwigstraße.

„Bündniskanzler“ stand unter dem wie immer recht mild dreinschauenden Spitzenkandidaten der Grünen bei der anstehenden Bundestagswahl. Dazu der Slogan: „Ein Mensch. Ein Wort.“ Lange war die riesige Projektion nicht zu sehen. Die Polizei beendete das grüne Spektakel.

Die Firma, die im Auftrag der Grünen Robert Habeck an das Siegestor geworfen hatte, konnte keine Genehmigung vorweisen. So eine hätte es natürlich gebraucht. So verlangt es die „Verordnung der Landeshauptstadt München über das Anbringen von Anschlägen und Plakaten und über Darstellungen durch Bildwerfer“.

Haben sich die bei Schwarz und braun als Verbotspartei verschrienen Grünen da einfach über eine Regel hinweggesetzt? Das wäre ja mal was. Das Wort Guerilla machte die Runde und die Frage stand im Raum, ob die Grünen jetzt wieder sponti sind, widerständig gar.

Mehr gibt es nicht zu sagen?

Doch auch gezähmte Altlinke, die zu Habeck-Fans geworden und dennoch aufgeschlossen sind für Revolutions­romantik aller Art, werden bei dieser Aktion des Guerilla-Marketings kaum an die Stadtguerilla denken, die einst Ulrike Meinhof besungen hat.

So wie es aussieht, ist das Guerilla-Marketing der Grünen eine Agenturgeburt und alles andere als sponti. „Wir müssen zu Bündnissen zusammen wachsen. Als Bündniskanzler steht Robert Habeck genau dafür“, so antwortete die grüne Parteizentrale auf Nachfrage zur Aktion dem Bayerischen Rundfunk. Mehr gibt es nicht zu sagen?

So wie es aussieht, ist das Guerilla-Marketing der Grünen eine Agenturgeburt und alles andere als sponti

Während ein paar Kilometer außerhalb der Stadt in Kloster Seeon Ministerpräsident Markus Söder bei der Klausur der Bundestags-CSU munter eine Mütterrente verspricht, eine noch härtere „Ausländer-Raus!“-Politik ankündigt oder der Autoindustrie eine neue Elektroprämie zuschustern will, sagen die Grünen mit ihrer gewaltigen Plakataktion nichts, aber auch gar nichts.

Für dieses Nichts haben sie das Siegestor angestrahlt. Das ist ja, auch wenn es im Alltag der Münchner als solches keine besondere Rolle spielt, ein Mahnmal gegen den Krieg. „Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend“ lautet die Inschrift auf dem Tor, die durch die Projektion zur Bildunterschrift für den riesigen Habeck-Schädel geworden ist.

Vielleicht nur eine geile Location

Unter dem bayerischen König ­Ludwig I. war das Tor ab 1843 nach antikem Vorbild errichtet worden und sollte an die Siege in den Kriegen gegen Napoleon erinnern. Im Zweiten Weltkrieg ist es zerstört und danach so wiedererrichtet worden, dass alle die Spuren der Zerstörung sehen mögen. Ob sich die Guerilla-Werber wohl damit beschäftigt haben?

Vielleicht fanden sie das Siegestor einfach nur eine geile Location. Das wäre dann ungefähr so originell wie eine Idee von Adidas im Jahr 2020. Da hatte der Sportartikelhersteller mit den drei Streifen das Tor mit einer Werbebotschaft für die Marke nach dem Champions-League-Sieg des FC Bayern München rot angestrahlt. Die Stadt als Werbe­kulisse.

Gerade gibt es in München heftige Diskussionen darüber, dass der Platz vor der dem Siegestor gegenüberstehenden Feldherrnhalle in diesem Jahr für eine teure Silvester­sause abgesperrt werden soll. Und an die Internationale Automobilausstellung 2021, deren Aussteller am selben Platz so viel Raum eingenommen haben, dass kaum mehr ein Durchkommen Richtung Innenstadt möglich war, ist bei vielen auch nicht unbedingt in guter Erinnerung.

Den ohnehin begrenzten Stadtraum den Bürgerinnen und Bürgern zu lassen, das wäre doch glatt mal eine Forderung, die der selbst ernannte Bündniskanzler im Wahlkampf formulieren könnte. Aber bitte nicht ans Siegestor projizieren.

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