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HSV-Spieler Bakery Jatta in KritikNur ein Fußball-Märchen

Marco Carini
Kommentar von Marco Carini

Der Geflüchtete und HSV-Profi Bakery Jatta steht im Verdacht, seine Identität gefälscht zu haben. So what? Er hat doch kein Verbrechen begangen.

Vom Märchenhelden zum kriminellen Buhmann? Bakery Jatta Foto: Robert Michael / dpa

E rst war er der Held: Bakery Jatta, der jugendliche Flüchtling aus Gambia, der nie zuvor in einem Verein gekickt hatte und es beim HSV aufgrund seines Talents zum Fußballprofi brachte. Eine Geschichte, zu schön, um wahr zu sein. Die Sport-Bild meint, dass es das sei, wonach es von vornherein aussah: ein Märchen. Der junge Profi wird als Lügner und Betrüger dargestellt. Er soll seinen richtigen Namen abgelegt, sich jünger gemacht und sich damit den Aufenthalt in Deutschland erschlichen haben.

Zeugen sind zwei gambische Trainer, die in Jatta den verschollenen Fußballer Bakery Daffeh erkannt haben wollen. Nun droht Jatta eine Sperre durch den DFB – und die Ausweisung aus Deutschland dazu. Der Held wird zum Buhmann.

Klar ist: Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge haben in Deutschland größere Chancen, einen Aufenthaltstitel zu bekommen, als Menschen, die ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Weil Flüchtlinge, die eine Odyssee durch die Sahara oder über das Mittelmeer überlebt haben, nicht gleich wieder abgeschoben werden wollen, wird beim Alter oft gemogelt. Geflüchtete, die die Rechtslage kennen, machen sich oft jünger, Rechtsmediziner machen sie dagegen bei der „Altersfeststellung“ oft älter, als es in ihren Dokumenten steht.

Zweifel an der Identität

Wirbel um Bakery Jatta vom HSV: Nach einem Bericht von Sportbild soll der 21 Jahre alte Spieler aus Gambia, dessen Geschichte vom Flüchtling zum Fußball-Profi für Schlagzeilen gesorgt hatte, Bakary Daffeh heißen, zweieinhalb Jahre älter sein als angenommen und für Gambias U20-Nationalteam gespielt haben. Das Magazin beruft sich auf zwei Trainer, die Jatta als Daffeh identifizieren. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sowie das Bezirksamt Hamburg-Mitte haben Ermittlungen aufgenommen. Jatta streitet die Vorwürfe ab und verweist auf seinen gültigen Pass. Sollte sich der Verdacht erhärten, drohen ihm der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung sowie eine Sperre durch den DFB.

Und so, wie es das Recht jedes Angeklagten vor Gericht ist, zu lügen, um sich nicht selber belasten zu müssen, so wird es in Deutschland auch (noch) nicht unter Strafe gestellt, wenn Asylbewerber zu ihrer Identität, Staatsangehörigkeit oder ihrem Alter falsche Angaben machen. So geht Rechtsstaat.

Es gilt sein Wort

Für Jatta gilt die Unschuldsvermutung und damit gelten sein Wort und die Papiere, die er vorlegen kann. Der HSV, sein Arbeitgeber, muss sich nun ohne Wenn und Aber vor den jungen Profi stellen, der ein Musterbeispiel gelungener Integration ist und unseren Schutz auch verdienen würde, wäre er es nicht. Ihn vom Spielbetrieb ausschließen oder gar abzuschieben, wäre ein völlig falsches Signal.

Denn wie immer der Gambier auch heißt und wie alt er auch ist: Jatta hat kein Verbrechen begangen. Das tun die, die dafür verantwortlich sind, dass noch immer fast täglich Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken.

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Marco Carini
Landespol. Korrespondent
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32 Kommentare

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  • Jeder Mensch, der mal mehr als ein paar Minuten meditiert hat und sich mit Formen des Bewusstseins beschäftigt hat, weiß, dass es "Identität" gar nicht gibt.



    Namen sind Schall und Rauch, a piece of social engineering, und kein Mensch ist illegal. In Großbritannien z.B. wechseln viele Menschen regelmäßig ihren Namen, das ist dort ganz legal. Ihre Steuernummer bleibt ja dieselbe.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Schön, dass das diesjährige Sommerloch bald zu Ende geht.

    Eine kurze Nachlese dessen, was in den veröffentlichenden Medien im Allgemeinen und der taz im Speziellen berichtet wird (und was nicht), ist ein Spiegelbild dieser aus den Fugen geratenen Welt und ihrer Insassen.

    Es grenzt fast an ein Wunder, dass in diesen Zeiten der großen Hysterie nicht mehr Vereine als Schalke, Dortmund und Hamburg mit Themen aus der beliebten Rassismus und 'Identitäts'kiste aufwarten. Ein Hoch auf die vielen -ismen. Sie erst geben unserem Leben Sinn und Struktur. Was wären wir nur ohne sie?

    Derweil fallen Themen aus Sozial- und Gesundheitspolitik hinten runter. (Bedingsloses) Grundeinkommen, Grundrente, Bürgerversicherung et. al. - irgendjemand etwas davon in diesem Jahr gehört?

    Menschen und Zeitgeist: zum Abgewöhnen. Treffen sich drei Planeten, Erde, Mars und Venus. "Du siehst aber scheiße aus" sagt die Venus zur Erde. .....

  • Immer schön auf dem Teppich bleiben. Und tiefer schürfen ist auch in der taz nicht verkehrt.



    Wer es ins den mafiösen Fußball schafft, mag er herkommen wo er will, ist kein Held. Und wenn wir darüber reden, warum Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken, dürfen wir ruhig auch darüber reden, dass wir Abermilliarden Euro in den an Oberflächlichkeit nicht zu überbietenden Sport fließen lassen, statt dieses Geld Menschen zukommen zu lassen, welche es für den Aufbau ihres Gemeinwesens dringend gebrauchen könnten. Dann würden sie auch nicht flüchten wollen. Ergo tragen gutbezahlte Fußballer Mitschuld an den sozialen Ungerechtigkeiten dieser Welt. Nicht vergessen!

    • @APO Pluto:

      Das Geld, was durch Sponsoren etc. in den Fußball fließt, würde auch ohne den Fußball nicht dahin fließen, wo Sie es gerne hätten. Der Fußball macht die Welt daher nicht besser, aber auch nicht schlechter als sie ist.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @Lockenkopf:

        Mal eine Frage an die Abteilung Erklärbären:

        Wie sieht es denn mit der eigenen Motivation aus, die Welt besser zu machen? Oder hört Denken bei Ihnen mit den Sätzen "Es ist halt so" und "Lassen wir es auch so" auf?

        • @76530 (Profil gelöscht):

          Die Welt wird jedenfalls nicht dadurch besser, dass man falsche Kausalzusammenhänge aufstellt. Ich finde die Unsummen, die im Fußball gezahlt werden, auch unverhältnismäßig und geschmacklos. Es würde aber keinem Menschen auf der Welt besser gehen, wenn diese Unsummen nicht gezahlt würden.

      • @Lockenkopf:

        Wenn es nicht so viele Menschen mit ihrer Denkweise geben würde, dann würde das Geld schon dahin fließen, wo ich es gerne hin haben möchte.

  • "... so wird es in Deutschland auch (noch) nicht unter Strafe gestellt, wenn Asylbewerber zu ihrer Identität, Staatsangehörigkeit oder ihrem Alter falsche Angaben machen. So geht Rechtsstaat."

    Eine sehr schlichte Vorstellung von Rechtsstaat. Wer sich mit Lügen Vorteile verschafft, handelt womöglich in betrügerischer Absicht. Lügen ist nicht strafbar, solange daraus kein Schaden für andere entsteht. Ob das im Falle des Fußballspielers so ist, müssen Gerichte entscheiden. So geht Rechtsstaat.

  • Der 1.FC Nürnberg sollte sich was schämen . Wer im Profi Sport nicht verlieren kann hat dort nix verloren. Und sich so versuchen 3 Punkte zu erschleichen ist echt das letzte . Vor allem wenn es Wahr ist hat weder bei der Behörde sowie beim HSV keiner davon gewusst. Im Gegenteil die Behörden und der HSV wurden viel mehr Betrogen . Es hat mit den letzten Spiel Ergebnis absolut nix zu tun.

  • Jatta (oder wie auch immer) hat möglicherweise kein Verbrechen begangen.

    Er hat durch die mögliche Falschangabe möglicherweise einen Grund für einen Widerruf der Aufenthaltsgenehmigung gesorgt.

    Durch die möglocherweise falsche Angabe hat er sich ebenfalls möglicherweise die Spielberechtigung erschlichen, da nach den geltenden Regularien des eine Bescheinigung des Altvereines vorzulegen ist. Damit würden die Spielergebnisse des Arbeitgebers mit möglicherweise nachträglich aberkannt, mit der Folge, dass ein erheblicher Schaden entstanden ist.

    Sollten sich die Vorwürfe also als richtig herausstellen, dann wird Herr Jatta hoffentlich in seine Heimat verbracht. Die Vorspiegelung der falschen Identität mag kein Verbrechen sein, sie ist jedoch kein Kavaliersdelikt. Übrigens, in Bezug auf den HSV kommt durchaus Betrug in Frage.

  • "Ihn vom Spielbetrieb ausschließen oder gar abzuschieben, wäre ein völlig falsches Signal."

    In einem Rechtsstaat geht es nicht um Signale, sondern um Regeln. Der DFB hat Regeln zum Thema Spielberechtigung und der Staat hat Regeln zum Thema Aufenthalt.

    Allein die Tatsache, dass Jatta gut integriert ist, kann kein Grund sein, diese Regeln auf ihn nicht anzuwenden.

    • @Grünspecht:

      Doch, genau deshalb. Wenn Regeln nicht immer unter einem humanistischen Standpunkt bewertet werden, landet man ganz schnell in einem autoritären von Technokraten geführtem Polizeistaat.

      • @Adele Walter:

        Der Sinn von Regeln und Gesetzen ergibt sich einzig und allein daraus, dass diese für alle gelten müssen.

        Wer glaubt, dass der Grundsatz "Gleiches Recht für alle" in den Polizeistaat führt, hat nach meiner Meinung ein sehr grundsätzliches Problem mit unserer Gesellschaft.

        • @Grünspecht:

          Da hast du ja aber ein Problem. Während ein US-Bürger, ein Russe, Australier, Neuseeländer usw. durchaus legal nach Deutschland reisen darf und sich dann auch darum bemühen, eine Arbeit zu finden, kann das ein Afrikaner oder Südostasiate im Regelfall nicht. Und was ist der Anlaß? Dass nämlich kein gleiches Recht für alle gilt, sondern das Prinzip "Oben und Unten" und das natürlich auch noch schön in Ethnien unterteilt.

      • @Adele Walter:

        Und wer bitte entscheidet darüber, welcher "humanistische Standpunkt" der richtige ist? Jeder für sich?

  • Denn wie immer der Gambier auch heißt und wie alt er auch ist: Jatta hat kein Verbrechen begangen. Das tun die, die dafür verantwortlich sind, dass noch immer fast täglich Geflüchtete im Mittelmeer ertrinken.

    Klar, alle die nicht noborder vertreten sind Rassisten, Populisten und - weil sie Menschen ertrinken lassen - Verbrecher.

    Bekennen wir uns dazu. Es sind schlicht zu viele Flüchtende in Afrika und Asien als dass wir alle aufnehmen könnten. Selbst wenn wir es täten, es würde an den schlimmen Zuständen in den Herkunftsländern nichts ändern.

    Wir haben ein relativ aufwendiges Asylverfahren um vorgetragene Fluchtgründe zu überprüfen. Grundsatz sollte sein, wer in diesem Verfahren lügt fliegt. Ausnahme für besonders gute Sportler? Eher nicht. Die Bedeutung des Wiederaufstiegs des HSV für die Gesellschaft wird überschätzt.

  • "Und so, wie es das Recht jedes Angeklagten vor Gericht ist, zu lügen, um sich nicht selber belasten zu müssen, so wird es in Deutschland auch (noch) nicht unter Strafe gestellt, wenn Asylbewerber zu ihrer Identität, Staatsangehörigkeit oder ihrem Alter falsche Angaben machen. So geht Rechtsstaat."

    Bakery Jatta ist kein Asylbewerber, da er nie einen Asylantrag gestellt hat:

    Bamf: "Herr Bakery Jatta hat bislang keinen Asylantrag beim BAMF gestellt. Woher die Informationen der "Sport Bild" stammen, entzieht sich unserer Kenntnis."

    twitter.com/HSVAre...158985276062085126

    www.weltfussball.d...ung-um-asylantrag/

  • Der taz-Autor meint es sicher gut mit Jatta. Dennoch disqualifiziert er sich mit seinen Statements, die sich wirklich nur auf das Strafrecht beziehen. Jatta wurde strafrechtlich von niemandem etwas vorgeworfen.



    Besser recherchieren, liebe taz!

  • Wir haben doch alle mal geschummelt: In der Schule, bei der Verweigerung, im Bewerbungsgespräch, bei der Steuer oder beim Rendezvous.



    Kreativ-gelassene Pfiffigkeit ist besser als sauertöpfischer Wahrheitsfanatismus.

    • @Linksman:

      Donald gefällt das!

    • @Linksman:

      Haben Sie? Machen Sie nicht Ihren kreativen Umgang mit der Wahrheit zur Allgemeinregel.

      • @Tom Tailor:

        Wer behauptet, er lüge nicht, lügt gerade.

  • 9G
    94795 (Profil gelöscht)

    "Für Jatta gilt die Unschuldsvermutung [...]"

    In dubio pro reo gibt's doch nur im Strafverfahren

  • Warum soll ein Staat es zulassen, dass Flüchtlinge falsche Angaben zu ihrer Identität machen, um auf diese Weise ein- ihnen tatsächlich nicht zustehendes - Aufenthaltsrecht zu erlangen? Der Vergleich mit den Rechten eines Angeklagten im Strafprozess ist fernliegend.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Lockenkopf:

      Wenn es im vorliegenden Fall sich als Betrug herausstellen sollte: einfach mal kurz darüber nachdenken, ob es sich um ein Alleinstellungsmerkmal von Flüchtlingen handelt ... oder eher um systemimmanentes Verhalten.

      Wenn ich an Herrn Hoeneß, Frau Schwarzer, Herrn Schäuble und all die Heerscharen der Taschenspieler-Zunft denke, fehlt bereits der Anflug von Evidenz. Von mehr - wie flächendeckendem legalisierten Betrug - sprechen wir besse erst gar nicht. Oder?

      • @76530 (Profil gelöscht):

        Natürlich handelt es sich nicht um ein Alleinstellungsmerkmal von Flüchtlingen. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen wird gelogen und betrogen. Das wird dann anhand der geltenden Gesetze entsprechend sanktioniert.

        • 7G
          76530 (Profil gelöscht)
          @Lockenkopf:

          Wenn Dichtung und Wahrheit sich mischen. Folge 4712.

          Sanktioniert? Welch schöner Traum. Ich sage nur mal: CDU-Spendengelder unter Kohl. Die geltenden Gesetze kann man sich häufig ins verbliebene Resthaar schmieren. Und an die 'großen' Zocker wagt sich eh keiner ran. Namentlich Google, Facebook & Friends.

    • @Lockenkopf:

      So ist es. Eine Lüge ist für sich allein nicht strafbar, aber ein Recht zur Lüge gibt es außerhalb eines Straf- oder Bußgeldverfahrens nicht. "So geht Rechtsstaat" nämlich gerade nicht.

      Und wer sich, ob hierher migriert oder hier aufgewachsen, z. B. durch falsche Angaben Sozialleistungen verschafft, die er im Falle zutreffender Angaben nicht bekommen hätte, macht sich wegen Betrugs strafbar.

      Ob das aber auf Jatta zutrifft oder nicht, ist eine andere Frage. Für die Teilnahme am Spielbetrieb sollte es eigentlich, solange die zuständigen Behörden keine Identitätstäuschung festgestellt haben, egal sein, weil ja die Person, für die die Spielberechtigung erteilt wurde, unzweifelhaft diejenige ist, die auch spielt. Der Protest, den der 1. FC Nürnberg gegen die Wertung des letzten Spiels gegen den HSV eingelegt hat, weil Jattas Spielberechtigung unwirksam sein soll, ist einfach nur schäbig - und nein, ich bin alles andere als ein HSV-Fan.

      • @Budzylein:

        Durch Formfehler gehen immer wieder Spiele verloren, siehe Daum und VfB Stuttgart im Europapokal 1992. Der Entscheidungsträger beim 1. FC Nürnberg riskiert im Zweifel seinen Job, wenn er keinen Einspruch einlegt.