Grundsatzprogramm der CDU: Konservative Ideenlosigkeit
Der Entwurf für das Grundsatzprogramm der CDU ist unchristlich, widersprüchlich – kurz: zum Nachsitzen. Nützen wird der Partei der Prozess trotzdem.
E ines muss man festhalten: Die CDU traut sich mit ihrer Debatte zu einem neuen Grundsatzprogramm etwas, das andere Parteien schon in den Ruin getrieben hat. Sie verhandelt internen Streit mehr oder weniger öffentlich. Der Entwurf, den Generalsekretär Carsten Linnemann am Montag zur Neuausrichtung der Partei vorlegte, lieferte eine Bestandsaufnahme aus den Tiefen der CDU, doch auf dieser Grundlage kann man nur hoffen, dass der parteiinterne Streit noch etwas weitergeht.
Die Kommission um den Generalsekretär schlägt in ihrem Entwurf nicht nur Asylzentren in Drittstaaten vor, in der europäische Asylanträge bearbeitet werden sollen. Vielmehr sollen Menschen, die dann einen Schutzstatus erhalten, in den Drittstaaten selbst unterkommen. Der EU solle dann die bequeme Rolle zukommen, freiwillig aus den Drittstaaten Menschen aufzunehmen.
Wer es mit diesem Vorschlag ernst meint, muss nachsitzen und weiterarbeiten. Nicht nur, dass dieser Vorstoß erhebliche Zweifel an einer irgendwie gearteten christlichen Sozialethik aufkommen lässt, mit der sich die Partei ebenfalls in dem Programmentwurf schmückt. Auch andere Widersprüche werden deutlich: So bekennt sich die Union im Entwurf einerseits zum Grundrecht auf Asyl, spricht sich aber gleichzeitig für eine Kontingentierung der Asylmigration nach Deutschland aus.
Erkenntnisse nicht dem Populismus opfern
Wegen dieser Ungereimtheiten liegt der Verdacht nahe, dass für die Union die ehrliche Selbstkritik nach der Wahlschlappe von 2021 Grenzen hat. Trotz allerlei Mitgliederbefragungen und Symposien für das Grundsatzprogramm wirkt der Entwurf wie eine tagespolitische Bestandsaufnahme. Leitkultur und Atomkraft wirken im durchaus ambitionierten Prozess zur inhaltlichen Neuaufstellung wie traurige Stichworte einer konservativen Ideenlosigkeit.
Die Linkspartei zerlegte sich an Debatten zur Migrationspolitik, die SPD seinerzeit in Auseinandersetzungen zu den Sozialgesetzen. Dass die Union es schafft, sich kritisch mit der inhaltlichen Aushöhlung während der Ära Merkel auseinanderzusetzen, zeigt, dass der Machtinstinkt der Parteispitze stark ist.
Nun ist die Frage, wie viel dieser Diskussionskultur, die sich die Union selbst auferlegte und 2023 zum „Mitmachjahr“ erklärte, in das kommende Wahljahr reicht. Wichtig wird, ob und wie es der Parteichef schafft, die gewonnenen Erkenntnisse nicht dem stumpfen Populismus zu opfern. Denn wenn die CDU wirklich Machtinstinkt hat, hat sie längst erkannt, dass die Arbeit an dem Programm für die Partei weitaus wichtiger war als das Dokument selbst.
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