Grünen-Chefin über die Bayernwahl: „Ein gemeinsamer Erfolg“
Konkrete Themen setzen, Leute in Dörfern ansprechen und zu Menschenrechten stehen: Parteichefin Annalena Baerbock erklärt den Wahlerfolg der Grünen in Bayern.
taz: Frau Baerbock, was ist der Grund für den grünen Wahlerfolg in Bayern?
Annalena Baerbock: Diese Wahl hat drei entscheidende Dinge deutlich gemacht: Erstens zeigt die gestiegene Wahlbeteiligung, dass die Leute Lust auf Politik haben, weil es gerade wirklich um etwas geht. Zweitens: Wer den Rechten hinterher läuft, der verliert. Und drittens haben die Grünen in Bayern auf Zuversicht und Veränderungswillen gesetzt – und damit gewonnen.
Was können die Bundesgrünen von ihren bayerischen Parteifreunden lernen?
Der Landtagswahlkampf ging ja Hand in Hand mit dem, was wir im Bund seit einem Dreivierteljahr probieren. Wir kümmern uns um die konkreten Themen und Probleme, die Leute in Dörfern und Städten umtreiben. Wir versuchen eine Sprache zu finden, die verbindet und die man versteht. Dabei sind wir sehr klar: ein klar europäischer Kurs, eine klare Haltung bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit. Und wir stellen eigene Themen nach vorne. Das Ergebnis jetzt ist also ein gemeinsamer Erfolg und gibt Rückenwind auch für die Landtagswahl in Hessen.
Die Grünen wollen ja die „führende Kraft der linken Mitte“ werden. Haben Sie jetzt Ihr Ziel erreicht?
In Bayern offensichtlich schon. Was die Grünen dort machen, ist Politik, die auf die Breite der Gesellschaft zielt. Ihnen geht es um die 90-Jährige im Pflegeheim, die keine vernünftige Versorgung bekommt. Und um die Familie in Nürnberg, die aus ihrem Viertel vertrieben wird, weil die Mieten so extrem steigen.
Ist diese Wahl wirklich der Beweis, dass weltoffene Politik gewinnt? Die SPD hat stark verloren, das linke Lager unter dem Strich nichts dazu gewonnen.
Ich habe bei meiner Tour durch Bayern Leute getroffen, die ihr Leben lang CSU gewählt haben. Und dieses Mal uns, weil sie eine Partei unterstützen wollen, die für Europa und für die Grundwerte dieser Republik einsteht. Und ich habe ehemalige SPD-Wähler getroffen, die uns offenbar ganz gut finden. Und: Wir haben fast 120.000 Nichtwähler davon überzeugt, dass ihre Stimme einen Unterschied macht.
bis 2013 war die Grünen-Politikerin Vorsitzende des Landesverbands Brandenburg. Seit 2013 ist sie Mitglied des deutschen Bundestags. Im Januar 2018 wurde sie neben Robert Habeck zur Bundesvorsitzenden der Grünen gewählt.
Auch wenn es – Stand jetzt – unwahrscheinlich ist: Was spricht aus Ihrer Sicht für ein schwarz-grünes Bündnis?
Regieren ist kein Selbstzweck. Hundertausende Menschen, die uns noch nie gewählt haben, haben uns jetzt ihr Vertrauen schenken, weil wir für eine wirklich andere Politik angetreten sind. Und gerade habe ich nicht den Eindruck, dass die CSU verstanden hat, dass solche grundlegenden Veränderungen nötig sind. Ohne diese Veränderungen geht es aber für uns nicht. Das haben wir vor der Wahl deutlich gemacht und das gilt nach der Wahl mit diesem Ergebnis umso mehr.
Welche Bedingungen hätten die Grünen für eine Koalition?
Mit uns kann man über eine ökologische, soziale und weltoffene Politik reden, aber nicht über eine antieuropäische und autoritäre. Apropos autoritär: Wir haben mit dem bayerischen Landesverband zusammen einen gemeinsamen Wahlkampf gemacht, aber bei uns gibt es keine Ansagen von „da oben“.
Aber als Parteivorsitzende haben Sie doch eine Vorstellung, wie es laufen sollte.
Klar. Zum Beispiel europäisch. Ganz Europa ist in eine Schockstarre gefallen, als die CSU die Binnengrenzen wieder hochgezogen hat. Markus Söders Absage an den Multilateralismus hat ja nicht nur bei uns, sondern bei fast allen EU-Partnern für echte Irritationen gesorgt.
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Söder tendiert zu einem „bürgerlichen Bündnis“. Heißt übersetzt: Er will mit den Freien Wählern reden. Landen Sie also doch wieder in der Opposition?
Allein diese Wahl hat Bayern schon mal verändert. Damit werden wir weiter machen, egal aus welcher Rolle heraus.
Glauben Sie, dass es personelle Veränderungen in der CSU gibt? Dass Sie es zum Beispiel bald mit einem anderen Innenminister zu tun haben?
Horst Seehofer hat massiven Schaden in Europa angerichtet. Sein Kamikazekurs in der Flüchtlingspolitik hat nicht nur die Bayern-Wahl beeinflusst, sondern die ganze Republik und Europa. Aber es ist Sache der CSU, über ihr Personal zu entscheiden.
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