Grün geführtes Ministerium tut nichts: Agrarressort will es nicht wissen
30 ForscherInnen haben im Auftrag der Regierung ein Konzept erarbeitet, um das „Tierwohl“ zu messen. Bislang folgenlos.
Dabei sind die Grundzüge des Konzepts seit Langem klar. Zudem nannte die von Cem Özdemir geleitete Behörde mehrere Argumente dagegen und keines dafür, das Projekt schnell umzusetzen. ExpertInnen haben über Jahre mehrmals dringend dazu geraten, zu messen, wie es den Nutztieren in Deutschland geht. 2005 und 2015 empfahl das zum Beispiel der Wissenschaftliche Beirat Agrarpolitik beim Bundesagrarministerium. „Wir wissen nicht, wie es den Tieren geht. Das führt oft zu einer unsachlichen Diskussion“, sagt auch die Projektleiterin des Monitoringprojekts, Angela Bergschmidt. „Und der Agrarpolitik fehlen in vielen Bereichen relevante Informationen, sodass sie das Geld nicht dort einsetzen kann, wo es am effizientesten wäre, obwohl die Mittel knapper werden.“ Das Monitoring würde repräsentative Daten liefern, damit Probleme identifiziert und gelöst werden. Die WissenschaftlerInnen argumentieren auch, dass erst mit dem Monitoring überprüft werden könne, wie staatliche Maßnahmen wie Tierwohl-Förderprämien für Bauern oder die geplante Pflichtkennzeichnung der Haltungsbedingungen wirken.
Deshalb gab das Agrarministerium 2018 den Auftrag, ein nationales Tierwohl-Monitoring zu entwickeln. Der Aufwand war nicht nur aus finanzieller Sicht groß: Insgesamt arbeiteten etwa 30 Beschäftigte von 8 Institutionen wie dem bundeseigenen Thünen-Agrarforschungsinstitut, dem Statistischen Bundesamt und Universitäten viereinhalb Jahre an dem Projekt.
Die WissenschaftlerInnen haben 250 Indikatoren für die Tierwohl-Messung vor allem aus den Bereichen Gesundheit, Haltung, Futter, Jungtiere, Transport und Schlachtung ausgewählt. Bei Rindern soll zum Beispiel erfasst werden, wie viele Tiere vorzeitig sterben, wie lange sie genutzt werden und wie viele Lahmheiten haben. Gemessen werden soll auch, wie viel Platz, Weidegang und Licht sie haben. Bei der Schlachtung soll beispielsweise analysiert werden, wie gut die Betäubung funktioniert.
Fleischuntersuchungsstatistik
Diese Fragen wollen die ForscherInnen mithilfe einerseits von bestehenden Daten wie der Schlachttier- und Fleischuntersuchungsstatistik klären. Andererseits sollen aber auch repräsentative Stichproben direkt in den Ställen erhoben werden. Ungefähr 10 Prozent aller Betriebe mit Tierhaltung sollen so alle vier Jahre besucht werden. „Das wären ungefähr 13.000 zu auditierende Betriebe in vier Jahren. Das sind etwas weniger als tierhaltende Betriebe bei der jährlichen Biokontrolle“, sagt Thünen-Forscher Jan Brinkmann, der an dem Konzept mitgearbeitet hat.
Diese „Audits“ kosten den ForscherInnen zufolge inklusive der Analyse und Aufbereitung 2,8 Millionen Euro pro Jahr. Dazu kämen die Kosten für die schriftlichen Erhebungen durch die Statistikämter, die aber noch keine Schätzung vorlegen wollten. Zum Vergleich: 2022 sollte das Bundesagrarministerium 7,2 Milliarden Euro ausgeben. Die WissenschaflterInnen empfehlen, ein Gesetz zu erlassen, damit alle nötigen Betriebe den AuditorInnen ihre Tore öffnen.
Das Agrarministerium meint aber, schon genug über die Lage in den Ställen zu wissen. Es gebe „nicht primär ein Erkenntnis-, sondern vor allem ein Handlungs- und Umsetzungsdefizit“, teilte es der taz mit. Das Ministerium verfüge ja auch über mehrere Forschungsinstitute. „Dadurch können Entwicklungen und die Wirkung von Maßnahmen auf der Grundlage wissenschaftlicher Expertise beobachtet und eingeordnet werden.“
Der Deutsche Tierschutzbund kritisierte die Position des Agrarministeriums. „Wir befürworten auf jeden Fall eine schnelle Umsetzung und Einführung eines nationalen Monitorings“, teilte Deutschlands größte Tierschutzorganisation der taz mit. Denn es gebe bisher keine „belastbaren Zahlen“ zur Lage der Nutztiere. Anders als Staatssekretärin Nick suggeriert habe, hätten die WissenschaftlerInnen für das Monitoring „jedoch überschaubare Beträge von weniger als 3 Millionen Euro (über einen Zeitraum von 4 Jahren) veranschlagt“. Zwar müsse das Agrarministerium auf Druck der FDP sparen, „aber ein Projekt wie dieses sollte darstellbar sein und ist ja nicht erst seit diesem Jahr auf der Agenda.“
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