Größter Pensionsfonds zieht Geld ab: Osloer Nahostkonflikt
Norwegische Fonds verkaufen Beteiligungen an Firmen, die mit israelischen Siedlungen zu tun haben. Vor allem die Begründung sorgt für Diskussionen.
KLP verwaltet die Pensionsgelder der Öffentlich-Angestellten im Kommunal- und Gesundheitssektor Norwegens und hat ein Gesamtvermögen von rund 750 Milliarden Norwegischen Kronen (72 Milliarden Euro).
Man habe Unternehmen aus dem Bankwesen, dem Bau- und Infrastruktursektor und der Telekom ausgeschlossen, erklärte Kiran Aziz, die als Analytikerin in der Kapitalverwaltung des Fonds arbeitet. Das seien etwa Firmen, die Strom, Treibstoff oder Überwachungsdienste für die externen Grenzen der israelischen Siedlungen bereitstellen: „Wir finden, dass diese Firmen eine wichtige Rolle bei der Erhaltung und Fortführung dieser Siedlungen spielen.“ Banken habe man ausgeschlossen, weil sie den Bau der Siedlungen finanzierten, Baufirmen wegen der Lieferung von Materialien, Telekom-Konzerne, weil sie Infrastruktur böten.
Insgesamt habe KLP Aktien und Anleihen im Wert von 275 Millionen Kronen verkauft, auch von Konzernen wie Alstom und Motorola. Dabei habe man zunächst das Gespräch gesucht, die Unternehmen hätten aber nicht auf Kontaktversuche reagiert, so Aziz.
Ölfonds stieg aus zwei Firmen aus
Zuvor hatte sich bereits der Auslandspensionsfonds, besser bekannt als Norwegens Ölfonds, der weltweit größte Staatsfonds, mit der gleichen Frage beschäftigt – und schließlich ebenfalls die Anteile an zwei Unternehmen wegen ihrer Verbindungen zu israelischen Siedlungen verkauft. Begründet hatte er das mit einem Bericht des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte von Februar 2020. Dieser nennt 112 Unternehmen, die in den nach internationalem Recht illegalen Siedlungsgebieten aktiv sind.
Nach dem Bericht hatte der Ethikrat des Ölfonds die eigenen Beteiligungen untersucht und der Fondsverwaltung im Dezember den Ausschluss von zwei israelischen Firmen nahegelegt, die Industrieanlagen in Siedlungen im Westjordanland bauen oder vermieten. Dem war die Fondsverwaltung, die Nationalbank, im Mai gefolgt. Es gebe ein Risiko, dass diese Unternehmen „zu systematischen Menschenrechtsverletzungen beitragen“, hieß es.
Reaktionen gespalten
Die KLP-Entscheidung sei ein „enorm wichtiger Beschluss zur Unterstützung des Völkerrrechts und dem Kampf für die Menschenrechte“, sagt Henriette Killi Westhrin, Generalsekretärin der Norsk Folkehjelp, der humanitären Solidaritätsorganisation der norwegischen Gewerkschaften. Gleichzeitig bedauert sie die Reaktion des Ölfonds als „zu zurückhaltend“. Er müsse mehr Firmen ausschließen: Nach einer Norsk-Folkehjelp-Untersuchung sei der Staatsfonds an 64 Unternehmen beteiligt, die „mit ihren Aktivitäten die völkerrechtswidrige Besetzung Palästinas fördern“ würden.
Kritik kommt dagegen von Miff (Med Israel for fred), einem norwegischen Verband, der nach eigenen Angaben „Israel-Freunde mit unterschiedlichen politischen Ansichten“ vertritt. Die Entscheidungen beruhten auf „einer Fehlinterpretation des internationalen Rechts“. Der von den Fonds zur Begründung herangezogene Artikel 49 der vierten Genfer Konvention „schließt nicht das Recht des jüdischen Volkes aus, sich in Judäa und Samaria niederzulassen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu