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Grenzkontrollen in DeutschlandMaßnahmen könnten jährlich 100 Millionen Euro kosten

Seit vergangenem Herbst wird an allen deutschen Grenzen kontrolliert. In nur sechs Wochen kostete das zusätzlich 12,3 Millionen Euro.

Seit Mitte September 2024 finden Passkontrollen an allen deutschen Grenzen statt Foto: Harald Tittel/dpa

Berlin taz | Die Kontrollen an den deutschen Grenzen sind teuer. Allein zwischen dem 16. September und dem 31. Oktober wurden dafür 12,3 Millionen Euro aufgewendet, die zusätzlich zu den regulären Kosten der Bundespolizei anfielen. Das zeigt die Antwort des Bundesinnenministeriums (BMI) auf eine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Leon Eckert (Grüne).

Seit Mitte September 2024 finden Passkontrollen an allen deutschen Grenzen statt. Eckert hatte die Bundesregierung dazu aufgefordert, die Gesamtkosten der Grenzkontrollen im Jahr 2024 im Vergleich zu 2023 offenzulegen. So eine Auflistung sei nicht möglich, antwortete das Innenministerium, denn an den Grenzkontrollen seien Po­li­zis­t*in­nen beteiligt, die ansonsten auch für andere Aufgaben zuständig seien. Erfasst würden nur die unmittelbar mit dem Einsatz verbundenen Mehrkosten. In den ersten sechs Wochen der bundesweiten Kontrollen fielen dafür etwa 12,3 Millionen Euro an, 7,6 Millionen Euro davon für Personalkosten, 4,7 Millionen Euro für Sachkosten.

Das BMI machte über diesen Zeitraum hinaus keine Angaben zu den Kosten. Sollten sie im gesamten Jahr ähnlich bleiben, würden die Maßnahmen jährlich etwa 100 Millionen Euro erfordern – zusätzlich zum ohnehin steigenden Budget der Bundespolizei.

Dass die Mehrkosten in so einem kurzen Zeitraum so hoch seien, zeige, wie teuer stationäre Grenztrollen an allen deutschen Grenzen seien, sagte Eckert der taz. Das Innenministerium habe keinen Überblick über das konkrete Ausmaß der Kosten. Die Grenzkontrollen seien zudem ineffektiv und würden dringend benötigte Polizeikräfte binden.

„Für mich ist klar: Stationäre Binnengrenzkontrollen sind keine effektive Maßnahme gegen Schleuserkriminalität und müssen deswegen umgehend beendet werden.“ Stattdessen brauche es eine verstärkte grenzüberschreitende Polizeiarbeit. „Denn am Ende muss es um die Sicherheit des Landes gehen und nicht um symbolische Fotos von Frau Faeser mit Bundespolizisten“, sagte Eckert.

Freizügigkeit im Schengen-Raum eingeschränkt

Grenzkontrollen sind im Schengen-Raum, zu dem alle Nachbarstaaten Deutschlands gehören, eigentlich nicht vorgesehen. Doch schon vor dem vergangenen Herbst hatte die Bundesregierung begonnen, die Freizügigkeit an den deutschen Grenzen einzuschränken. Zuerst hatte Deutschland 2015 Kontrollen an der Grenze zu Österreich eingeführt, im Oktober 2023 folgten Kontrollen an den Grenzen zur Schweiz, Polen und Tschechien.

Phasenweise wurde auch die Grenze zu Frankreich kontrolliert, unter anderem wegen der Olympischen und Paralympischen Spiele in Paris. Während der Fußball-EM 2024 in Deutschland gab es dann an den Grenzen zu allen deutschen Nachbarstaaten temporäre Kontrollen. Im September wurden dann Grenzkontrollen zunächst befristet für sechs Monate eingeführt.

Nach europäischem Recht dürfen die Staaten des Schengen-Raums Grenzkontrollen nur vorübergehend einführen und nur, um auf eine ernsthafte Bedrohung zu reagieren. Die Maßnahmen vom September 2024 würden im März 2025 auslaufen. Schon im Dezember hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) allerdings angekündigt, die Grenzkontrollen verlängern zu wollen.

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11 Kommentare

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  • Die Freizügigkeit an den deutschen Grenzen wird entgegen der Aussage im Text nicht für die EU-Bürger eingeschränkt für die sie gilt. Sie wird eingeschränkt für die Nicht-EU-Bürger, für die sie sowieso nicht gilt und die sich dieser Freizügigkeit illegal bedienen.

  • Schengen ist ein hohes Gut,



    Laut Faeser muss der Schlussverkauf es beseitigen.



    Ganzjahresschlussverkauf

  • Es wäre sehr schön, wenn man ähnliche Anstrengungen unternähme, um die knapp 500 rechtsextremen Straftäter dingfest zu machen, die per Haftbefehl gesucht aber aus unerklärlichen (?) Gründen nicht gefunden werden.

  • Nicht 100 Millionen Kosten, Hunderte Millionen gespart.

    Ergebnis bis jetzt laut Frau Faser: 1/3 weniger "illegale" Migranten.



    Die hätten uns mit Sicherheit ein Vielfaches gekostet.



    Wenn das stimmt, dann sind die Kontrollen ein Schnäppchen.

  • Wie berechnen sich denn die Personalkosten? Wurden dafür so viele neue Bundespolizist*innen eingestellt (die ja erst in drei Jahren mit der Ausbildung fertig sind)? Es kann sich doch nur um die Verschiebung von Kräften handeln, somit fallen diese Kosten doch gar nicht wirklich an!?

  • 100 gut angelegte Millionen würde ich sagen, denn wer begründet kommt, darf ja auch wie bisher herein.

  • Ich wohne in einer 2015 bundesweit bekannt gewordenen Fluchtstraße zu Österreich. Keine Kontrollen. Die Bundespolizei fährt auch nicht öfter als sonst rauf und runter.

  • Ja der Schwachsinn in Tüten kostet nur Zeit und wenn man nicht eine Zonengrenze 2.0 baut finden Schlepper einen Weg. Schönes Beispiel die Grenzkontrollstelle Ruhstorf an der Rott auf der A3* dazu hat jemand auf Google einen schöne Bewertung verfasst:



    "Sorry, aber die Nummer macht von vorne bis hinten keinen Sinn.



    a) man kann die Kontrolle umfahren



    b) die Menge kann man nicht kontrollieren



    c) präsenz hilft wenig, wenn sie nichts unternehmen kann, weil sich die Bevölkerung sonst aufregt



    d) wir hauen damit den Zweck und das Vertrauen der Partner der Europäischen Union in den Dreck.



    e) Folgeprobleme wie Übermüdung nimmt man so blind in Kauf.( Ob man auf einer Reise mit 9 Stunden noch eine Stunde extra im Auto sitzt oder nicht, macht einen großen Unterschied)

    Mit anderen Worten: sehr geehrte Politik,



    Holt unsere Beamten aus der Kälte und dem Regen. Ihr Erfolg ist hier nicht gegeben und kann anderweitig deutlich besser eingesetzt werden."

    *) maps.app.goo.gl/mMd5xn1Uz1Rs52MP8

  • In sechs Wochen wurden 275 Schleuser festgenommen.

    www.tagesschau.de/...nahmen-em-100.html

    Das sind mehrere Tausend pro Jahr.



    Und bei 9.000 unerlaubten Einreisen, kommt man jährlich auf 78.000.



    Doch, das lohnt sich.

  • "Nach dem europäischen Recht..." führt Frankreich schon seit 2015 Grenzkontrollen zur italienischen Grenze durch. Flüchtlinge ohne Papiere werden zurück gewiesen. Das hat mit den damaligen verheerenden Anschlägen in Paris zu tun.

    Und noch etwas, im letzten Jahr haben in Ungarn 29 Menschen einen Asylantrag gestellt.

  • Die Grenzen nicht zu kontrollieren, ist offensichtlich noch teurer.