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Grenze zu KaliningradPolen schottet sich weiter ab

Polens Regierung will einen Zaun zur russischen Exklave Kaliningrad errichten. Sie befürchtet, Russland könne einen Zustrom von Migranten inszenieren.

Polnischer Soldat installiert Stacheldraht an der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad Foto: Tomasz Waszczuk/dpa

Berlin taz | Die polnische Regierung hat angekündigt, auch entlang der Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad einen Zaun zu errichten. So sollen irreguläre Grenzübertritte verhindert werden. Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak sagte am Mittwoch, Polen fürchte, dass Russland einen Zustrom von Migranten herbeiführen könne. „Der Flughafen in Kaliningrad lässt nun Flüge aus dem Nahen Osten und Nordafrika zu“, sagte Błaszczak. Daher würden die Arbeiten an einer provisorischen Absperrung an der 210 Kilometer langen Grenzlinie unverzüglich beginnen.

Die Anlage soll aus drei parallelen Stacheldrahtzäunen mit einer Höhe von 2,5 Metern, einer Gesamtbreite von 3 Metern sowie aus „elektronischen Geräten“ bestehen. Tatsächlich landen bisher fast nur Flüge aus dem russischen Einflussgebiet in Kaliningrad. Einzige Ausnahme ist eine Direktverbindung ins türkische Antalya. Gleichwohl könnten MigrantInnen auf dem Weg in die EU Kaliningrad theoretisch schon heute über Umsteigeverbindungen etwa in Moskau erreichen.

In der ersten Jahreshälfte 2021 hatte Polen den Bau einer Barriere an seiner Grenze zu Belarus abgeschlossen. Die polnisch-belarussische Grenze ist 418 Kilometer lang, davon verlaufen 186 Kilometer über Land. Entlang dieser Strecke steht nun ein 5,5 Meter hoher Zaun mit Bewegungsmeldern und Kameras. Die Baukosten lagen bei umgerechnet 366 Millionen Euro.

Dennoch versuchen MigrantInnen weiter, die Grenze zu überwinden. Im Oktober registrierte Polens Grenzpolizei nach eigenen Angaben 2.539 „Versuche, die polnisch-belarussische Grenze illegal zu überqueren“. In der Vergangenheit wurde diese Formulierung als Chiffre für Pushbacks verwendet. Am Mittwoch hatte die grüne Bundestags-Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt den Zaun an der Grenze zu Belarus besucht. „Unsere europäischen Werte zeigen sich auch daran, wie wir an unseren Grenzen agieren“, twitterte Göring-Eckardt mit einem Foto, das sie an der Anlage zeigt. „Schutz vor Krieg und Verfolgung, geordnete Einreise, humanitäre Hilfe müssen selbstverständlich in Europa sein. Auch Solidarität gehört dazu. Die große Zahl ukrainischer Geflüchteter, die Polen aufgenommen hat, ist eine große Leistung.“ Dass Polen seit 2021 wohl Zehntausende illegale Pushbacks von Syrern, Kurden, Irakis und Afrikanern Richtung Belarus vorgenommen hat, erwähnte Göring-Eckardt nicht.

Die EU plant, Staaten an den Außengrenzen Sonderrechte einzuräumen, wenn Nachbarstaaten Flüchtlinge in feindlicher Absicht über die Grenze schleusen – so wie Belarus dies vor allem 2021 Richtung Polen getan hatte. Im Falle einer solchen „Instrumentalisierung“ sollen die betroffenen EU-Staaten die Flüchtlingsrechte weiter einschränken dürfen.

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10 Kommentare

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  • „Grenzanlagen wieder wie zu Zeiten des Kalten Krieges gebaut werden um sich - und damit Europa - weiter abzuschotten ist bedenklich“ sorry und bei allem Respekt aber das ist mehr als Quatsch, um sehr vorsichtig auszudrücken – Polen hat sich doch niemals, zumindest nicht freiwillig damals abgeschottet, im Gegenteil … und für die Grenzen haben damals eben solche Typen gesorgt, die jetzt die Ukraine überfallen haben! Schon vergessen, wem der Mauerfall u.a. zu verdanken ist? Soidarnsoc, ein Begriff?!

  • Es ist sicher richtig, dass an der Grenze nicht derart aufgerüstet werden sollte. Schon die Bilder von der Grenze nach Belarus waren fürchterlich.



    Hier sehe ich aber den Westen der EU in der Pflicht. Den Flüchtlingen muss die Möglichkeit gegeben werden, die Grenze nach Polen gefahrlos zu passieren. Anschließend muss eine schnelle Weiterfahrt nach Deutschland realisiert werden. Das wäre mit Reisebussen kein Problem. Alle Anträge und Formalitäten könnten dann in Deutschland gestellt und erledigt werden. DAS NENNE ICH EINE MENSCHENWÜRDIGE FLUCHT!

    • @V M:

      Stimmt, ganz in Ordnung ist das nicht, versaut aber die Pläne von Lukaschenko und Putin.

  • Dass in Polen Grenzanlagen wieder wie zu Zeiten des Kalten Krieges gebaut werden um sich - und damit Europa - weiter abzuschotten ist bedenklich. Die Vorgeschobenen Argumente, dass Russland offene Grenzen für seine Zwecke nutzen könnte sind wenig glaubwürdig nach dem irrsinigen Grenzzaunbau an der Grenze zu Belarus. Die gängige Praxis der Push-Backs an der belarussischen Grenze, welche auch von Frau Göring-Eckardt in anderen Interviews benannt und kritisiert wurde, ist hochproblematisch, insbesondere auch wenn Minderjährige körperliche Gewalt erfahren. Auch die von ihr kritisierte Zwei-Klassen-Migration ist in Polen weitaus ausgeprägter als hierzulande, dennoch muss unbedingt auch in Deutschland die Praxis der Ungleichbehandlung von Geflüchteten überdacht werden. O-Ton Frau Göring-Eckardt in Bezug auf die Situation in Polen: "Das sind zwei Klassen von Flüchtlingen...die ukrainischen Flüchtlinge werden anders behandelt." (Radio-Interview MDR Info) Vielleicht bringt sie diesen Impuls in den politischen Diskurs ein?

  • Da wird Herr Błaszczak leider möglicherweise auch noch behalten.

    • @rero:

      ... Recht behalten

  • Ja gut so. Die Flüchtlinge sollen ankommen. Dann wir sollten mal überlegen was machen wir mit Flüchtlingen und der Ursache für Flüchtlinge. Denn sie in der Türkei oder sonstwo zwischenzu"lagern" ist keine Lösung der Probleme.

  • Recht so, Polen. Man sollte sich nicht durch autoritäre Regime und deren Schlepper erpressbar machen lassen. Flüchtlinge sollten nicht zur politischen Waffe werden können.

    • @Nicolai Nikitin:

      "Flüchtlinge sollten nicht zur politischen Waffe werden können"



      Und deshalb baut man einfach Zäune und sperrt sie alle aus?Wirklich? Das soll die Lösung sein?

      • @PartyChampignons:

        Bliebe der Grenzzaun offen, wäre dies eine abermalige Einladung an die autoritären Regime aus Weiß-/Russland wie im vergangenen Jahr Menschen aus dem Vorderen Orient, unterstützt durch Schlepperorganisationen, in ihre Länder einfliegen zu lassen und als politische Waffen aus ihren Ländern in den Westen zu pressen.