Goldschakal auf Sylt: Der Schuss bleibt erstmal aus
Umweltschützer hatten mit einer Klage gegen den Abschuss des Wolfsverwandten Erfolg. Übergriffe auf Schafe seien laut Wildtierexperten die Ausnahme.

Auf der Nordseeinsel Sylt hatte das Tier Anfang Juni Dutzende Schafe gerissen und ihnen teils auch die Ohren abgebissen. War zunächst von rund 50 Opfern die Rede, verdoppelte sich die Zahl später auf beihnahe 100 getötete Lämmer und Mutterschafe.
Die Entscheidung des schleswig-holsteinischen Umweltministeriums, den Schakal zum Abschuss freizugeben, hielt gerade mal eine Woche. Umwelt- und Jagdverbände im Bundesland hatten vehement dafür geworben, obwohl Goldschakale in Deutschland geschützt sind.
Umweltschützer klagten gegen die Ausnahmegenehmigung. Kurzzeitig hätte jeder Jäger das Tier trotzdem schießen dürfen – bis das schleswig-holsteinische Verwaltungsgericht vergangene Woche einem Widerspruch statt gab. Dieser hat nun zumindest „aufschiebende Wirkung“, bis über den Antrag selbst entschieden ist.
Das Massaker an den Sylter Schafen hatte durchaus verwundert. Hieß es doch bislang, Goldschakale attackierten allenfalls vereinzelt mal ein Schaf. Auf ihrem Speisezettel stünden meist aber Beeren und Mais, Aas und Schlachtabfälle, Insekten, Amphibien, Fische sowie auch mal kleine Säugetiere wie Mäuse.
„Goldschakale sind Nahrungsopportunisten“
Grundsätzlich gelte das nach wie vor, sagt der Goldschakalexperte Felix Böcker vom Wildtierinstitut der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg, der taz: „Goldschakale sind Nahrungsopportunisten. Das heißt, dass sie sich von den Dingen ernähren, die in großer Zahl vorkommen und mit wenig Energieaufwand zu bekommen sind.“ Aber Goldschakale seien auch sehr anpassungs- und lernfähige Tiere, „es gibt also auch immer Individuen, die sich auf bestimmte Verhaltensweisen spezialisieren können.“
Wildtiere, die sich von anderen Tieren ernähren, hätten ihr Jagdverhalten über eine lange Evolution den natürlichen Beutetieren angepasst, erläutert der Experte. Wichtig für den Jagderfolg sei, „dass ein Beutetier einen Reiz beim Jäger auslösen kann, der es dazu bringt, das Tier zu jagen und zu töten“.
Dieses Verhalten werde unter natürlichen Bedingungen meist einmal ausgelöst, auch wenn andere Beutetiere präsent seien. Komme es zu Situationen, in denen Beutetiere nicht mehr flüchteten – wie es bei den eingezäunten Sylter Schafen wohl der Fall war – könne der Reiz zu jagen und zu töten immer wieder ausgelöst werden. „Dieses sogenannte surplus killing ist genauso auch von Wölfen, Hunden, Füchsen oder Mardern bekannt.“
Dabei werde häufig mehr erbeutet als überhaupt gefressen werden könne. Vorfälle wie jetzt auf Sylt blieben beim Goldschakal eine Ausnahme, betont Böcker. „Trotzdem werden solche Ausnahmen auch in Zukunft vorkommen.“ Ob der Sylter Goldschakal, sofern er dem beschlossenen Erschießungstod entgeht, auch in Zukunft Nutztiere angreifen wird, ist laut Böcker völlig unklar.
Er sieht im Abschießen auffälliger Einzeltiere ohnehin nicht die Lösung des Problems. Wichtig findet er, „dass ein qualitatives, ganzheitliches Management für den Umgang mit solchen Tierarten konzipiert wird“.
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