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Giffeys GleichstellungsstrategieErnüchternd nichtssagend

Patricia Hecht
Kommentar von Patricia Hecht

Was das Grundgesetz seit 25 Jahren festschreibt, wird Giffeys Strategie nicht leisten: die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen.

Geschlechtergerechter Haushalt? – Nicht verpflichtend Foto: cavan images

E s ist schon deprimierend, wenn ein Vorhaben als großer Wurf verkauft werden muss, das das Grundgesetz seit rund 25 Jahren festschreibt: Die Verpflichtung des Staates, die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht nur zu behaupten, sondern auch durchzusetzen. Die Gleichstellungsstrategie der Bundesregierung, die sich auf die Fahnen schreibt, genau das zu tun, ist so ein Vorhaben.

Als „Meilenstein“ bezeichnete Frauenministerin Franziska Giffey die Strategie – und gut, kann man sagen, leider fördert der Staat die Gleichstellung bisher nunmal nicht angemessen, da muss also nachgeholfen werden. Anrechnen immerhin kann man Giffey insofern die Bemühung, Gleichstellungspolitik als Querschnittsthema zu verankern. Im Ergebnis allerdings bleibt die Strategie vor allem eins: ernüchternd.

Die 67 Maßnahmen, die die Strategie Punkt für Punkt auflistet, entsprechen dem Koalitionsvertrag. Darüber hinausgehende Ziele sind so nichtssagend formuliert, dass sie oft keine mehr sind: Das Thema Parität im Wahlrecht beispielsweise, ein Trauerspiel der Regierungspolitik, gerinnt zur Aussage: „Dem rückläufigen Anteil von Frauen in den Parlamenten wollen wir gegensteuern.“ Nur wie? Und wann? Und mit wem?

Ein geschlechtergerechter Haushalt? Nicht verpflichtend. Eine Beratung der Ressorts, um Gender Mainstreaming bei Gesetzen im Blick zu behalten? Fehlanzeige. Zukunftsperspektiven über diese Legislatur hinaus? Nope. Und das Ehegattensplitting, eine der großen Geschlechterungerechtigkeiten der Zeit? Wird – zum Leidwesen Giffeys – nicht einmal erwähnt.

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Was die Strategie kann, ist, den Anspruch zu verankern, dass Gleichstellungspolitik eine Querschnittsaufgabe sein muss. Und zumindest das Augenmerk auf die Tatsache zu richten, dass sie auch Grundlage allen Regierungshandelns sein müsste. Doch was das Grundgesetz seit 25 Jahren festschreibt, wird sie nicht leisten können: die Gleichstellung der Geschlechter tatsächlich durchzusetzen.

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Patricia Hecht
Redakteurin Inland
war Chefin vom Dienst in der Berlinredaktion, hat die Seite Eins gemacht und arbeitet jetzt als Redakteurin für Geschlechterpolitik im Inland. 2019 erschien von ihr (mit M. Gürgen, S. am Orde, C. Jakob und N. Horaczek) "Angriff auf Europa - die Internationale des Rechtspopulismus" im Ch. Links Verlag. Im März 2022 erschien mit Gesine Agena und Dinah Riese "Selbstbestimmt. Für reproduktive Rechte" im Verlag Klaus Wagenbach.
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16 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Ehegattrnsplitting, eine große Gleichstellungsungerechtigkeit. Inwiefern?

    • @80576 (Profil gelöscht):

      Das Ehegattensplitting privilegiert steuerlich die (selten den) weniger verdienende und in Teilzeit arbeitende Ehefrau. Das allein erklärt schon die Einkommensunterschiede.

      • 8G
        80576 (Profil gelöscht)
        @Monika Frommel :

        Glauben Sie wirklich, eine Frau verzichtet wegen des Ehegattensplittings darauf, arbeiten zu gehen? Ich kenne keinen Fall.

        Und falls doch, dann würde besagte Frau durch die Aufhebung des Splittings womöglich dazu gezwungen. Ist das das Ziel? Frauen aus Familien, wo das Geld mit Splitting gerade reicht, in Erwerbsarbeit zu nötigen, dadurch dass man das Familiennettoeinkommen beschneidet. Kann man wollen, klingt aber für mich immer eher nach FDP als nach SPD.

        • @80576 (Profil gelöscht):

          Das Ehegattensplitting ist weniger eine Geschlechterungerechtigkeit als eine Lebensentwurfungerechtigkeit.



          Steuerliche Vorteile nur wegen des Trauscheines benachteiligt Menschen in anderen Beziehungsformen.



          Die antiquierte Vorstellung, dass die Ehe zu Kindern führt und deswegen besonders schützenswert ist, gehört auf den Scheiterhaufen der Geschichte.



          Kinder: Vorteile/Unterstützung



          Keine Kinder: keine Vorteile.



          Punkt.

          • 8G
            80576 (Profil gelöscht)
            @Grummelpummel:

            Im Artikel ging es explizit um die Geschlechterungerechtigkeit des Splittings. Sie weichen auf einen ganz anderen Aspekt aus.

            • @80576 (Profil gelöscht):

              Nicht wirklich. Wie Sie sicher bemekrt haben, habe ich jegliche geschlechtsspezifische Formulierung vermieden.



              Ich möchte ein System, bei dem auschliesslich das Vorhandensein von Kindern eine Rolle spielt, unabhängig davon, wie die Elternkonstellation aussieht. Und das hiesse automatisch keinerlei Geschlechterrelevanz mehr.

  • "GG: Die Verpflichtung des Staates, die Gleichberechtigung der Geschlechter nicht nur zu behaupten, sondern auch durchzusetzen."

    Naja, das ist eben eines der Probleme unseres GG, das uns auch noch um die Ohren fliegen kann. Ursprünglich waren die Grundrechte mal Abwehrrechte gegen den Staat (der Staat hat also gewisse Dinge gegen mich einfach nicht zu tun, etwa mich grundlkos einsperren). Wir haben dann später daraus die aktive Pflicht des Staates halb abgeleitet, halb neu entwickelt, dass der Staat aktiv für bestimmte Dinge zu sorgen hat - etwa Bildungsmöglichkeiten für alle.

    Das wurde in moderner Zeit und modernen Verfassungen (neue Bundesländer nach 1990) noch weiterentwickelt, so dass man sich das GG heute gesellschaftlich normativ denkt und der Staat hat das durchzusetzen.

    Das hat natürlich zwei Probleme: (a) Normen sind demokratisch dünnes Eis, für den einen toll, für den anderen Zwang, zu verhandeln gibt es nichts - steht im GG. (b) wie soll der Staat es durchsetzen? Das, was angeprangert wird, greift letztlich weit in die private Lebensführung ein - da hat der Staat kaum Druckmittel. Er kann also von außen flankieren mit Geld etc. und er kann Schulen und Medien so mit Material fluten, wie man sich korrekt zu benehmen hat, dass niemand sich etwas anderes traut. Sozusagen das "chinesische Modell". Ok, bei Normen muss das so sein. Wie sonst? Aber ganz unkritisch ist es auch nicht.

    • @Markus Michaelis:

      Normen sind nicht "dünnes Eis", sondern sie müssen von den Betroffenen akzeptiert und durchgesetzt werden. Sie eröffnen Handlungsspielräume, aber sie verändern nicht die tradierten sozialen Routinen.

    • @Markus Michaelis:

      Das GG schreibt GLEICHBERECHTIGUNG vor, GLEICHSTELLUNG ist das Gegenteil und wird im GG nicht erwähnt. Sie zitieren es oben.

    • @Markus Michaelis:

      Das GG orientiert sich an den Menschenrechten von 1948 und das waren nie nur Abwehrrechte gegen den Staat. Ihre Interpretation ist da viel zu oberflächlich! Außerdem sind die Grundrechte bzw. Menschenrechte nichts statisches, starres, absolutes, sondern unterliegen einem universellen Anspruch der eine Weiterentwicklung ermöglicht. Das sehen Sie schon an der „catch all“ Formel, also der offenen Formulierung in Artikel 2 der AEMR von 1948 „sonstige Umstände“. Insbesondere der rechtliche und gesamtgesellschaftliche Umgang mit Homosexuellen ist hier zu nennen, der dies verdeutlicht! Ohne eine gesamtgesellschaftliche Emanzipation geht es auch nicht, beides gehört somit zusammen!

      • @Hannah Remark:

        @H.Remark: selbstverständlich sind die Grund- und Menschenrechte nichts Statisches. Das ist ja gerade der Punkt, warum sie in einer Verfassung nicht immer etwas zu suchen haben. Die Gefahr ist zu groß, dass sich gesellschaftliche Gruppen in Wahrheitsauslegungen zerstreiten und bekriegen.

        Das GG orientierte sich zuerst mal daran unsere Institutionen und Checks&Balances festzulegen: der Rahmen, in dem wir die Weiterentwicklung unserer Normen ausdiskutieren.

        Wichtiger als 1949 ist natürlich auch, wie wir das GG heute sehen wollen.

        • @Markus Michaelis:

          Ihre Anmerkung "nicht immer etwas zu suchen haben" ist juristisch bzw. für eine Diskussion über Menschenrechte/Verfassungsrechte wenig hilfreich!

    • @Markus Michaelis:

      ...Sie weisen sehr nüchtern auf die Transformation in die formioerte Gesellschaft hin... aktuell heißt das, dass jeder Gefährdete in Quaratäne geschickt wird, während ehedem theoretisch nur der nachweislich Infizierte dort landete - und das auch nur, wenn es sich um eine nicht heilbare lebensgefährliche Infektionskrankheit handelte...

  • 0G
    02854 (Profil gelöscht)

    "Ein geschlechtergerechter Haushalt? Nicht verpflichtend."

    Traurtig, Traurig! Hier müssen andere Seiten aufgezogen werden! Klagerecht der Frau ggü. dem Ehemann zum Beispiel! Oder Männer müssen etwas von ihrem Gehalt abgeben wenn Sie mehr verdienen! Oder verpflichtenden Buchführung der Arbeitsleistung für dne Haushalt. Kann man heute gut Digital machen!

    • @02854 (Profil gelöscht):

      Hier sind wohl doch öffentliche und nicht private Haushalte gemeint.

    • @02854 (Profil gelöscht):

      "Oder verpflichtenden Buchführung der Arbeitsleistung für den Haushalt"

      Ja, das ist bei der Arbeitszeit im Unternehmen ja auch so. Sollte dringend auch in Haushalten eingeführt werden und bei Nichtbeachtung mit Bußgeld bedroht werden. Zugleich brauchen wir auch ein Kontrollrecht, daher sollte zur Überprüfung dieses Falls ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu jeder Wohnung bestehen.