Gießt die Straßenbäume!: Brandgefährlich: Frühling in Berlin
Der April ist viel zu trocken, und auch im Winter hat es nicht so viel geregnet wie nach dem trockenen Sommer 2018 erhofft. Was sagen Experten?
Als erster Bezirk hat am Mittwoch Friedrichshain-Kreuzberg zu den Gießkannen gerufen: Der April ist viel zu trocken gewesen, auch im Winter hat es nicht so viel geregnet wie nach dem Hitzesommer 2018 erhofft – die rund 433.000 Straßenbäume in Berlin haben Durst. Und weil das Grünflächenamt an seine Grenzen stoße, wie Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) sagt, sollen jetzt die Bürger helfen: Ein bis zwei Eimer pro Tag pro Baum gab der Stadtrat als Ziel aus.
In Mitte erneuerte man derweil das Grillverbot für den Monbijoupark. Bereits im Sommer 2018 galt für die einzige Grünfläche im Bezirk, auf der noch gegrillt werden durfte, ein Feuerverbot. „Aufgrund der aktuellen Trockenheit und der hohen Brandgefahr ist allerdings auch dort ab sofort und bis auf Weiteres ein Grillverbot verhängt“, teilt das Bezirksamt auf taz-Anfrage mit.
Tatsächlich fängt der Frühsommer inzwischen schon im April an: Ganze 2 Liter pro Quadratmeter Regen fielen in Berlin – 42 Liter hätten es gemäß den Durchschnittswerten, sein müssen. Verursacht ist die Trockenheit durch ein Hochdruckgebiet, dessen Kern über Skandinavien liegt, erklärt Jörg Riemann, meteorologischer Leiter der Wettermanufaktur Tempelhof, die private und kommunale Unternehmen in Klimafragen berät. Laut Riemann ist ein Hoch in dieser Lage, das immer mit Ostwinden gepaart ist, eher selten. Am Dienstag erreichten die stürmischen Böen in der Stadt bis zu Windstärke 8 – und der Wind lässt die trockenen Böden weiter austrocknen.
Wer einen Garten hat, weiß, wie sich das anfühlt: Selbst wenn man 50 Zentimeter tief gräbt, rieselt die Erde staubtrocken vom Spaten. Ein Grund der Trockenheit ist auch, dass das vergangene Jahr das trockenste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1908 war.
Der Nadelwald leidet besonders
Statt rund 600 Litern pro Quadratmeter regnete es 2018 im Schnitt nur 350 Liter – in etwa so viel, wie auch in Steppenregionen herunterkommt. Die meisten Bäume in den Wäldern haben das nur deshalb kompensieren können, weil das Jahr 2017 überdurchschnittlich feucht und der Grundwasserstand deshalb höher als gewöhnlich war. Aber nun seien die Reserven aufgebraucht, sagt Riemann: Dass es im Winter ab und an geregnet hat, ändere daran nichts. „Um das letzte Jahr auszugleichen, braucht es ein bis zwei regenreiche Jahre.“
Wer mit offenen Augen durch den Wald laufe, könne die Dürreschäden gut erkennen, sagt Derk Ehlert, Naturschutzexperte der Umweltverwaltung. Insbesondere im Südosten der Stadt, wo es viel Nadelwald gebe, mache sich die Trockenheit bemerkbar: „Die Nadeln werden braun, und Schädlinge wie der Borkenkäfer haben leichteres Spiel.“
Auch in den Gärten würden Nadelgewächse wie Eibe und Lebensbaum bereits braun – wobei da nicht die aktuelle Trockenheit der Grund sei, sagt Ehlert. „Bäume sind nachtragend, die Trockenheit der letzten Jahre macht sich mit Verspätung bemerkbar.“
Momentan sei die „Sättigungstiefe“ des Waldbodens – unter einer trockenen oberen Schicht von 10 Zentimetern sind 90 Zentimeter gut durchfeuchtet – noch in Ordnung, sagt Ehlert. „Doch das kann sich schnell ändern.“ Und gerade jetzt im Frühjahr, wo die Bäume austreiben, sei ihr Wasserbedarf hoch.
Dem Mischwald geht es besser
Dem Mischwald, von dem Berlin vor allem im Norden und Nordwesten des Stadtgebiets reichlich hat, gehe es besser: Das Herbstlaub auf dem Boden sei ein „Verdunstungsschutz“, der den Boden feucht halte. Nadeln auf trockenem Waldboden hingegen wirkten wie Brandbeschleuniger.
In Köpenick standen in der Nacht zu Mittwoch 300 Quadratmeter Unterholz in Flammen. Ob die Trockenheit oder Brandstiftung Ursache war, blieb zunächst nicht klar. „Wir appellieren daran, keine offenen Feuer in Waldnähe zu machen und auch keine Kippen wegzuwerfen“, sagte ein Sprecher der Feuerwehr.
Dass das Trinkwasser knapp werden könne, sei in Berlin übrigens kein Thema, sagt Stefan Natz, Sprecher der Berliner Wasserbetriebe. Selbst wenn die Berliner, wie im Hitzesommer 2018, mit 223 Millionen Kubikmetern Trinkwasser 18 Millionen mehr konsumierten als im Vorjahr: Die Brunnen bohrten in einer Tiefe von 30 bis 170 Meter, und dort „machen wir uns den Nachschub selbst“, sagt Natz. Nur ein Drittel des Trinkwassers entstehe durch versickernde Niederschläge, zwei Drittel hingegen durch Uferfiltration. Nicht umsonst hat Berlin viele Wasserwerke entlang von Spree und Havel, die das Wasser – vereinfacht gesagt – ansaugen und in tiefere Gesteinsschichten sickern lassen.
Solange also genug Wasser die Spree und die Havel hinunterfließt, kommt auch Wasser aus dem Hahn. Apropos: Der heutige Donnerstag soll mit bis zu 28 Grad noch mal frühsommerlich werden, doch für die nächsten Tage ist Regen angekündigt. Beste Zeit für einen Waldspaziergang: „Die Natur wird explodieren“, prophezeit Ehlert.
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